Grevesmühlen: Staatsschutz ermittelt zu rassistischer Attacke auf zwei Mädchen

Stand: 17.06.2024 13:41 Uhr

Nach dem Angriff auf zwei Mädchen einer Familie mit ghanaischer Abstammung und deren Vater in Grevesmühlen am Freitag können Zeugen der Polizei nun über eine Internetseite ihre Beobachtungen mitteilen. Die Ermittlungen führt der Staatsschutz.

Die Ermittlungen zu dem rassistischen Angriff auf zwei Mädchen aus einer Familie mit ghanaischer Abstammung und ihren Vater in Grevesmühlen werden bereits von Beginn an vom Staatsschutz geführt. Das teilte das Polizeipräsidium Rostock am Montag auf Nachfrage mit. Eine extra eingerichtete Ermittlungsgruppe werte unter Hochdruck Zeugenaussagen und Bildmaterial aus und habe unter der Internetseite https://mv.hinweisportal.de eine weitere Möglichkeit für Zeugen eröffnet, ihre Beobachtungen oder ihr Wissen mitzuteilen. Zeugen könnten sich weiterhin auch an jede Polizeidienststelle wenden.

Achtjähriger ins Gesicht getreten

Am Freitagabend war es in Grevesmühlen offenbar zu einem rassistisch motivierten Angriff auf zwei acht und zehn Jahre alte Mädchen aus einer Familie mit ghanaischer Abstammung gekommen. Wie die Polizei am Sonnabend mitteilte, sollen die Täter dabei dem jüngeren Mädchen unter anderem ins Gesicht getreten haben. Bei den Angreifern soll es sich um bis zu acht Personen aus einer Gruppe von insgesamt 20 Jugendlichen handeln. Sie sollen den beiden Mädchen gegen 19.30 Uhr am Ploggenseering Gewalt angetan haben, als diese vom Sport auf dem Weg nach Hause waren.

Ermittlungen wegen Körperverletzung und Volksverhetzung

Als der Vater der beiden Mädchen die Jugendlichen zur Rede stellte, sei auch er angegriffen worden. Der Vater und seine jüngere Tochter wurden leicht verletzt ins Krankenhaus gebracht. Ein Unbekannter soll die Opfer der Attacke außerdem rassistisch beleidigt haben. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung und sucht Zeugen.

Mutmaßlich rassistische Parolen auf dem Stadtfest

Auf dem Stadtfest in Grevesmühlen sollen zudem am Freitag Unbekannte zum Lied "L'Amour toujours" rassistische Parolen gegrölt haben. Ob es einen Zusammenhang mit dem Angriff auf die Mädchen besteht, werde geprüft, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Rostock gegenüber NDR 1 Radio MV.

Baerbock: Dagegen aufzustehen, ist Aufgabe für uns alle

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich entsetzt über den Angriff auf die Familie in Mecklenburg-Vorpommern. "Wie hasserfüllt muss man sein, selbst Kinder anzugreifen?", schrieb sie am Sonntag im Onlinedienst X. "Rassismus ist menschenverachtend und will unsere Gesellschaft spalten." Die gesamte Gesellschaft müsse dagegen kämpfen.
"Dagegen aufzustehen, ist Aufgabe für uns alle, jeden Tag aufs Neue - egal ob in der Schule, dem Job oder beim Sport", schrieb Baerbock.

"Dumpfer Hass und unfassbare Unmenschlichkeit"

Auch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) teilte auf X am Sonntagnachmittag mit: "Kinder rassistisch zu beschimpfen und brutal zu attackieren, zeugt von dumpfem Hass und unfassbarer Unmenschlichkeit. Meine Gedanken und Solidarität gelten den Kindern und ihren Familien."

Schwesig: Abscheuliche Tat muss Konsequenzen haben

Zuvor zeigte sich schon Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) entsetzt über den mutmaßlich rassistischen Angriff. "Das verletzte Mädchen ist acht Jahre alt - so jung wie meine Tochter." Schwesig schrieb auf der Plattform X, man dürfe nicht zulassen, dass Hass und Hetze unsere Gesellschaft vergiften und Gewalt unsere Kinder bedroht. Ihre Gedanken und ihr Mitgefühl seien bei den betroffenen Kindern und ihrer Familie. "Diese abscheuliche Tat muss rasch Konsequenzen haben. Rassismus und Gewalt sind widerlich. Das gilt erst recht, wenn Kinder angegriffen werden", hieß es in dem Beitrag weiter.

AUDIO: Manuela Schwesig: Fassungslosigkeit nach Gewalttat in Grevesmühlen (6 Min)

Innenminister Pegel verurteilt Attacke

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) verurteilte den Angriff auf die zwei ghanaischen Mädchen aufs Schärfste. "Man greift keine Menschen an, erst recht keine Kinder und schon gar nicht aus rassistischen Motiven", sagte Pegel. Für Rassismus sei in der Gesellschaft kein Platz.

Bürgermeister: Tat lässt sich nicht entschuldigen

Der Bürgermeister von Grevesmühlen, Lars Prahler (parteilos), reagierte am Sonnabend erschüttert auf den Angriff. "Diese rassistisch motivierte Tat macht mich einfach fassungslos. Das zeugt von bodenlosem Hass und enthemmter Unmenschlichkeit und lässt sich nicht entschuldigen. Auch nicht dadurch, dass es [die Täter] Jugendliche sind", so Prahler im Interview mit NDR 1 Radio MV. Er besuchte die betroffene Familie am Sonnabend. Diese lebe seit etwa 2016 in Grevesmühlen. "Die Tat hat natürlich Spuren hinterlassen - körperlich und in den Köpfen, insbesondere der Kinder."

Zeichen setzen in schwierigen Zeiten

"Ich glaube, wir leben gerade in sehr schwierigen Zeiten, wo komplexe Probleme auf der Straße liegen und diejenigen es einfach haben, die mit dumpfen Parolen und einfachen Lösungen Leute einfangen, als Menschenfänger", führte Prahler weiter aus. Es sei auch an der Zeit, dass die Mehrheitsgesellschaft, die das Abdriften in rassistische Menschenbilder ablehne, sich Gehör verschaffe und Zeichen setze.

Integrationsbeauftragte Michael appelliert an Jugendliche

Die Integrationsbeauftragte des Landes, Jana Michael, sprach von einer "abscheulichen und schockierenden Tat". Sie appellierte an die Mitglieder der Jugendgruppe, die Täter zu benennen und nicht aus Gruppendruck zu schweigen. "Jeder Zeuge, der schweigt, macht sich mitschuldig und verhindert die Aufklärung dieser widerlichen Gewalt an Kindern." Ihre Gedanken seien bei der angegriffenen Familie. "Dem verletzten achtjährigen Mädchen und ihrem Vater wünsche ich eine schnelle Genesung."

Landrat: Verhalten ist nicht zu tolerierender Grenzübertritt

Am Sonnabendnachmittag verurteilte auch Landrat Tino Schomann (CDU) die Tat aufs Schärfste: "Verabscheuungswürdige Taten wie diese lassen mich sprachlos zurück." Dass die Täterinnen und Täter noch im jugendlichen Alter waren, sei keine Entschuldigung. Auch sie müssten zur Rechenschaft gezogen werden. "In meinem Landkreis ist kein Platz für Gewalt", stellte Schomann klar. "Taten wie diese sind eine Schande. Aus einer Gruppe heraus auf die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft loszugehen ist an Feigheit kaum zu übertreffen." Er hoffe inständig, dass die Polizei die Täter ermittelt und angemessen bestraft. Denn so ein Verhalten sei in Nordwestmecklenburg ein nicht zu tolerierender Grenzübertritt, erklärte Schomann.


18.06.2024 12:27 Uhr

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels war die Rede von zwei Mädchen aus Ghana. Richtig ist, dass die attackierte Familie in Grevesmühlen lebt und ghanaischer Abstammung ist. Wir haben die entsprechenden Passagen korrigiert.

 

Weitere Informationen
Ein Platz hinter einem Mehrfamilienhaus mit zwei Bänken - hier wurden zwei ghanaische Kinder und ihr Vater angegriffen. © Screenshot
2 Min

Grevesmühlen: Fremdenfeindlicher Überfall auf zwei Mädchen

Etwa 20 Jugendliche sollen zwei Mädchen, acht und zehn Jahre, aus Ghana angegriffen haben. Die Achtjährige wurde schwer verletzt. 2 Min

Ein Blaulicht leuchtet auf einem Polizeiauto. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Rassismus und Gewalt überschatten EM-Auftakt in Warnemünde

Am Bahnhof in Warnemünde kam es nach rassistischen Parolen zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und mehreren Gewalttätern. mehr

Der Ploggenseering in Grevesmühlen © NDR Screenshots

Rassistischer Angriff: Psychologe vermutet "gewisse Entmenschlichung"

In der Politik wird nach der Attacke auf zwei Mädchen in Grevesmühlen auch über eine Mitverantwortung der AfD debattiert. mehr

Eine Person hält ein Springmesser in der Hand. © picture alliance/Karl Schöndorfer/ picturedesk.com | Karl Schöndorfer Foto: Karl Schöndorfer

Schwerin: Mann greift 33-jährigen Algerier mit Messer an

Die Attacke soll sich auf dem Marienplatz zugetragen haben. Der Tatverdächtige wurde vorläufig festgenommen. mehr

Wahlplakate verschiedener Parteien hängen an den Laternenmasten einer Ausfallstraße in Schwerin. © NDR MV Foto: Screenshot NDR MV

Rassistische Beleidigung: Linken-Politikerin Senli in Rostock bedroht

Die Betroffene, Nurgül Senli, sprach zuvor einen Mann an, der sich an einem Wahlplakat der Linken zu schaffen gemacht hatte. mehr

"Kein Platz für Rassismus" steht auf einem Plakat bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus auf dem Jungfernstieg. © Jonas Walzberg/dpa

Internationale Wochen gegen Rassismus: Aktionen in MV

Das Motto der diesjährigen Aktionswoche der Stiftung gegen Rassismus lautet: "Menschenrechte für alle". mehr

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 17.06.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Landkreis Nordwestmecklenburg

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Am Himmel über den Dächern zweier Häuser ist ein Blitz zu sehen. © dpa Foto: Thomas Rensinghoff

Unwetterwarnung vor Gewittern und Starkregen auch im Norden

Der Wetterdienst warnt vor Gewittern und Starkregen, der lokal bis zu 60 Liter pro Quadratmeter erreichen kann. mehr

Die neue NDR MV App

Ein Smartphone zeigt die Startseite der neuen NDR MV App © NDR Foto: IMAGO. / Bihlmayerfotografie

Mecklenburg-Vorpommern immer dabei - die neue NDR MV App

Artikel, Podcasts, Livestreams: Die NDR MV App ist ganz neu: übersichtlich, kompakt, benutzerfreundlich, aktuell. mehr