Pipeline für LNG-Terminal auf Rügen: "Öffentliches Interesse überwiegt"
Das geplante LNG-Terminal vor Rügen sorgt weiterhin für Kritik und Proteste. Am Montag endete die Einspruchsfrist für den zweiten Abschnitt der Pipeline, die durch den Bodden verlegt werden soll. Es sind zahlreiche Einwendungen eingereicht worden. Der erste Abschnitt könnte schon bald genehmigt werden.
Die ersten knapp 26 Kilometer der sogenannten Ostsee-Anbindungs-Leitung sind offenbar so gut wie genehmigt. Nach monatelanger Prüfung kommt das zuständige Bergamt in Stralsund zu dem Ergebnis: Das Vorhaben kann zugelassen werden. So steht es in einem Genehmigungsentwurf, den das Bergamt heute veröffentlicht hat. Das öffentliche Interesse am Bau der Pipeline überwiegt, heißt es zur Begründung darin. Zum einen, weil das Terminal zu einer sicheren, preisgünstigen und verbraucherfreundlichen Energieversorgung beitrage, zum anderen, weil es die Energieversorgung Deutschlands und Europas mit Erdgas zum Teil absichere.
Einheimische sehen Projekt als Bedrohung für Tourismus
Doch viele Einheimische auf der Insel Rügen, Gemeinden und Umweltverbände sind anderer Meinung. Sie denken, dass das Projekt eine gewaltige Bedrohung für den Tourismus und die umliegenden Schutzgebiete sei. Das Bergamt kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Beeinträchtigungen des Tourismus seien auf die Bauphase beschränkt und somit von begrenzter Dauer, heißt es. Außerdem hätte eine Vorprüfung gezeigt, dass weder die umliegenden Schutzgebiete, noch die streng geschützten Arten erheblich beeinträchtigt werden. Wann das Verfahren tatsächlich zum Abschluss kommt und eine offizielle Genehmigung erfolgt, wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen, heißt es aus dem Bergamt.
Eine Pipeline, zwei Anträge
Der erste Abschnitt der geplanten Erdgasleitung führt von Lubmin bis mitten auf die Ostsee. Die Antragsunterlagen dafür hatte Anfang des Jahres noch der Energiekonzern RWE, als ehemaliger Vorhabenträger eingereicht. Damals war es das Ziel, ein Offshore-Terminal vor Sellin zu bauen. Im Mai dann der Kurswechsel: Die Deutsche ReGas soll das geplante LNG-Terminal betreiben. Nun im Fährhafen Sassnitz-Mukran. Von dort soll das von flüssig in gasförmig umgewandelte Erdgas mithilfe einer Pipeline nach Lubmin transportiert und ins Gasfernnetz eingespeist werden. Mit dem Bau beauftragt wurde die Gastransportfirma Gascade. Diese übernahm den bereits eingereichten Antrag zum Bau einer Pipeline von RWE, ergänzte ihn und reichte einen zweiten nach. Für weitere 24 Kilometer.
Das Genehmigungsverfahren zum zweiten Abschnitt der Pipeline läuft noch. Bis gestern konnten dagegen Einwendungen eingereicht werden. Eingegangen sind nach Angaben des Bergamtes rund 200. Vorgebracht wurden vor allem Umweltbelange. Weiter wurde die Notwendigkeit eines LNG-Terminals hinterfragt.
Jetzt werden die eingereichten Einwendungen der Gascade übergeben. Das Unternehmen kann diese erwidern, so Hanjo Polzin, stellvertretender Leiter des Bergamtes. Weiter würden die aufgeworfenen Fragen in der Abwägung berücksichtigt. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ist noch im August mit einer Entscheidung zum Bau des zweiten Abschnittes der Pipeline zu rechnen.
Binz will Ausbau des Hafens verhindern
Ein weiterer Antrag liegt auf dem Tisch des Wirtschaftsministeriums. Die Fährhafen Sassnitz GmbH hat den Ausbau des Fährhafens beantragt. Der ist erforderlich, wenn wie geplant zwei Regasifizierungsschiffe dort dauerhaft liegen sollen. In einem Schreiben des Ministeriums heißt es, dass dieses beabsichtigt, die Baumaßnahme zu genehmigen. Doch zunächst können die betroffenen Gemeinden bis Ende August eine Stellungnahme dazu abgeben.
Diese Gelegenheit hat die Gemeinde Binz genutzt und ein Gutachten in Auftrag gegeben. Erstellt hat es Bärbel Koppe, eine Professorin für Hydromechanik und Hafenausbau aus Wismar. Sie hat sich die Antragsunterlagen angesehen und kommt zu dem Ergebnis, dass diese mangel- und fehlerhaft sind.
Laut Koppe könne unter anderem der notwendige Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden, sodass der gesamte Hafenverkehr eingestellt werden müsste. Weiter hätte die Fährhafen Sassnitz GmbH in ihrem Antrag zum Ausbau angegeben, dass 52 Tanker mit Flüssigerdgas pro Jahr erwartet werden. Die Anzahl müsste drei bis viermal so hoch sein, so die Professorin. Anders könne die Deutsche ReGas als Betreiberfirma das geplante Umschlagsvolumen nicht erreichen. Weiter sei die Simulation mit nur einem, statt zwei Regasifizierungsschiffen durchgeführt worden, heißt es in dem Fazit. Koppe bemängelt außerdem, dass durch den Ausbau die Standsicherheites des Uferbauwerks gefährdet werde.
Stadt Sassnitz weist Vorwürfe zurück
Für den Bürgermeister der Stadt Sassnitz, Leon Kräusche, gibt es keinen Grund an den Antragsunterlagen zu zweifeln: "Die Fährhafen Sassnitz GmbH arbeitet seit vielen Jahren mit renommierten Planungsgesellschaften zusammen. Diese agieren bei der Planung und dem Ausbau von Häfen im weltweiten Markt, speziell auch in der Planung von LNG- Terminals", so Kräusche. Weiter heißt es, dass im Vorfeld statische Untersuchungen durchgeführt werden. Der Vorwurf einer gefährdeten Standsicherheit verunsichere nur.
Auch der restliche Hafenverkehr werde nicht mit der Inbetriebnahme des LNG-Terminals eingestellt. "Wer mich kennt weiß, dass ich mich persönlich für den Fährverkehr und Hafenbetrieb einsetze", so Kräusche. Die gesamte Vorbereitung sowie eine durchgeführte Simulation sei von den zuständigen Behörden, Lotsen und dem Hafenamt begleitet worden. Die von Frau Koppe beschriebenen Probleme seien nicht bekannt. Im Gegenteil: Laut Kräusche seien die Aussagen nicht nachvollziehbar und sollen nur weitere Verunsicherungen erzeugen.
Es ist bereits das zweite Gutachten, das die Gemeinde Binz im Kampf gegen das Terminal vorgelegt hat. Das erste bezog sich auf die Antragsunterlagen zum Bau der Pipeline. Laut Koppe weise die Pipeline eine zu geringe Mindestabdeckung mit lediglich einem halben Meter Sand auf. Dies berge das Risiko einer Freispülung, ankernde Schiffe könnten dann Schäden an der Leitung verursachen, bis hin zu einer Havarie, so Koppe weiter. Zum Vergleich: Untersee-Stromleitungen müssen aus Sicherheitsgründen bis zu viereinhalb Meter tief vergraben werden.
LNG-Schiff verlässt Lubminer Hafen
Nicht Teil der bisherigen Anträge ist der Betrieb der beiden Regasifizierungsschiffe im Hafen Sassnitz-Mukran. Nach Angaben der Betreiberfirma Deutsche ReGas sollen die Anträge frühestens Ende des Monats eingereicht werden. Derzeit laufen nach Angaben des Aufsichtsratvorsitzenden, Stephan Knabe, für den Antrag erforderliche Untersuchungen.
Ende 2023 soll das LNG-Terminal in Betrieb gehen. Pro Jahr können laut der Gascade zwischen 10 und 15 Milliarden Kubikmeter Gas umgewandelt und eingespeist werden. Das Regasifizierungsschiff "Neptune", welches seit Dezember 2022 im Lubminer Industriehafen liegt, wechselt dann den Standort nach Mukran.