Nach Skandal um Hit "L'amour toujours": Verbieten oder nicht?
Der Skandal um ausländerfeindliche Parolen zum Discohit "L' amour toujours" zieht Kreise. Ein DJ, ein Musikwissenschaftler und Kulturstaatsministerin Claudia Roth halten nichts von einem Verbot.
Die Melodie des Partyhits "L' amour toujours" und die dazu in einer Disco auf Sylt gesungenen ausländerfeindlichen Parolen sorgten nach Pfingsten bundesweit für Schlagzeilen. Ähnliche Entgleisungen wie auf der Nordseeinsel soll es auch in Mecklenburg-Vorpommern gegeben haben. Doch wie soll zukünftig mit dem beliebten Song des Italieners Gigi d’Agostino umgegangen werden? Bereits am Montag wurde der aus dem Jahr 1999 stammende Hit für das kommende Oktoberfest verboten. "Das Lied wird nicht gespielt", sagte der für die Organisation der Wiesn zuständige Münchner Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU). Am Mittwoch meldete sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) zu Wort. Und bei NDR MV Live äußerten sich DJ Dirk Wöhler vom Berufsverband Discjockey e.V. sowie der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs von der Uni Mainz zu dem brisanten Thema.
DJ fordert im Fall der Fälle sofortiges Eingreifen
Dirk Wöhler sagte, dass er ein generelles Verbot des Titels für völlig falsch hält. Der DJ betonte weiter, dass man mit dieser Reaktion nur Menschen Raum geben würde, die auf bunten Partys grundsätzlich nichts verloren hätten. Seiner Meinung nach müsse jeder DJ sofort eingreifen, wenn er von derartigem Fehlverhalten mitkriege. Auch Partyveranstalter und das Sicherheitspersonal müssten entsprechend sensibilisiert sein. Und dann überraschte der Präsident des Berufsverbandes mit dieser Aussage: "Ich würde mir wünschen, dass die Melodie zu einem Sommerhit wird, mit Fangesängen auf der Fußball-Europameisterschaft, wo wir uns alle in den Armen liegen." Ein Verbot von "L’amour toujours" hält er auch deshalb für falsch, weil sich auch andere eingängige Melodien beliebig textlich abwandeln ließen.
Musikwissenschaftler spricht von "Symptombehandlung"
Zuvor sagte ebenfalls im Gespräch mit NDR MV Live der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs von der Uni Mainz, dass der Fall um "L’amour toujours" mittlerweile eine Eigendynamik angenommen habe. "Der Song wird für sehr lange Zeit mit dieser rassistischen Botschaft verknüpft bleiben - das tut mir Leid für Gigi d'Agostino", so Hindrichs. Dennoch hält auch er nichts von einem totalen Verbot des Stücks. Dies sei letztlich nur eine "Symptombehandlung". Auf die Frage, wie man mit der Situation umgehen solle, falls die Melodie mit dem ausländerfeindlichen Gesang belegt werde, antwortete er: "Wenn ein Teil des Publikums grölt, muss man sofort zum Veranstalter oder zur Security gehen." Dann müsse das Treiben konsequent unterbunden werden.
Auch Roth ist gegen Verbot des Hits
Auch Claudia Roth hat sich in der Debatte um rassistische Gesänge zu Partyhits gegen Verbote ausgesprochen. Es sei richtig und wichtig, dass Veranstalter jetzt darüber nachdenken, wie sie Rassismus und Nazi-Gegröle verhindern könnten, sagte Roth den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Doch weder das Lied "L’amour toujours" noch Komponist Gigi d’Agostino könnten etwas dafür, dass es "in übelster Form" missbraucht werde, betonte die Ministerin. Unabhängig davon wird das Lied auch auf der Travemünder Woche verboten - gleiches gilt für das Eutiner Stadtfest im Kreis Ostholstein.
Entgleisungen auf Sylt kein Einzelfall
Der Vorfall auf Sylt hatte bundesweit für einen Skandal gesorgt: Ein offenbar an Pfingsten aufgenommenes Video zeigt, wie Gäste einer bekannten Kampener Bar rassistische Texte zur Melodie des Partyhits "L’amour toujours" grölen. Zudem ist zu sehen, wie ein Mann einen Hitlergruß und mit der anderen Hand einen Hitlerbart an der Oberlippe andeutet. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen. Ebenfalls an Pfingsten soll sich ein weiterer Vorfall bei einem Schützenfest in Löningen (Landkreis Cloppenburg) abgespielt haben. Der Vorstand des dortigen Schützenvereins will über Konsequenzen beraten. Auch ein Ausschluss der an den Gesängen beteiligten Mitglieder steht zur Diskussion.
Auch in Schwerin und Banzkow ermittelt der Staatsschutz
Anschließend wurden ähnliche Fälle in Mecklenburg-Vorpommern gemeldet. In der Nacht zum Sonntag hatte offenbar eine Gruppe in Schwerin den Song mit fremdenfeindlichem Text gesungen. Dazu wurden in sozialen Netzwerken Videos geteilt, die ähnliche Szenen bei einem Fest am Pfingstwochenende in Banzkow (Landkreis Ludwigslust-Parchim) zeigen sollen. In beiden Fällen ermittelt der Staatsschutz wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Bereits Anfang Februar gab es einen ähnlichen Fall bei einer Abi-Feier in Neukalen.