Mit dem Luftpinsel der wahren Farbe der Fische auf der Spur
Mit Luftpinsel, 3D-Drucker und Purschaum haben Präparatorinnen und Modellbauer die neue Ausstellung im Meeresmuseum in Stralsund vorbereitet, die nach dreijährigem Umbau nun eröffnet wird.
Annerose Goldbecher koloriert im Farbraum ein etwa 50 Zentimeter langes Modell eines Flughahns. Das ist ein länglicher, schlanker Fisch mit abgeflachtem Kopf und riesigen Brustflossen. Die Präparatorin zeigt auf eine handgroße, weiße Brustflosse auf dem Tisch: "Dieses Modell kommt ganz frisch aus dem 3D-Drucker." Der steht in der Präparationswerkstatt des Nautineums, einer Außenstelle des Deutschen Meeresmuseums, auf der Insel Dänholm zwischen Rügen und Stralsund. Annerose Goldbecher arbeitet mit Airbrush. Mit einem sogenannten Luftpinsel verteilt sie die Acrylfarben: Grau, Braun, Blau. "Der Flughahn soll die größtmögliche naturnahe Färbung erhalten", sagt die Stralsunderin und schaut auf ein Foto eines lebenden Flughahns auf ihrem Handy.
Fische konserviert und mit Kunststoff gefüllt
Seit 1980 arbeitet die Präparatorin am Deutschen Meeresmuseum. Bis heute hat sie so viele Präparate und Modelle für das Meeresmuseum und das Ozeaneum koloriert, dass sie sie gar nicht mehr zählen kann. An ein Modell erinnert sie sich besonders gerne: an die große Lederschildkröte Marlene, die ebenfalls einen Platz in der neuen Ausstellung gefunden hat. Über viele Wochen hinweg hat sie an dem lebensgroßen Modell gearbeitet. "Zu DDR-Zeiten haben wir größtenteils noch ganz klassisch mit natürlicher Haut präpariert. Da wurden Fische aufgeschnitten und das Innere entnommen. Die wurden konserviert und mit Kunststoff gefüllt, ganz am Anfang noch mit Gips, später mit Purschaum. Wir haben aber auch schon Kunststoffabgüsse hergestellt", erinnert sie sich. Der frisch colorierte Flughahn ist nun im Erdgeschoss an der Evolutionswand zu sehen.
Modelle aus Kunststoff
Im Innenhof schneidet Peter Mildner eine Aussparung in das fast anderthalb Meter große, sandfarbene Modell eines am Boden liegenden Ammoniten. So heißen versteinerte Gehäuse ausgestorbener Kopffüßer. "Der soll aufgestellt werden", erklärt der Thüringer. Eigentlich arbeitet der Präparator für die Friedenstein-Stiftung in Gotha, doch seit zwei Jahren hilft er am Deutschen Meeresmuseum aus. Für die neue Ausstellung hat er Vitrinen eingerichtet, aber auch Modelle erstellt. Mehr als eine Woche hat er an dem Ammoniten gearbeitet. "Der besteht aus acrylgebundenem Gips. Doch viele Sachen mache ich aus Kunststoff. Das ist meistens ein extrudierter Schaumstoff, Polystyrolschaumstoff. Der ist brandgehemmt und als Außenschicht kommt dann oft Epoxidharz in Frage", erklärt Peter Mildner (bei der Extrusion werden formbare Materialien unter Druck in Form gepresst). Damit die Flossen des Schwertfisches durchschimmern, kamen Kunststofftafeln zum Einsatz.
Ein Wochenende für 70 Millionen Jahre alten Meeresboden
Auf drei Ebenen sind die Modelle in der Katharinenhalle im historischen Katharinenkloster verteilt. Maria Kohn steht vor einer Vitrine mit Fossilien aus der Rügener Schreibkreide. "Hier bilden wir einen alten Kreidemeerboden ab, wie er vor 70 Millionen Jahren ausgesehen haben mag“, erklärt die Ausstellungskuratorin. "Obendrauf befinden sich die unterschiedlichen Organismen, die auf dem Kreidemeerboden lebten, und darunter die Fossilien, die wir hier vor Ort finden können wie Seeigel und Donnerkeile." Zusammen mit einem paläontologischen Präparator hat Maria Kohn an einem Wochenende den Kreidemeerboden angefertigt. "Die Objekte, die darauf zu sehen sind, stammen ebenfalls aus dem 3D-Drucker."
Halterungen für Fossilien von Schlosser angefertigt
Ein versteinerter Meeresschwamm aus der Kreidezeit muss mit einer Edelstahlhalterung an einer Tafel befestigt werden. Während die Museumsmitarbeiterin den faustgroßen Schwamm festhält, helfen Kollegen beim Bohren. Jede Edelstahlhalterung wurde passgenau von einem Schlosser angefertigt. Damit sich Besucher besser vorstellen können, wie es damals vermutlich in den Urmeeren ausgesehen hat, hat sie Zeichnungen angefertigt. "Ich bin in der Ausstellung für alles zuständig, was lange tot und versteinert ist", lacht Maria Kohn.
Traditioneller Globus nun animiert
Direkt unter dem Gewölbe der Katharinenhalle hängt eine helle Kugel mit einem Durchmesser von 2,5 Metern. Es ist der alte Globus, der bis zum Beginn des Umbaus vor drei Jahren zentral im Eingangsbereich stand. An dem kam kein Besucher vorbei. Wer einen der Knöpfe drückte, brachte kleine Lämpchen auf dem Globus zum Leuchten. "Das waren die Schifffahrtslinien und Fanggebiete der DDR-Fischfangflotte", erinnert sich Andreas Tanschus. Da der Globus nicht mehr so richtig in die heutige Zeit passte, musste er umgearbeitet werden, erzählt der Museumsdirektor. "Heute geht es um globale Themen, zum Beispiel um Meeresströmungen, große Wanderbewegungen von Meeresbewohnern und Wetterphänomene. Deswegen ist der Globus nun animiert und in Bewegung."
Das Koordinatensystem festgelegt
Auf Sitzliegemöbeln können Besucherinnen und Besucher künftig ganz entspannt unter dem Globus kurzen Geschichten lauschen. Seit 1991 arbeitet Andreas Tanschus im Meeresmuseum. Zum Globus hat er eine ganz besondere Verbindung: "Meine Schwiegermutter hat damals im Meeresmuseum als Grafikerin gearbeitet und auch den Globus bemalt. Ich habe ihr dabei geholfen, das Koordinatensystem festzulegen."