Mehr Sicherheit dank Forschung mit künstlicher Intelligenz
Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Neustrelitz befassen sich aktuell mit spannenden Projekten. Künstliche Intelligenz soll im Eis und unter Wasser wichtige Aufgaben übernehmen.
Im Kontrollraum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Neustrelitz gehen die Daten vieler Erdbeobachtungssatelliten ein. Die Forscher Egbert Schwarz und Stefan Kowalewski stehen vor einem großen Monitor, der wie ein Tisch im Raum platziert ist. Sie beugen sich vor, sehen sich das Gebiet um den Nordpol an. Mit einem Handstreich zoomt Egbert Schwarz hinein - so lange, bis einzelne Eisschollen erkennbar werden. Und dann ist da noch ein heller Umriss: das deutsche Forschungsschiff "Polarstern“. Keine Frage: Schifffahrt ist in solchen Gewässern ein höchst gefährliches Unterfangen. Das gilt nicht nur in der Arktis, sondern auch in der winterlichen Ostsee.
Eiskarten werden per Hand erstellt - noch
Damit derartige Expeditionen sicherer werden, entwickeln die beiden Forscher gerade eine Künstliche Intelligenz. Sie soll mit Hilfe von Satelliten-Bildern künftig detaillierte Eiskarten erstellen. Nach wie vor würden solche Karten per Hand gezeichnet, erläutert Stefan Kowalewski. Er gibt zu, dass man bei dieser Arbeit nicht jeder kleinen Eiskante exakt folgen könne. "Außerdem schätzt man auch eher konservativ ein, wie gefährlich eine bestimmte Region im Detail ist." Eine KI könnte das alles deutlich genauer und natürlich auch schneller.
Mit Trainingsdaten Meereisklassen erkennen
Genau an dieser Entwicklung arbeiten die Neustrelitzer Forscher zurzeit. Dazu muss man wissen, dass es verschiedene Eisklassen gibt: Junges, altes, dickes, dünnes. Die Struktur anhand von Satelliten-Bildern zu bestimmen ist nicht einfach. Ihr KI-System bekommt daher ständig neue Übungsaufgaben. Stefan Kowalewski: "Durch unsere Trainingsdaten lernt die KI zu verstehen, welche Meereisklassen es gibt. Auf dieser Basis wird sie letzten Endes die Karten generieren können."
Was in Neustrelitz entsteht, kann weltweit helfen
Dass diese am Ende weltweit einsetzbare KI ausgerechnet in Neustrelitz entsteht, ist in den Augen von Egbert Schwarz total sinnvoll. "Uns hilft natürlich, dass wir die Daten hier am Standort selber empfangen und direkt weiterverarbeiten können. Das verkürzt die Zeit, die der Operator braucht, um tatsächlich so eine Eiskarte zu erzeugen." Bei dem aktuellen Projekt handelt es sich übrigens nicht um die erste KI, die in der mecklenburgischen Außenstelle des DLR entwickelt wird. "Wir können uns da durchaus auf die Schulter klopfen, weil wir beispielsweise die KI nicht nur im Bereich der Klassifikation einsetzen, sondern auch im Bereich der Objekterkennung." Und genau damit befassen sich auch Wissenschaftler der Universität Rostock.
Pipelines und Windparks sicherer machen
Ihnen geht es primär um die Sicherheit maritimer Bauwerke wie zum Beispiel von Pipelines oder Off-Shore-Anlagen. Fakt ist: In Ost- und Nordsee gibt es besonders viele Windparks. Sebastian Bader vom "Institute for Visual and Analytic Computing“ der Uni Rostock erklärt: "Die Energieversorgung ist natürlich sehr wichtig. Wenn wir mit den Möglichkeiten der Forschung sicherstellen können, dass die Wartung und das Monitoring der Anlagen einfacher werden, wenn wir Störungen in Anlagen schnell identifizieren können - dann leisten wir damit einen wichtigen Beitrag."
Unterwasserroboter müssen Entscheidungen treffen
Die Idee dahinter ist, dass Unterwasserroboter - sogenannten ROVs - selbständig durch die Tiefen gleiten und dabei Bauwerke oder auch den Meeresgrund nach Schäden oder Fremdkörpern absuchen. Eine komplexe, äußerst anspruchsvolle Aufgabe. Das fängt schon bei den ROVs an, sagt Martin Kurowski vom Institut für Automatisierungstechnik: "Solche Fahrzeuge gibt es nicht von der Stange. Daher haben wir einen großen Eigenanteil investiert, um das Fahrzeug so auszurüsten, dass wir es für unsere Forschungszwecke nutzen können." Anders gesagt: Zur Überwachung von Anlagen müssen autonom agierende ROVs mit einer KI ausgestattet sein, die selbstständige Entscheidungen treffen kann. "Ist da etwas, an das ich näher ranfahren muss? Muss ich eventuell etwas greifen? Bei derartigen Fragen kommt die KI ins Spiel", erläutert Kurowski.
Es ist ein interdisziplinärer Prozess
Eine KI muss in der Lage sein, die Situation und die Gegenstände unter Wasser klar zu erkennen. "Gar nicht so einfach", betont Sebastian Bader, schließlich sehe jede Anlage oder jeder Hafen anders aus. Hinzu kommt die Dunkelheit in der Tiefe. Oft stehen nur Sonarbilder zur Verfügung. Bilder auf denen nur einzelne Punkte erkennbar sind. "Wir entwickeln KI-Systeme, die in der Lage sind aus diesen verrauschten Sensordaten bekannte Objekte zu finden", sagt Bader. Das gelingt nur Schritt für Schritt. Martin Kurowski erklärt, dass es sich um einen interdisziplinären Prozess handelt: "Für die Gesamtlösung müssen ein Informatiker, ein Meerestechniker, aber auch ein Elektrotechniker, ein Maschinenbauer und ein Regelungstechniker zusammenarbeiten."
Das perfekte Labor direkt vor der Tür
Ganz in diesem Sinne füttert der Informatiker Sebastian Bader die KI mit den von Martin Kurowski gelieferten Daten. Davon, dass dabei am Ende etwas Vernünftiges herauskommt, sind beide fest überzeugt. Bader sagt: Wir haben in Mecklenburg einen riesengroßen Standortvorteil, denn wir haben nicht nur eine sehr gut vernetze interdisziplinäre Forschungslandschaft - sondern auch ein perfektes Labor vor der Tür. Die Ostsee."