"Lernen, aber satt": 15 Jahre Schulfrühstück in Rostock
Eltern, die ihre Kinder hungrig in die Schule schicken - in Rostock gibt es das immer häufiger. Vor 15 Jahren hat der Verein Wohltat darum in der Grundschule Dierkow angefangen, kostenlos Frühstück anzubieten.
Babette Limp-Schelling ist Geschäftsführerin des Vereins, der sich schon seit drei Jahrzehnten um die sozial Schwachen in der Stadt kümmert. Sie erinnert sich noch genau an den Hilferuf, der den Anstoß zu ihrem Schulfrühstück gab. "Mich hat die damalige Chefin des Stadtteil- und Begegnungszentrums angesprochen, weil sie gemerkt hat, dass viele Kinder nachmittags hungrig ins Zentrum kamen - Kinder, die noch nicht gefrühstückt, den ganzen Tag noch nichts gegessen hatten." In kürzester Zeit schaffte sie es damals, Ehrenamtliche zu finden, die ohne viele Umschweife anfingen, jeden Morgen Stullen für diejenigen zu schmieren, die keine Brotbox dabei haben. Dazu gibt es Obst und Gemüsehäppchen für alle - auch damit niemand als bedürftig stigmatisiert wird.
Ehrenamt statt Däumchen drehen im Ruhestand
Sechs Frauen und ein Mann gehören mittlerweile zum Team. Die 65-jährige Bärbel Weißschnur ist eine von ihnen. Und wenn sie Äpfel und Möhren zerteilt, dann geht das ruckzuck von der Hand. "Mir macht das einfach Spaß. Da sind ganz viele Kinder dabei, die sich freuen, wenn es was Besonderes gibt und die sich auch bedanken." Neben ihr schwingt Thomas Kröger das Schälmesser. Er ist Bundespolizist, hat bei der Küstenwache gearbeitet und als er in den Ruhestand ging, übte seine Tochter sanften Druck aus, damit er sich ehrenamtlich engagiert - sie ist Rostocks Oberbürgermeisterin und weiß, dass ihr Vater nicht einfach zuhause sitzen und Däumchen drehen kann. Schon morgens früh um sieben steht er nun für die Kinder in der Schulküche. Er schmunzelt. "Wenn man so früh aufstehen muss, dann ist man schon mal inne Pötte und der Tag kann anfangen."
Der Bäcker um die Ecke spendet das Brot
Die Lebensmittel für das Frühstück stammen zum Teil aus Spenden, die Wohltat ohnehin einsammelt, um damit seine Suppenküchen zu betreiben. Bäcker Lehmann, der ganz in der Nähe seinen Sitz hat, unterstützt das Projekt mit gesundem Dinkelbrot. Geld kommt nicht vom Staat, sondern von großen und kleineren Unternehmen wie Transgourmet, den Stadtwerken, Elektroschweißtechnik Nord usw.
Inzwischen gibt es Frühstück in neun Schulen
Mit 24 Stullen in der Grundschule Dierkow fing alles an, inzwischen werden alleine dort hundert Frühstücksportionen ausgegeben. Unter dem Motto "Lernen, aber satt" engagieren sich mittlerweile verschiedene Träger an neun Rostocker Schulen. Am Anfang musste sich Babette Limp-Schelling eine Menge Kritik anhören. Der Vorwurf: Eigentlich seien doch die Eltern in der Verantwortung und aus der dürfe man sie auch nicht entlassen. Sie zuckt die Schultern und versichert: "Das finde ich auch. Aber: Was kann ein Kind in der 1.,2. und 3. Klasse dafür, dass es kein Frühstück kriegt?" Ihr gehe es darum, den Hunger der Kinder zu bekämpfen. Warum es Eltern gibt, die einfach nicht aufstehen und Frühstück machen oder die vielleicht auch kein Geld dafür haben - das sei eine Frage, über die sie schon seit 15 Jahren nachdenkt ohne eine plausible Erklärung zu finden.