Kotfressendes Supertalent: Der Stierkäfer liebt MV
Ein Kuratorium des Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg (Brandenburg) hat eine Mistkäferart zum Insekt des Jahres gekürt. Die Wissenschaftler wollen darauf hinweisen, dass dem Stierkäfer Tierarzneimittel zum Verhängnis werden.
In Deutschland liegt der Verbreitungsschwerpunkt des Stierkäfers in Brandenburg und Mecklenburg. Hierzulande fühlt er sich in der Griesen Gegend wohl, auch in der Ueckermünder Heide, aber vor allem im Naturschutzgebiet (NSG) Marienfließ. Das liegt im südlichen Mecklenburg. Diese Gebiete sind sandig und nährstoffarm - das sind ideale Bedingungen für den Superkäfer.
Fortpflanzung im Untergrund
Im NSG Marienfließ hält Insektenexperte Udo Steinhäuser nach dem Käfer Ausschau und hat Glück. Ein schwarzes Prachtexemplar krabbelt gerade über den sandigen Boden. Meistens ist der Stierkäfer nachtaktiv. "Aber hier gibt es ihn relativ oft und da sieht man ihn auch mal am Tag. Er hat hier sehr gute Verhältnisse. Der Stierkäfer mag es sandig, weil er für seine Fortpflanzung bis zu 1,50 Meter tiefe Röhren in den Boden gräbt und das geht eben nur im lockeren Sand." Der Stierkäfer gehört zu den Mistkäfern, die die tiefsten Röhren graben. In ihren unterirdischen Gängen überwintern die Tiere auch. Die ersten Exemplare tauchen dann meist nach der Schneeschmelze im Februar auf.
Kot ist Leibspeise der Larven
Udo Steinhäuser ist Mitglied im Entomologischen Verein Mecklenburg. Er erläutert, dass die Stierkäfer ihre Eier am Ende dieser tiefen Röhren ablegen. Im Untergrund gibt es viele verzweigte Röhren, die auch als Speisekammern dienen. Denn die Larven ernähren sich ausschließlich von Kot. "Stierkäfer sind sogenannte koprophage Käfer, die sich ausschließlich von den Hinterlassenschaften der Schafe, Rehe oder Hasen ernähren". Durch diese Lebensweise düngt und lockert der Stierkäfer quasi nebenbei den Boden.
Lebensgefahr durch Arzneimittel
Die Entomologen wollen über das Insekt des Jahres aufklären und für seine Probleme sensibilisieren. Denn der Käfer frisst über den Kot auch Rückstände von Medikamenten auf, die in der Nutztierhaltung eingesetzt werden - allen voran Anti-Wurmmittel. "Die Käfer sterben daran bzw. haben keinen Nachwuchs. Und das ist ein großes Problem. Deshalb ist der Stierkäfer auch besonders stark vom derzeitigen Insektenrückgang betroffen." Die Insektenkenner vom Deutschen Entomologischen Institut schlagen vor, Arzneimittel gegen Parasiten, etwa Anti- Wurmmittel, nicht mehr vorbeugend einzusetzen, sondern erst dann, wenn Kühe, Schafe oder Ziegen wirklich betroffen sind. Damit der Stierkäfer auch weiterhin in der Natur beobachtet werden kann.
Hygienefachkraft und Ökoheld
Udo Steinhäuser ist vom sechsbeinigen Dienstleister tief beeindruckt. Denn Stierkäfer beseitigen die Hinterlassenschaften der Tiere, die sich auf der Weide aufhalten. "Das würde uns Menschen viel Geld und Arbeit kosten. In England hat man das einmal berechnet und hat das dann mit 400 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Das erbringen die Käfer für uns als Gratisleistung." Allerdings verzeichnen Entomologen und Ökologen seit Mitte der 1980er Jahre weltweit einen starken Rückgang vieler Mist- und Dungkäferarten. Zu ihnen zählt auch der Stierkäfer.
Kraftprotz auf sechs Beinen
Der Stierkämpfer ist übrigens eine im wahrsten Sinne des Wortes starke Persönlichkeit. Er kann das Tausendfache seines eigenen Körpergewichts bewegen. Er selbst wiegt nur wenige Gramm und wird 10 bis 20 Millimeter lang. Weibchen und Männchen werden ähnlich groß. Vorne am Kopf hat der Stierkäfer drei Hörner. Auf lateinisch heißt er "Typhaeus typhoeus". "Typhon ist in der griechischen Mythologie ein Riese mit zahlreichen Drachen- und Schlangenköpfen,“ so Steinhäuser. Die Hörner der Männchen sind wesentlich imposanter ausgeprägt als die der Weibchen, die nur Ansätze von Hörnern haben.
Nächste Generation kommt im Herbst ans Licht
Der Nachwuchs braucht Monate, bis sich aus den im Frühjahr gelegten Eiern junge Stierkäfer entwickeln. Sind die Eier befruchtet und gelegt, sterben die Elterntiere. Die neue Generation wächst im Verborgenen heran, nämlich im unterirdischen Röhrensystem. Im Herbst buddeln sich die Jungtiere dann mit ihren Grabefüßen hinauf ans Licht. Sie sind dann ab September zu sehen, zum Beispiel im Naturschutzgebiet Marienfließ, im Süden Mecklenburgs.