Kein Leben ohne Phosphor: In Stavenhagen wird der Stoff gewonnen
Mecklenburg-Vorpommerns erste Verbrennungsanlage ausschließlich für Klärschlamm steht in Stavenhagen. Weitere sollen deutschlandweit entstehen, um dem Phosphormangel zu begegnen.
Anfang 2024 soll in Stavenhagen die landesweit erste überregionale Monoklärschlammverbrennungsanlage in Betrieb gehen. Die Firma Energy from Waste (EEW) mit Sitz in Helmstedt (Niedersachsen) hat rund 60 Millionen Euro in den Neubau investiert. "Der Klärschlamm ist wie ein Brennstoff. Die Anlage bleibt in Bewegung ohne zufeuern zu müssen", erklärt Geschäftsführer Morten Holpert das Prinzip der Anlage. Obwohl gleich nebenan bereits eine Verbrennungsanlage steht, in der Haus- und Gewerbemüll aus Mecklenburg-Vorpommern verbrannt wird, war die Investition zwingend notwendig, weil der Klärschlamm nicht mehr auf die Äcker ausgebracht werden darf.
"Die Zahl der Schadstoffe in den Abwässern steigt immer mehr an. Zum Beispiel Medikamentenreste und Mikroplastik", begründet David Schacht, Geschäftsführer des Wasserzweckverbandes (WZV) Malchin/Stavenhagen diese neue gesetzliche Regelung. Das Klärwerk des WZV gleich gegenüber der Verbrennungsanlage auf der anderen Straßenseite muss deshalb mit einer neuen Filterstufe ausgerüstet werden. Eine Investition von mehreren Millionen Euro, schätzt Schacht: "Die EU hat im Oktober beschlossen, dass sich die Medikamentenhersteller an den Kosten beteiligen sollen."
Pflanzen leiden unter fehlenden Phosphaten
Das Problem: Jetzt fehlt der Klärschlamm auf den Äckern. Und damit wichtige Mineralstoffe. Einer davon: Phosphor. Dieser ist in Form von Phosphaten lebenswichtig für Menschen, Tiere und Pflanzen. Fehlen Phosphate leiden zum Beispiel der ausgebrachte Raps und alle anderen Saaten. Toni Jaschinski, Landwirt in Chemnitz bei Neubrandenburg, erklärt den Mangel an einem grünen Blatt der Rapssaat, das große lilafarbene Flecken hat: "Hier können wir von einem Phosphormangel ausgehen. Das ist so ein typisches Erkennungsmerkmal, das sich bei Phosphormangel zeigt. So eine Lila-Färbung. Das haben wir sowohl beim Raps als auch beim Getreide." Laut Studien würden die Phosphate noch maximal 200 Jahre reichen, so Jaschinski. Die Preise haben sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Der Grund: Weltweit ist Phosphor knapp und kann nicht künstlich hergestellt werden. Die EU hat ihn deshalb auf die Liste der kritischen Rohstoffe gesetzt.
Drei Viertel des Klärschlamms sind reines Wasser
Phosphor soll nun zurückgewonnen werden. Daher darf Klärschlamm nicht mehr mit dem Haus- und Gewerbemüll zusammen verbrannt werden. "Die Monoklärschlammverbrennungsanlage ist eine echte Alternative um die Klärschlamme, die aus einer Abwasseranlage kommen, nicht mehr auf die Felder zu bringen. Auf den Feldern haben wir eben diese unangenehme Eigenschaft, dass Mikroplastik, Hormone und andere Rückstände in den Nahrungskreislauf zurückgeführt werden," erläutert Holpert. Rund 160.000 Tonnen Klärschlamm können jährlich in Stavenhagen angeliefert werden. Das entspricht fast der gesamten Menge, die in Mecklenburg-Vorpommern anfällt. Weil drei Viertel der Masse Wasser sind, wird der angelieferte Klärschlamm in Stavenhagen getrocknet. "Die Trockner geben dann quasi getrockneten Klärschlamm auf die Wirbelschichtanlage." Das ist ein Ofen, in dem die verbleibende Substanz von rund 40.000 Tonnen bei rund 850 Grad verbrannt wird.
Klärschlamm schließt Kreislauf zwischen Fäkalien und Lebensmitteln
Übrig bleiben etwa 15.000 Tonnen Asche, die immer noch die Phosphate aus dem Klärschlamm enthält. Die Asche wird dann in einem gesonderten Verfahren mit Zusatz- und Mineralstoffen gemischt. Daraus entsteht neuer Dünger, etwa 25.000 Tonnen Phosphat-Granulat, das den Landwirten hilft, ihre Felder wieder angemessen zu versorgen. "Das ist ein abfallfreier Prozess, der die Klärschlammasche aufnimmt und dann aufbereitet wird zu diesem Dünger. Er ist punktgenau für die Pflanzen verfügbar," erklärt Holpert. So gelangen die Phosphor-Reste menschlicher Fäkalien über den Umweg der Klärschlammverbrennung wieder in den Nahrungskreislauf. Letztendlich werden sie dann Bestandteil unserer Nahrungsmittel wie Rapsöl und Brot - so wie es schon zu den Zeiten war, als der Klärschlamm noch auf den Äckern versprüht wurde.