Kalb, Rind, Milch, Gülle - Geht das auch nachhaltig?

Stand: 05.09.2023 20:57 Uhr

Kühe liefern uns Milch, stoßen dabei aber auch CO2 aus. Um nachhaltigere Milchviehwirtschaft zu betreiben, gibt es verschiedene Ansätze von Politik und Molkereien. Westlich von Schwerin auf einem Hof in Brüsewitz leitet Landwirt Jörgen Schoorlemmer einen Hof mit über 500 Rindern.

von Christoph Loose

Für Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) ist Klima- und Ressourcenschutz eine Art Lebensversicherung, auch für die Zukunft: "Wir alle möchten nachfolgenden Generationen fruchtbare Böden, sauberes Wasser, gute Luft und Artenreichtum hinterlassen." Ein Landesklimaschutzgesetz soll dafür in Zukunft die Grundlage sein. Sein Ministerium erarbeitet es momentan. Neben der Politik versuchen die Molkereien und Milchviehhalter sich ebenfalls nachhaltiger aufzustellen. Die Unternehmen rücken den Klimaschutz in den Fokus, starten eigene Initiativen. Kritiker, wie zum Beispiel Foodwatch, sehen oft ein sogenanntes Greenwashing, also den Versuch, durch Labels und Maßnahmen zum Thema Klima höhere Absätze zu erzielen.

Eine dieser großen Molkereien ist Arla, eine Genossenschaft mit Mitgliedern in mehreren Ländern Europas. Arla hat einen Klima-Check eingeführt. In diesem Bewertungssystem bekommen Landwirte Punkte für klimafreundliche Landwirtschaft und erhalten dadurch auch mehr Geld für ihre Milch. Ein Hof mit einer hohen Punktzahl befindet sich westlich von Schwerin in Brüsewitz. Jörgen Schoorlemmer leitet den Betrieb mit 600 Kühen.

"Das ist unser Wert! Wo steht ihr?"

Im Arla-Klima-Check liegt der Hof von Schoorlemmer bei den CO2-Emissionen unter dem Durchschnitt: 53 Nachhaltigkeitspunkte bekommt er, 48 sind der Schnitt bei der Genossenschaft. 53 Punkte bedeutet für den Betrieb 1,59 Cent mehr pro Liter Milch. Die Punktzahl wird von vielen Faktoren beeinflusst: Wo kommt das Futter der Kühe her? Was wird mit der Gülle gemacht? Wie viel Kraftfutter bekommen die Rinder? Wie lange leben sie? Für Schoorlemmer sind das Fragen, mit denen er sich gerne auseinandersetzt. Seine älteste Milchkuh ist 15 Jahre alt. Sein Ziel ist es, dass noch mehr seiner Kühe so alt werden und noch Milch geben. Das sei gut für das Klima, sagt er: "Zwei Jahre brauchen die Kälber, um zur Milchkuh zu werden. In der Zeit brauchen sie Fressen und stoßen bereits CO2 aus, ohne Milch zu erzeugen." Längere Lebensdauer kann also für das Tierwohl und den Klimaschutz förderlich sein.

"Ich kann das Liegeverhalten der Kuh ermitteln"

Um die Gesundheit seiner Kühe zu überwachen, trägt jede einen Sender am Hinterbein. Stündlich werden Daten ausgewertet - über Werte, die für die Milch wichtig sind, aber auch Bewegungsdaten. "Ich kann das Liegeverhalten der Kuh ermitteln, ich sehe auch eine Kuh, die weniger läuft. Dann kann ich da sofort hin und schauen, was die hat. Ist die nur mal schlecht drauf, oder ist es etwas Ernstes?", erklärt Schoorlemmer.

Alle diese Daten werden am Ende heruntergerechnet und der Betriebsleiter weiß, wie viel CO2 er auf den Liter Milch emittiert. Diese Daten fließen dann ebenfalls in eine abschließende Jahresrechnung für den Betrieb. Diese Rechnung ist nicht nur für den Hof in Brüsewitz wichtig, sondern auch für die Molkerei Arla.

Klimaschutz und Verkaufsargument

Molkereien wie Arla haben mit solchen Maßnahmen aber nicht nur den Klimaschutz als Ziel. Für die Betriebe ist es auch ein Verkaufsargument. Dr. Björn Kuhla forscht am Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf bei Rostock.

"Also die Ideale der Molkereien sind ja die, neue Verkaufsargumente zu entwickeln. Will sagen: Das ist eine besonders klimaneutrale Milch. Oder das ist eine besonders emissionsarme Milch. Darum geht es den Molkereien." Dr. Björn Kuhla

Laut Kuhla gehören zum Klimaschutz in der Milchviehhaltung auch viele kleine Stellschrauben, an denen die Betriebe drehen müssen. Dazu gehören Abdeckungen für Güllegruben, Solarenergie und Biogasanlagen, aber auch Transport und Lagerung der Milch. Und der Stickstoffkreislauf, genauso wie das Wassermanagement, sollen relevant sein. Wenn Kohlenstoff in Form von Biogas aus der Gülle gewonnen wird, dann könnte er laut Kuhla im Boden fehlen, um nährstoffreichen Humus zu bilden. Auch ein sinkender Grundwasserspiegel mag ein Problem sein und für eine deutlich geringere Bindung von CO2 im Boden sorgen.

"Die Landwirtschaft hat auch ihren Beitrag zu leisten"

Wichtig ist Forscher Kuhla, dass man nicht versucht, allen Problemen mit der gleichen Lösung zu begegnen. Landwirtschaft und besonders die Milchviehhaltung sei komplex. Es gebe viele Ansätze, die bereits von Höfen und Molkereien umgesetzt werden. Und letzten Endes sei es das Ziel eines jeden Landwirts, den Boden gut zu bewirtschaften und fruchtbar an folgende Generationen zu übergeben. So sieht das auch Landwirt Schoorlemmer: "Man kann nicht erwarten, dass andere ihr Soll bringen und wir machen nichts. Die Landwirtschaft hat auch ihren Beitrag zu leisten. Ohne wenn und aber." Der Hof mit 600 Kühen soll in Zukunft wachsen. Bis zu 540 weitere Tiere sind möglich. Auch die Kapazität der Biogasanlage wird verdoppelt, neue Ställe bekommen ein Solardach. Für diese Maßnahmen bekommt Schoorlemmer dann auch zusätzliche Arla-Klimapunkte.

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N-JOY | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 05.09.2023 | 19:30 Uhr

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