Jugendkriminalität: Auf Streife mit der Rostocker Kripo

Stand: 23.05.2024 09:45 Uhr

Immer wieder gibt es Berichte über gewalttätige migrantische Jugendliche in der Rostocker Innenstadt, besonders in den Wallanlagen. Ist die Lage außer Kontrolle? Auf Streife mit der Kriminalpolizei.

von Nico Stubbe

"Guten Tag, Kriminalpolizei Rostock. Jugendschutzkontrolle, ich hätte gerne einmal die Ausweise gesehen." Plötzlich sind sie da: die Zivilbeamten Frank und David. Um ihre Privatsphäre zu schützen, nennen wir nur ihre Vornamen. Bei ihrer Streife durch die Wallanlagen sind ihnen zwei rauchende junge Frauen aufgefallen - beide minderjährig, wie sich herausstellt. Freiwillig entsorgen sie all ihre Zigaretten im Mülleimer. Eine Anzeige gibt es nicht - dafür eine kleine Belehrung über die Folgen des Rauchens.

Die Atmosphäre ist recht locker und freundlich. Ob den beiden sonst noch etwas aufgefallen sei, möchte David wissen. Ob es irgendwelche Vorfälle gegeben habe oder neue Gruppen, die sich in den Wallanlagen aufhalten. "Nein", sagt die eine, sie seien nicht oft hier und würden nur einzelne Personen flüchtig kennen. Es sind Gespräche wie dieses, die für Frank und David oft wertvoll sind. Sie hören sich um, zeigen Präsenz, sind ansprechbar. Denn rund um das Kröpeliner Tor haben in den vergangenen Monaten gleich mehrere Vorfälle für Unruhe gesorgt.

Drei mutmaßliche Gewalttaten innerhalb eines Monats

So etwa Anfang April, als ein 17-Jähriger bei einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit bis zu sechs weiteren Jugendlichen schwer verletzt wurde. Ersten Berichten zufolge sei die Tatwaffe ein Baseballschläger gewesen - inzwischen gebe es darauf laut Polizei aber keine Hinweise mehr. Wenige Wochen später erstattete ein 15-jähriges Mädchen Anzeige, sie und eine Freundin seien sexuell missbraucht worden. Auch an dieser Version hatte es später jedoch Zweifel gegeben. Einen dritten Fall gab es Anfang Mai, als ebenfalls Jugendliche vor dem Einkaufszentrum KTC auf einen 17-Jährigen und dessen Freundin eingeschlagen haben sollen. In allen drei Fällen dauern die Ermittlungen laut Polizei weiter an. Und in allen drei Fällen sollen migrantische Jugendliche die Täter gewesen sein.

"Es gibt Gruppen, die machen richtig viel Stress."

Für Frank und David geht es nun über den Klostergarten weiter in Richtung Jakobikirchplatz. Ein weiterer beliebter Treffpunkt. Hier stoßen sie auf eine Gruppe von elf Jungen und Mädchen, alle zwischen 14 und 15 Jahren alt. Die Stimmung ist ausgelassen - offenbar auch ohne Alkohol und sonstige Drogen. Von den jüngsten Vorfällen hätten sie hier alle gehört - selbst aber nichts beobachtet. "Es gibt halt Gruppen, die machen richtig viel Stress", sagt eines der Mädchen. "Und dann gibt es aber auch Gruppen, die machen gar nichts. Wir sind eher so die Gruppe, die nichts macht." Und trotzdem würden sie in der Öffentlichkeit für die Taten anderer beschuldigt.

Kriminalstatistik: Weniger jugendliche Tatverdächtige

Tatsächlich ist die Anzahl jugendlicher Tatverdächtiger in Rostock laut jüngster Kriminalstatistik rückläufig. Wurden im Jahr 2022 noch 872 tatverdächtige Jugendliche erfasst, waren es im vergangenen Jahr insgesamt 773 in diesem Altersbereich, also knapp 100 Tatverdächtige weniger. Insgesamt sei die Anzahl der Einsätze in der Innenstadt in den letzten beiden Jahren nahezu konstant, auch 2024 sei bisher kein erhöhter Anstieg zu verzeichnen. Es gebe bei den Tatverdächtigen keine Nationalität, die besonders häufig auftrete.

Insgesamt zeigt die Rostocker Kriminalstatistik einen leichten Anstieg der Anzahl nicht-deutscher Tatverdächtiger: 2022 seien es 1.063 gewesen, im vergangenen Jahr waren es demnach 1.264. Dem gegenüber standen 2022 noch 6.719 deutsche Tatverdächtige im vergangenen Jahr waren es 6.456.

"Eine Menge an Verdachtsberichtserstattung"

Aus dem Rostocker Rathaus heißt es, derzeit gebe es "eine Menge an Verdachtsberichterstattung". Insgesamt hätten jedoch "viele Maßnahmen verschiedener Akteure" Wirkung gezeigt. Einer dieser Akteure ist der Rostocker Verein Soziale Bildung, der im Auftrag der Stadt aufsuchende Sozialarbeit mit Jugendlichen leisten soll. Von den zwei Vollzeitstellen sei momentan aber nur eine besetzt, sagt die Koordinatorin Ira Leithoff. Auch sie beobachtet eine Stigmatisierung von Jugendlichen. Häufig würden sie in der medialen Berichterstattung besonders hervorgehoben, wenn es um Gewalt- oder Drogenthematiken gehe - ohne auf die Hintergründe und Häufigkeiten zu schauen.

Der Zusammenhang zwischen Jugendkriminalität und Migration sei laut Leithoff "zu kurz gefasst". Vor allem junge Menschen mit Migrationshintergrund seien oft von fehlender Unterstützung geprägt. Gleichzeitig würden Integrationsleistungen in Rostock "unkoordiniert" scheinen und seien in weiten Teilen auf die Primärversorgung in den Bereichen Essen, Schlafen und Wohnen ausgelegt. Zudem spüre der Verein deutlich den Wegfall von Bundesmitteln, etwa bei der Migrationsberatung.

"Nicht so gravierend, wie es dargestellt wird"

Die Zivilpolizisten Frank und David kehren noch einmal zurück an die Wallanlagen. Es ist ein vergleichsweise ruhiger Freitagabend. Insgesamt hätte sich die Lage wieder deutlich entspannt. Auseinandersetzungen mit Jugendlichen habe es im öffentlichen Raum schon immer gegeben. Junge Migranten seien anders als häufig dargestellt "nicht mehr oder weniger aggressiv als deutsche Jugendliche", sagt Frank. "Von der Warte her sehe ich das wirklich nicht so gravierend, wie es dargestellt wird."

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 23.05.2024 | 19:30 Uhr

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