Giftiges Thallium in der Ostsee - Keine Gefahr für Badegäste
Die Ostsee ist mit dem giftigen Schwermetall Thallium belastet. Das hat eine Studie des US-Meeresforschungsinstituts Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) zusammen mit dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) ergeben.
Thallium ist das giftigste Schwermetall der Welt. Selbst in geringen Mengen führt es schneller zum Tod von Mensch und Tier als Quecksilber oder Blei. Wissenschaftler des US-amerikanischen Forschungsinstituts "Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI)" konnten Thallium nun auch im Gotlandbecken der Ostsee nachweisen.
Thallium stammt aus der Nachkriegszeit
Olaf Dellwig, Geochemiker am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und Mitautor der Studie, zeigt auf ein Bild auf seinem Computer. Zu sehen ist ein rund 40 Zentimeter langer Bohrkern vom Meeresgrund des 250 Meter tiefen Gotlandbeckens. Für den Forscher ist der Bohrkern wie ein Zeitstrahl der Erdgeschichte: „Wir sehen Ende der 50er Jahre deutlich, dass sich der Kern dunkel verfärbt. Das deutet auf Sulfide hin und die binden Schwermetalle wie eben Thallium.“
Vermutlich stammt das Thallium aus der Industrie, so Dellwig. In der Nachkriegszeit wurde viel gebaut und dafür waren Unmengen an Zement nötig. Der habe Thallium enthalten. Industrieschornsteine pusteten das schädliche Schwermetall als Folge der Zementproduktion in die Atmosphäre. Über die Luft nahm es dann die Ostsee auf. „Mittlerweile hat die Menschheit gelernt. Der Bohrkern wird heller. Das heißt es kommt weniger Thallium aus der Industrie“, sagt der Ostseeexperte. Zement ohne Thallium und bessere Filter in den Industrieanlagen verhindern heutzutage, dass mehr Schwermetalle ins Meer gelangen.
Trotz Thalliumbelastung: keine Gefahr für Badegäste
Thallium verbleibt aber nur in sehr geringen Mengen im Meerwasser. Vielmehr bindet der Meeresboden das Schwermetall. „In der Wassersäule der Ostsee kommt Thallium nur in natürlichen Konzentrationen vor und die sind sehr niedrig“, sagt Olaf Dellwig. Ein Mensch kann laut des Bundesinstituts für Risikobewertung bis zu 10 Mikrogramm Thallium am Tag zu sich nehmen, ohne zu erkranken. „Ich habe mal ein bisschen rumgerechnet: um diesen kritischen Wert zu erreichen, müsste ein Mensch täglich 1000 bis 2000 Liter Ostseewasser pro Tag trinken“, so Dellwig weiter. Deshalb hält der 57-Jährige es für unmöglich, dass sich Badegäste in der Ostsee mit Thallium vergiften könnten.
Anwohner meldeten Bedenken
Dennoch melden sich besorgte Bürgerinnen und Bürger im Warnemünder Institut. Eine Strandgängerin vom Fischland-Darß-Zingst zum Beispiel fragte, ob sie noch unbedenklich barfuß durch den Strandsand wandern könne. „Eine clevere Frage“, findet Olaf Dellwig. Denn im Frühjahr entnehmen Bagger dem Meeresboden Sand und schütten damit viele Strände entlang der Ostsee auf. „Doch auch hier kann ich Entwarnung geben. Dieser Sand stammt nicht aus den tiefen mit Thallium belasteten Ostseebecken“, so Dellwig weiter. Weder Wasser noch Sand seien für Badegäste also gefährlich.
Sauerstoff könnte Thallium freisetzen
Nur in Anwesenheit von Sauerstoff kann das toxische Thallium sich aus dem Meeresboden lösen und ins Wasser gelangen. Die Becken der Ostsee sind aber nahe dem Grund sauerstofffrei. Selbst wenn riesige Mengen sauerstoffreiches Wasser aus der Nordsee in die Ostsee gespült werden, steigt der Thallium-Gehalt im Wasser nur kurzzeitig. Das war zuletzt 2014 der Fall. „Unsere Messdaten von damals zeigen: nach wenigen Monaten war der Thallium-Gehalt in den tiefen Ostseegewässern wieder normal“, so Olaf Dellwig. Auf das flache Badewasser entlang der Ostseestrände hätten aber auch solch seltenen Ereignisse keinen Einfluss.
Forscher wertet derzeit weitere Bohrkerne aus
Um diese sauerstofffreien Bereiche – die sogenannten Todeszonen - wiederzubeleben, planen einige Anrainerstaaten schon lange Sauerstoff mit riesigen Pumpen in die Becken der Ostsee zu bringen. Das ließe aber eben nicht nur Lebewesen atmen - auch Thallium würde sich lösen, sagt Dellwig: „Ich halte davon wenig und glaube auch nicht, dass so ein Unterfangen technisch im großen Stil möglich ist.“ Olaf Dellwig wertet derzeit weitere Bohrkerne aus anderen Teilen der Ostsee aus. Die erzählen ihm, wie es der Ostsee auch außerhalb des Gotlandbeckens geht.