Fang der Zukunft: Wie geht es weiter mit der Fischerei in MV?
Dorsch, Hering, Aal: In den vergangenen Jahren wurden immer striktere Fangquoten verkündet. Die Bestände haben vielfältige Probleme. Der Klimawandel spielt eine Rolle, aber auch Überdüngung der Ostsee und die Überfischung.
Der Deutsche Fischereitag in Hamburg ist ein Ort des Austausches. Angler, Fischer, Wissenschaftler und Politiker treffen aufeinander. Am Ende werden wohl auch Forderungen an die Politik aufgestellt aber zunächst einmal geht es darum, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu präsentieren.
Dorsch in der "Sommerzange"
Dr. Christopher Zimmermann forscht seit Jahren zu unterschiedlichen Fischarten. Er leitet das Rostocker Thünen-Institut für Ostseefischerei. Der Fischereibiologe und sein Team befassen sich zum Beispiel mit der Frage, warum sich der Dorsch in der westlichen Ostsee nicht erholt. Er darf derzeit weder von Fischern noch von Anglern gezielt gefangen werden. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich die Lebensbedingungen dieses Dorschbestandes verschlechtern. Während der mittleren Sommermonate verliert der Dorsch seinen Lebensraum im Flachwasser, weil die Temperatur zu warm wird. "Der Dorsch ist ein kaltgemäßigt angepasster Fisch und wenn die Wassertemperatur über 15 Grad steigt, dann flieht er ins tiefere Wasser. Gerade zu dieser Zeit wird aber der Sauerstoffgehalt der tiefen Gewässer viel weniger, sodass er sich auch da nicht aufhalten kann. Und am Ende wird der Dorsch der westlichen Ostsee in die Zange genommen zwischen zu warmen Oberflächenwasser und zu sauerstoffarmen tiefen Wasser", erklärt der Fischereibiologe. Die Tiere würden nicht nur ihren Lebensraum verlieren, sondern auch unter Stress leiden. Jungtiere sterben, bevor sie groß genug sind, um überhaupt gefangen werden zu dürfen.
Stellschraube Überdüngung
Dr. Christopher Zimmermann wird in Hamburg sämtliche Forschungsergebnisse zum Dorsch präsentieren. Fakt ist auch, dass die Ostsee überdüngt ist. Fachleute sprechen von Eutrophierung. Die Nährstoffe, die jetzt bereits in der westlichen Ostsee vorhanden sind, reichen laut Zimmermann aus, um die Verhältnisse für die nächsten 20 Jahre zu bewahren: "Wir müssen letztlich anfangen, dafür zu sorgen, dass weniger Nährstoffe in die Ostsee gelangen, damit sich deren ökologische Situation langsam positiv verändern kann." Auch wenn es ein langwieriger Prozess sei, gibt es laut Dr. Christopher Zimmermann keine Alternative, um für gesunde Fischbestände in der Ostsee zu sorgen. Der Wissenschaftler denkt dabei vor allem an Stickstoff- und Phosphorverbindungen.
Schlechte Prognose für Dorsch
Der Dorsch der westlichen Ostsee war auch ein sehr beliebter Fisch unter Anglern in Mecklenburg-Vorpommern. Auch sie dürfen ihn nicht mehr fangen. Dr. Christopher Zimmermann geht davon aus, dass der Dorschbestand noch lange unter Schutz stehen wird. "Aus meiner Sicht werden wir uns darauf einstellen müssen, dass der Dorsch eine Erholungszeit von vielleicht 30 Jahren braucht. Und das ist so lang, dass niemand seriös sagen kann, ob sich der Bestand überhaupt je erholt."
Boddenhecht leidet auch
Robert Arlinghaus ist Professor für Integratives Fischereimanagement an der Berliner Humboldt-Universität. Er befasst sich seit Jahren mit dem Boddenhecht. Der Hecht ist der wohl beliebteste Fisch unter Anglern und der Bodden rund um Rügen ein beliebtes Angelrevier. Aber die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Fische nicht mehr so groß werden. Zum einen wird der Hecht stark befischt aber auch Umweltfaktoren beeinflussen die Fischart negativ. So bilden sich zum Beispiel nicht mehr flächendeckend Unterwasserpflanzen im Bodden. Darin laichen aber die Hechte oder ihre Jungtiere halten sich dort auf, um sich etwa vor Fressfeinden zu verstecken. Auch diese Forschungserkenntnisse werden auf dem Deutschen Fischereitag präsentiert, gemeinsam mit dem Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern. Verbandsmitglieder haben das Projekt mit unterstützt, Angler haben unter anderem Hechte gefangen, diese wurden mit Sendern ausgestattet, um Daten sammeln zu können.
Küstenfischerei hat Zukunft
Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat die "Zukunftskommission Küstenfischerei für Nord- und Ostsee" einberufen. Darin sitzen Wissenschaftler, Politiker, Umweltverbände, Vertreter der Fischerei und Angelei, aber auch aus Kommunen und der Windkraftindustrie. Im April dieses Jahres gab es die ersten Sitzungen. Die Kommission soll bis April nächsten Jahres Handlungsempfehlungen liefern, wird aber seine ersten Ideen auf dem Deutschen Fischereitag präsentieren. Auch Dr. Christopher Zimmermann ist Mitglied der Kommission. Der Fischereibiologe glaubt an eine Zukunft der deutschen Kutter- und Küstenfischerei: "Wir haben einen gesellschaftlichen Konsens, dass wir die Küstenfischerei nicht einfach zumachen wollen wie zum Beispiel den Steinkohlebergbau. Die Küstenfischerei generiert mehr Wert als nur die Frischfischanlandung. Sie fördert den Tourismus, sie ist Kulturgut an der Küste. Es gibt aus unserer Sicht viele gute Gründe, warum man die Küstenfischerei erhalten sollte." Aber sie wird laut Zimmermann künftig anders aussehen. Seinen Worten nach werden Fischer nicht nur mit reinem Fischfang ihr Geld verdienen, sondern auch Seefahrten für Touristen verstärkt anbieten oder Daten für die Wissenschaft sammeln.
Sea-Ranger präsentieren sich in Hamburg
Erstmals überhaupt haben sich elf Fischer aus Mecklenburg-Vorpommern zu Fachwirten für Fischerei und Meeresumwelt ausbilden lassen, sie werden auch "Sea-Ranger" oder "Förster der Meere" genannt. Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern hatten die Idee für diese Ausbildung, die von der Landesregierung auch finanziell unterstützt wird. Im Juni dieses Jahres haben sie von Fischerei- und Umweltminister Till Backhaus (SPD) ihre Abschlussurkunden überreicht bekommen. Die Zusatzqualifikation soll Fischern neue Einnahmequellen ermöglichen. Schleswig-Holstein zeigt als nächstes Bundesland Interesse an dieser Ausbildung. Auf dem Deutschen Fischereitag in Hamburg werden Sea-Ranger aus Mecklenburg-Vorpommern ihre neuen Aufgaben vorstellen.