Erwin Sellering (SPD), Vorstandsvorsitzender der Stiftung Klima- und Umweltschutz, © dpa | Markus Scholz Foto: Markus Scholz
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AUDIO: Ex-Ministerpräsident Sellering fürchtet "Ende der SPD" (3 Min)

Ex-Ministerpräsident Sellering fürchtet "Ende der SPD"

Stand: 11.09.2024 16:51 Uhr

Mecklenburg-Vorpommerns Ex-Ministerpräsident Sellering (SPD) hat die SPD vor einem Sturz in die Bedeutungslosigkeit gewarnt. Der 74-Jährige fordert ein Umschwenken in der Sozial- und Migrationspolitik. Mit Blick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine schwenkt er auf BSW-Kurs ein.

von Stefan Ludmann

Es war einige Zeit recht still um ihn. Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hat sich seit seinem Rücktritt vom Chefposten der umstrittenen Klimaschutz-Stiftung im Mai eigentlich ins Private verabschiedet - er wird in einem Monat 75 Jahre alt. Jetzt aber meldet sich Sellering mit einem Gastbeitrag im Magazin "Cicero" zurück. Er hält seiner Partei, der SPD, eine Standpauke. "Die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen lassen befürchten, die SPD hat die Orientierung verloren."

Namen nennt Sellering nicht

Der Beitrag klingt manchmal wie ein Weckruf, oft aber auch wie ein Abgesang. Die SPD drohe zu einer Klientelpartei zu werden, in der nur die Interessen von einigen eine Rolle spielten, meinte Sellering. Namen nennt er nirgends, aber in der Partei ist es ein offenes Geheimnis, dass die Jusos mit ihren originär linken Themen eine dominante Rolle spielen. Sie dürften sich - neben der Parteispitze - vor allem angesprochen fühlen.

"SPD wird Aufgabe nicht gerecht"

Der Ex-Ministerpräsident meint, die SPD mit ihrem Anspruch, Volkspartei zu sein, müsse das Ganze im Blick haben. "Dieser Aufgabe wird sie im Moment nicht gerecht", befindet der ehemalige Regierungschef. Was Sellering stört: Die SPD trete mit einem Gefühl der Überlegenheit auf, dass man klüger und moralisch besser sei als der Rest der Gesellschaft. Diese Haltung passe nicht zu einer Volkspartei - die müsse das Gemeinschaftsgefühl stärken und unterschiedliche Meinungen aushalten.

Asyl nur für politisch Verfolgte

In der Sozialpolitik ist ihm seine Partei zu lax. Die SPD müsse weiter denen helfen, die sich nicht selbst helfen könnten. Dieser Grundsatz habe die Partei ausgezeichnet. Aber das Bürgergeld ist für Sellering längst zu einem bedingungslosen und leistungsfreien Grundeinkommen geworden - zu Lasten derer, die sich anstrengen. In der Migrationspolitik fordert er wie schon im Wahlkampf 2016 klare Kante. Asyl für politische Verfolgte müsse es weiter geben, gesteht er zu. Aber alle anderen will Sellering nicht haben. "Für Trittbretterfahrer und Glücksritter ist in unserem Land kein Platz". Es sei verständlich, dass sich viele in Deutschland bessere Lebensbedingungen versprechen. "Dennoch können wir das nicht einfach hinnehmen, ohne unsere Demokratie zu gefährden."

Austeilen gegen die Grünen

Auch beim Klimaschutz sieht der SPD-Politiker Handlungsbedarf, es müsse mehr passieren, aber mit Augenmaß und gut erklärt. Auch hier teilt er gegen die Grünen aus, denen er Borniertheit und Arroganz vorwirft: "Die Grünen sehen sich als Vertreter einer Minderheit, die sich dennoch als Vorkämpferin für die einzig wahre, schöne und gute Strategie beim Schutz des Klimas versteht. Notfalls müsse man der Mehrheit eben einfach nur gesetzlich diktieren, was gut für sie sei", bringt er seinen Abscheu gegen die Partei zum Ausdruck. Was Sellering übersieht: Die klimaschutzrelevanten Gesetze sind von der Ampel-Koalition verabschiedet worden - die SPD ist Teil davon.

Bei Ukraine-Krieg aus BSW-Kurs

Im Ukraine-Krieg geht Sellering offen auf Distanz zu seiner Partei und auch zu Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), die erklärt hatte, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen. Sellering schwenkt in der Friedensfrage eher auf BSW-Kurs ein. Er meint, zu Russlands Überfall auf die Ukraine wäre es vielleicht nicht gekommen, "wenn der Westen die Sicherheitsinteressen Russlands frühzeitig akzeptiert hätte". Welche das sind, sagt Sellering nicht. Experten machen in der Debatte allerdings immer wieder klar, dass Russland gerade osteuropäische Länder wie Polen aus der NATO drängen wollte. Sellering erklärt in seinem Cicero-Beitrag, die SPD sei Friedenspartei, sie müsse offen sein für Verhandlungslösungen. Und Sellering fragt provokant: "Ist die Kriegsbereitschaft im Westen eher zu hinterfragen als die Friedensüberlegung im Osten?"

"Nicht mehr lange Zeit"

Die SPD habe eine lange Friedensgeschichte, schreibt er seiner Partei ins Stammbuch. Wenn sie die verleugne, versinke sie "zu Recht in der Bedeutungslosigkeit". Er habe Hoffnung, dass sich das Ende der SPD noch abwenden lasse. Gut zehn Tage vor der Landtagswahl in Brandenburg meint Sellering: "Noch ist Zeit. Aber vielleicht nicht mehr lange." SPD-Generalsekretär Julian Barlen reagierte zurückhaltend auf den Beitrag: Sellering spreche "sachlich Themen an, die aktuell viele Menschen im Land bewegen".

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 11.09.2024 | 14:00 Uhr

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