Ein Jahr nach Abwasseranalyse auf Drogen: Mehr Prävention in MV
Eine vom NDR beauftragte Abwasseranalyse in den größten Städten des Landes hatte gezeigt, dass mehr illegale Drogen konsumiert werden als bislang bekannt war. Nun gibt es neue Präventionsangebote im Land.
Diese Meldung hatte im vergangenen Jahr viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern aufgeschreckt: Im Abwasser der vier größten Städte des Landes konzentrieren sich Drogenrückstände in zuvor ungeahnter Höhe. Sie lassen darauf schließen, dass Substanzen wie Amphetamin (Speed) und Kokain teils stärker konsumiert werden als in anderen europäischen Großstädten und weit über Durchschnittswerten in Deutschland.
Nach Veröffentlichung der vom NDR in Auftrag gegebenen Abwasseranalyse kündigten das Sozialministerium und die betroffenen Städte an, mehr Präventionsangebote auf den Weg zu bringen. Zu den Städten gehören Neubrandenburg, Greifswald, Rostock und Schwerin. Doch was hat sich nach einem Jahr tatsächlich getan?
280.000 Euro zusätzlich für Suchtprävention
Aus dem Gesundheits- und Sozialministerium heißt es, die Maßnahmen zur Suchtprävention seien nach der Abwasseranalyse des NDR deutlich erweitert worden. Erst im Juli wurden zusätzliche Mittel in Höhe von rund 280.000 Euro für die nächsten zwei Jahre bereitgestellt. Unter anderem soll davon eine Studie finanziert werden, die erstmals Zahlen auf Landesebene erhebt und Auskunft zu Ursachen, Verbreitung und Folgen des Drogenkonsums gibt. Zudem werde in Rostock eine Präventionsambulanz aufgebaut. Sie soll in Absprache mit den Beratungsstellen bei der Suchtprävention unterstützen.
Geplant sei außerdem, Lehrkräfte künftig besser zum Thema Suchtprävention zu schulen. Auch die Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Drogen an Schulen seien erneuert worden. Sie sollen in Kürze bei der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen MV (LAKOST) erhältlich sein, so das Ministerium.
MV ist erstes Bundesland mit legalem Drug-Checking
Auch die kürzlich von Mecklenburg-Vorpommern als erstes Bundesland eingeführte rechtliche Grundlage für das Drug-Checking ist Teil der neuen Präventionsmaßnahmen. Dabei können Konsumenten ihre Substanzen vor der Einnahme überprüfen lassen. Damit sollen Überdosierungen und das Konsumieren verunreinigter Drogen verhindert werden. Bei mehreren Festivals wurde ein mobiles Drug-Checking durch die Universitätsmedizin Rostock (UMR) angeboten. Ein stationäres Drug-Checking-Angebot entstehe gerade auf Basis einer Kooperation zwischen UMR und der Caritas. Auftakttermin war Ende August im Kontaktladen der Caritas in Rostock. Weitere Termine in Rostock und anderen Städten sollen folgen.
Schwerin setzt auf Straßensozialarbeit
In Schwerin begrüßt man die Möglichkeit des Drug-Checkings. Es fehlt bislang aber an Personal und technischer Ausstattung für regelmäßige Termine auch außerhalb Rostocks. Aus Sicht des Fachbereiches Jugendarbeit in Schwerin ist der mobile Drogen-Check eine Möglichkeit, die Gefahr von Überdosierungen zu minimieren und Leben junger Menschen besser zu schützen.
Die Landeshauptstadt testet seit Mai 2024 einen neuen Ansatz im Bereich der Straßensozialarbeit. Dort gehen die abendlichen Treffen der Jugend auf der sogenannten Schwimmenden Wiese mit dem Konsum von legalen und illegalen Drogen einher, so eine Stadtsprecherin - oft ohne Limit und selten unter der Aufsicht einer nüchternen Vertrauensperson. Ziel der Straßenarbeit sei es aufzuklären. Mithilfe von "Safe-Use Regeln" sollen Konsumenten den eigenen Drogengebrauch sorgsam reflektieren können.
Herausforderung in Greifswald: Erster Cannabis-Club des Landes
In Greifswald gebe es schon lange einen Präventionsrat und der setze verstärkt auf die Zusammenarbeit mit der Polizei, so eine Stadtsprecherin. Die besondere Herausforderung in der Universitäts- und Hansestadt: Das zuständige Amt, das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (LALLF), hat erst vor ein paar Tagen die Genehmigung für den ersten Cannabis-Club des Landes erteilt. Er soll in der Greifswalder Stadtrandsiedlung entstehen.
Während die Bürgerschaft die Unterbringung dieses und ähnlicher Clubs in städtischen Immobilien verbieten will, sieht man die Ansiedlung bei der Stadtverwaltung positiv: "Es gibt extrem hohe Sicherheitsanforderungen an die handelnden Personen und auch an die technischen Vorrichtungen", so Fabian Feld. Er ist Leiter der Abteilung Wirtschaft und Tourismus. "Das dort angebaute Cannabis darf nur an Clubmitglieder abgegeben werden. Sie werden verpflichtet, eigene Prävention zu betreiben und einen eigenen Beauftragten dafür im Verein zu benennen."
Neubrandenburg: Vorbehalte gegen Cannabis-Legalisierung
Ganz anders sieht man es in Neubrandenburg. Dort ist Peter Modemann (CDU), erster Stellvertreter des Oberbürgermeisters, für Prävention zuständig: "Als das Thema Cannabis-Legalisierung in die Endphase ging, waren wir nicht begeistert. Aber wir haben gesagt, dazu müssen wir verstärkt aufklären und haben die Schulsozialarbeiter entsprechend geschult." Auch in der Vier-Tore-Stadt gibt es Interessenten, die einen Cannabis-Club gründen wollen. "Da haben wir aber noch Vorbehalte", räumt Modemann ein. Er räumt ein: "Als die Zahlen der Abwasseranalyse im vergangenen Jahr veröffentlicht wurden, haben wir nicht schlecht aus der Wäsche geschaut." Viele seien überrascht gewesen, wie groß der Konsum von Amphetamin in der Stadt sei. Er will nun wissen, ob es eine Momentaufnahme war und befürwortet eine Wiederholung der Analyse.
Test zeigt in Rostock: "Kümmert euch mal um Kokain"
Genau das tut auch der Rostocker Sozialsenator Steffen Bockhahn (parteilos). Er hält die Abwasseruntersuchung für eine von mehreren relevanten Informationen: "Ich kann aus einem Abwassertest nicht sagen: Wer nimmt wann welche Drogen in welchem Umfang in welchem Stadtteil? Das kriege ich aus dem Test alles nicht raus. Aber ich kriege zumindest mal eine Idee davon, welche Drogen hier in einer so großen Anzahl konsumiert werden, dass sie im Abwasser nachweisbar sind."
Nur so ließe sich sagen, ob man überhaupt gegen die richtige Substanz vorgehe. So sei im vergangenen Jahr deutlich geworden, dass viele Maßnahmen über Alkoholmissbrauch aufklären. Dabei habe der Test aber gezeigt: "Kümmert euch mal um Kokain!" Schwierig sei, so Bockhahn, dass der Fokus von Prävention für gewöhnlich bei legalen Drogen liege. "Jetzt wissen wir, es gibt die illegale Droge Kokain, die ein relevantes Thema in Rostock ist."
NDR lässt Abwasser nun auch auf Cannabis testen
Die Legalisierung von Cannabis empfindet Bockhahn im Grundsatz als "eine gute Sache". Er betont aber auch, dass er sich die Durchführung deutlich sinnvoller hätte vorstellen können. Der Bund habe vieles nicht geregelt und dadurch gebe es ein "Verantwortungswirrwar". Und weiter: "Ich glaube aber nicht, dass wir dadurch einen starken Anstieg von Cannabiskonsum haben." Allerdings brauche es dafür Untersuchungen, um zu sehen, ob diese These stimmt.
Auch den NDR interessiert es, wie groß der Cannabiskonsum in Mecklenburg-Vorpommern nach der Teillegalisierung ist. Deshalb werden wir in den kommenden Wochen das Abwasser in mindestens vier Städten Mecklenburg-Vorpommerns erneut von der TU Dresden analysieren lassen. Das Wasser wird dabei nun zusätzlich auch auf Cannabis-Rückstände untersucht. Mindestens die Drogenberatungsstellen des Landes und besorgte Eltern dürften das Ergebnis mit Spannung erwarten - ebenso wie Senator Bockhahn. Der fasst schließlich zusammen: "Rein fachlich würde ich sagen: Am besten keinerlei Drogen oder Suchtmittel nehmen."