Rostock im Rausch: Erstmals belastbare Zahlen über Drogenkonsum in MV
Der Konsum illegaler synthetischer Drogen wie Kokain, Ecstasy und Speed ist in Mecklenburg-Vorpommern offenbar höher als bisher bekannt. Das zeigt eine vom NDR im Juni in Auftrag gegebene Abwasseranalyse der Technischen Universität Dresden.
Die Wissenschaftler konnten demnach im Abwasser von Neubrandenburg überdurchschnittlich viel Amphetamin (Speed) nachweisen. Ähnlich hohe Werte wurden in der Vergangenheit etwa in niederländischen oder belgischen Drogen-Hotspots festgestellt. Damit wäre Neubrandenburg eine der europaweit am stärksten betroffenen Städte. Laut der Studie waren die Amphetaminrückstände auch in Schwerin, Rostock und Greifswald im deutschlandweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, "dass Amphetamin die vordringliche illegale Droge in Mecklenburg-Vorpommern darstellt."
In Neubrandenburg, Rostock und Schwerin findet sich jeweils mehr Speed im Abwasser als in Amsterdam:
Kokain-Konsum in Rostock erheblich gestiegen
Anders als bei den anderen Städten gibt es in Rostock schon Vergleichswerte aus den Jahren 2017 und 2020. Besonders der Kokain-Konsum ist demnach stark gestiegen (plus 120 Prozent). Laut den Forschern ist der Konsum der Droge gerade am Wochenende besonders hoch. Björn Helm, Leiter Arbeitsgruppe Siedlungshydrologie an der TU Dresden: "Beim Kokain war ja Rostock der Spitzenreiter unter den Mecklenburg-Vorpommerschen Städten und auch deutschlandweit ist es da in der Spitzengruppe. Und nur der Konsum in Hamburg, Berlin und Dortmund ist höher." Auch Speed (plus 25 Prozent) und Ecstasy (plus 20 Prozent) wurde demnach in der Hansestadt immer häufiger konsumiert.
Im Vergleich zu den anderen getesteten Städten in MV ist die Menge an Kokain in Rostock sehr hoch:
Ecstasy-Werte ebenfalls hoch
Die Wissenschaftler fanden zudem hohe Rückstände von MDMA (z.B. Ecstasy) im Abwasser in Schwerin und Rostock sowie in Neubrandenburg. Dort ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit im Fall einer 13-Jährigen, die im Juni an den Folgen des Konsums einer Ecstasy-Tablette der Sorte "Blue Punisher" starb. Zwei weitere minderjährige Mädchen aus der Region mussten damals nach dem Konsum von "Blue Punisher" tagelang im Krankenhaus behandelt werden. Eine der beiden schwebte vorübergehend in Lebensgefahr.
Drogen-Konsum in Greifswald im MV-Vergleich eher niedrig
In der Stadt Greifswald sind die getesteten Drogen auf eher geringem Niveau gegenüber den anderen Städten in Mecklenburg-Vorpommern. Überdurchschnittlich hoch waren allerdings die Rückstände von Speed im Greifswalder Abwasser - wie auch in den anderen drei Städten.
Geringe Verbreitung von Crystal Meth und Heroin in MV
Die Werte für Crystal Meth waren durchgängig gering, in Schwerin aber noch am höchsten. Für Greifswald bleiben sie an allen Tagen der Studie unter der Nachweisgrenze. Die Droge hat demnach im Bundesland nur eine geringe Verbreitung. Das Abwasser wurde auch auf Heroin getestet, auch hier sei die Menge äußerst gering gewesen, so die Wissenschaftler.
Zunahme illegaler chemischer Drogen europaweit
Die TU Dresden führt seit 2016 die deutschlandweiten Untersuchungen zu Drogenrückständen im Abwasser im Auftrag der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) durch. Die EMCDDA lässt regelmäßig in ganz Europa das Abwasser analysieren, um an aussagefähige Daten zu kommen. Diese Studien sind die größten ihrer Art. Über 100 europäische Städte beteiligen sich daran. Die Wissenschaftler konnten bislang nachweisen, dass immer mehr Menschen in Europa harte Drogen wie Kokain, MDMA, Speed und Crystal Meth konsumieren. Ihre Studien sollen politischen Entscheidungsträgern auch Ansätze zur Drogenprävention geben.
Zahlen für MV fehlten
Für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern fehlten in der Vergangenheit jedoch aussagefähige Daten über den Konsum harter Drogen. Aus diesem Grund hat die TU Dresden im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks zwischen dem 8. und 29. Juni in den vier größten Städten Mecklenburg-Vorpommerns, Rostock, Schwerin, Neubrandenburg und Greifswald, das Abwasser in den Klärwerken der Städte auf Drogenrückstände untersucht.
Getestet wurde neben den chemischen Drogen auch auf Nikotin und Alkohol. Demnach waren die Alkohol-Werte in Rostock und die Nikotin-Werte in Neubrandenburg besonders hoch. Die Proben wurden an verschiedenen Tagen in den Klärwerken der Städte entnommen und im Labor der Technischen Universität Dresden analysiert. Eine mehrtägige Messung sei wichtig, sagen die Forscher, da Speed und Crystal eher kontinuierlich eingenommen würden, Ecstasy und Kokain seien eher "Wochenend-Drogen". Cannabis, ebenfalls eine weit verbreitete Droge, konnte in dieser Analyse nicht getestet werden. Dafür ist nach Angaben der Forscher ein anderes Messverfahren nötig.
Grafiken: Frauke Reyer, NDR Data