Nord Stream 2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft (Archivbild) © Danish Defence Command/dpa

Ein Jahr Nord-Stream-Anschläge: Eine Chronologie

Stand: 25.09.2023 15:11 Uhr

Am 26. September jähren sich die Anschläge auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2. Die Pipelines waren international höchst umstritten. Und bis heute ist unklar, wer für die Anschläge verantwortlich ist.

Im Lauf des 26. Septembers 2022 beschädigten mehrere Explosionen auf dem Grund der Ostsee in der Nähe von Bornholm die Pipelines Nord Stream 1 und 2. Anschließend wurde bei den zuständigen Stellen innerhalb kürzester Zeit ein Druckabfall in beiden Strängen registriert. Schwedische und dänische Seismologen hatten zuvor seismische Ereignisse gemeldet. Ein natürliches Erdbeben schlossen die Experten aus und vermuteten Explosionen als Grund für die Beben.

Kette von Explosionen

In der Nacht zum 26. September 2022 gab es um 2.03 Uhr eine erste Explosion. Diese verursachte ein Leck in Strang A von Nord Stream 2. Das Ganze ereignete sich 12 Seemeilen südostlich von Bornholm. Im weiteren Tagesverlauf entstanden dann drei weitere Lecks zwischen Bornholm und Öland, wobei sich zwei Lecks in den beiden Strängen von Nord Stream 1 befanden. Das dritte Leck betraf wieder Strang A von Nord Stream 2 und wurde erst drei Tage später entdeckt. Strang B blieb als einziger von den Explosionen verschont.

Akt der Sabotage

Eine Karte mit den Nord-Stream-Gaslecks sowie den Gebieten, in denen Kampfstoffe versenkt wurden und Sedimentwolken aufgestiegen sind. © NDR Foto: NDR
Eine Karte mit den Nord-Stream-Gaslecks sowie den Gebieten, in denen Kampfstoffe versenkt wurden und Sedimentwolken aufgestiegen sind.

Die vier Pipeline-Stränge waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber jede Menge Gas, welches über Tage in blubbernden Blasen an die Oberfläche der Ostsee aufstieg. Nach Angaben Schwedens steckte Sabotage hinter dem Vorfall. Demnach wiesen schwedische Tauchspezialisten Sprengstoffreste an den Rohren nach. Und auch die Beschädigungen an den Rohren selbst wiesen auf einen Anschlag hin. Für die Schifffahrt waren die Lecks gefährlich, weil das austretende Gas die Dichte des Wassers veränderte und damit den Auftrieb der Schiffe verringerte. Ebenso wurde in den darauffolgenden Tagen der Flugverkehr über dem betroffenen Gebiet unterhalb von 1.000 Metern eingestellt, weil sich eine große Methanwolke ausbreitete.

Verheerende Auswirkungen auf die Umwelt

Durch die Explosionen und dem anschließend ausströmenden Gas in 70 Metern Tiefe wurden Experten zufolge 250.000 Tonnen verseuchtes Sediment aufgewirbelt. Durch den Druck wurden vermutlich alle Schweinswale in einem Umkreis von vier Kilometern sofort getötet oder erlitten Hörschäden. Auch die dort laichende Dorschpopulation wurde durch die im Wasser schwebende Giftwolke stark in Mitleidenschaft gezogen. Zudem könnte das ausströmende Gas nicht unerhebliche Auswirkungen auf den Klimawandel gehabt haben, mutmaßen Experten.

Wer steckte hinter den Anschlägen?

Wer hinter den Anschlägen steckt, ist auch ein Jahr nach den Anschlägen noch immer nicht geklärt. Anfangs wurde wild spekuliert, belastbare Beweise gab es allerdings nicht. Gab es russische, ukrainische oder gar US-amerikanische Drahtzieher? In den darauffolgenden Wochen und Monaten gab es verschiedene Thesen über die Sprengung der Pipelines.

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Bornholm: Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord Stream 2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft. © Danish Defence Command/dpa Foto: Danish Defence Command/dpa

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Zunächst hatte der US-Investigativ-Reporter Seymour Hersh geschrieben, die USA bzw. US-Präsident Joe Biden persönlich sei verantwortlich. Demnach hätten US-Spezialtaucher Sprengsätze mit Zeitzündern an den Pipelines angebracht - und zwar bereits im Juni und auch noch unter dem Schutz eines Seemanövers der NATO. Anschließend sollen die Bomben von einem norwegischen Überwachungsflugzeug aus gezündet worden sein.

Spuren in die Ukraine?

Die Jacht "Andromeda" auf Rügen © Matthias Marius Krüger Foto: Matthias Marius Krüger
Von Bord der "Andromeda" aus sollen pro-ukrainische Kräfte die Sprengsätze an den Pipeline platziert haben.

Kurze Zeit später sorgte eine zweite Version der Geschehnisse für Wirbel. Zentraler Akteur dieser Theorie: Die 15 Meter lange Segeljacht "Andromeda". Unterschiedlichen Medienberichte zufolge hatte es Hinweise darauf gegeben, dass eine pro-ukrainische Gruppierung von dem in Mecklenburg-Vorpommern gemieteten Boot aus Sprengsätze an den Pipelines befestigt und diese zur Explosion gebracht haben könnte. Laut einem Rechercheverbund sollen fünf Männer und eine Frau knapp drei Wochen vor den Anschlägen mit der "Andromeda" in die Ostsee aufgebrochen sein. Außerdem hätten Ermittler Sprengstoffspuren an Bord der Jacht gefunden. Allerdings wurden auch starke Zweifel an dieser Version der Ereignisse laut.  

Steckt Russland hinter den Anschlägen?

Die zentrale Frage ist weiterhin: Wer waren die Menschen an Bord der "Andromeda". Ein Name, der immer wieder in verschiedenen Medienberichten genannt wird, ist Diana. Ihr soll die Briefkastenfirma gehört haben, die in der polnischen Hauptstadt Warschau die Jacht damals angemietet haben soll. Diana lebt laut den Berichten auf der seit 2014 von Russland besetzten Halbinsel Krim. Somit - so wird spekuliert - wird aus der ukrainischen eine russische Spur. Denn: Diana soll im sozialen Netzwerk "VKontakte" kürzlich Fotos gepostet haben, die sie in Russland zeigen.

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Dass die Spur nach Russland führen könnte, zeigte auch ein Bericht des Nachrichtenportals "t-online". Demnach operierten wenige Tage vor den Anschlägen russische Militärschiffe im Seegebiet der späteren Tatorte. Der Schiffsverband verfügte offenbar über die notwendige Ausrüstung, um Sprengsätze an den Leitungen in rund 80 Metern Tiefe anzubringen. Zuvor hatten mindestens drei verdächtige Schiffe Russlands Flottenstützpunkt in Kaliningrad verlassen. Das Unterstützungsschiff "SS-750" hat demnach üblicherweise ein Mini-U-Boot mit Greifarmen an Bord, die Schlepper "SB-123" und "Alexander Frolow" sind mit Lastkränen ausgestattet.

Stand der Ermittlungen

Nach wie vor ermitteln deutsche, schwedische und dänische Behörden. Über die Ergebnisse ist bis heute so gut wie nichts bekannt. Die zuständigen Stellen geben sich auf Nachfragen zugeknöpft und verweisen auf die laufenden Ermittlungen. Auch ein Jahr nach den Anschlägen ist damit weiter unklar, wer für den Sabotageakt verantwortlich ist. Und ob er jemals aufgeklärt werden wird, ebenso.  

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nordmagazin | 25.09.2023 | 19:30 Uhr

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