Die Kriegsgräberstätte Golm: Vom Massengrab zur Jugendbegegnungsstätte
Der 12. März 1945 verwandelte den Ausflugsberg der Swinemünder in ein Massengrab. Heute ist der Golm die größte Gedenkstätte in MV und eine Jugendbegegnungsstätte leistet pädagogische Friedensarbeit.
"Ihr Leben lang hat meine Mutter erzählt, wie froh sie ist, dass sie mit uns drei Kindern heil aus Swinemünde rausgekommen ist", erzählt Erwin Rosenthal und ergänzt: "Und ich habe zu ihr gesagt, du hast uns noch mal das Leben geschenkt." Der 86-Jährige steht inmitten einer Schülergruppe und berichtet in nüchternem Ton über die dramatischen Erlebnisse, die er als Fünfjähriger in seiner Heimatstadt Swinemünde hatte. Die Zehntklässler führt eine Tagesexkursion hierher auf den Golm, dem höchsten Berg der Insel Usedom und der größten Kriegsgräberstätte des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Mit neuen Medien die alte Zeit erkunden
Mit modernen Tablets haben die Jugendlichen den Friedhof in einer "digitalen Schnitzeljagd" erkundet - nicht alle mit gleichem Interesse. Dem Zeitzeugen aber hören sie alle gebannt zu: "Das zu hören, ist ganz schön schlimm", sagt eine Schülerin. Auch die Biografien auf den Tafeln im Info-Zentrum berühren die Jugendlichen. Es sind die persönlichen Schicksale, die ihnen deutlich machen, welche Wunden Stadt und Menschen durch die Bombardierung am 12. März 1945 erfahren haben. Dies ist auch der pädagogische Ansatz der dem Golm angegliederten Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte: Die Folgen des Zweiten Weltkrieges zu verdeutlichen, von Kriegen an sich.
Flüchtlinge im Nadelöhr
4.500 Menschen liegen hier begraben. 671 Flugzeuge hatten auf das Ostseebad eine Bombenlast geworfen, wie sie sonst für Großstädte eingesetzt wurde. Warum die Sprengstoffmenge so überdimensioniert war, darüber ließe sich nur spekulieren, sagt der Historiker Nils Köhler, der die Bildungsarbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge leitet. "Gemeint waren die Marinehäfen: Swinemünde war zu Kriegsende ein strategisch wichtiger Ort." Getroffen wurden in der überfüllten Stadt meist Zivilisten. Flüchtlinge, die vor der näher rückenden Front flohen. Zu Tausenden kamen ihre Trecks täglich in Swinemünde an. Doch auch Soldaten, die in Richtung Osten verschifft werden sollten, füllten die Stadt, Soldaten in Lazaretten, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene. Statt 30.000 Einwohner hielten sich 70.000 Menschen in diesem Nadelöhr zwischen Haff und Ostsee auf.
Vom Ausflugsziel zum Massengrab
"Das machte die Folgen dieses Angriffs so verheerend", sagt Nils Köhler. Man beschloss, die Toten auf dem nahe gelegenen Golm zu begraben. Und so begann für den landschaftlich bezaubernd gelegenen Berg die Verwandlung zu einem Massengrab. Für Generationen vorher war er beliebtes Ausflugsziel: Mit Aussichtsturm, Gartenlokal und eigener Bahnstation. Doch dieses Massengrab ist nicht die letzte Station in der Geschichte des Berges. Denn Begegnungen finden auch heute wieder dort statt. Jährlich sind es 2.000 junge Menschen, die vom deutsch-polnischen Team der Jugendbegegnungsstätte (JBS) mit pädagogischem Programm über den Friedhof geführt werden. Gruppen aus ganz Deutschland, aus Polen und Belgien kommen, lernen, nähern sich an. "Wir stehen hier für die Versöhnung ein", sagt JBS-Leiterin Katharina Feilke. Ganz gemäß dem Motto des Volksbundes: Versöhnung über Gräbern.
Mehr über die Geschichte vom Golm und die Bombardierung auf Swinemünde zu Kriegsende gibt es im aktuellen Podcast "MV im Fokus". Zu hören in der ARD Audiothek, in der NDR-MV-App und überall, wo es Podcasts gibt.
