Bürgerschaft Rostock: Vetternwirtschaft und Postengeschacher?
Die Fraktionen von AfD und BSW in der Rostocker Bürgerschaft sorgen mit interner Personalpolitik für Kritik. Der AfD-Fraktionsvorsitzende stellt seine Ehefrau in der Fraktionsgeschäftsführung an. BSW-Mitglieder - darunter Fraktionschef Herzer - sichern sich gut bezahlte Fraktionsposten.
Es geht um Geld und um die Frage, wie viel sich mit Kommunalpolitik verdienen lässt. In den Kreistagen und in Rostock und Schwerin ist das Mandat eigentlich ein Ehrenamt. Mandatsträger bekommen eine Aufwandsentschädigung. In vielen Fällen sichert der Sitz aber auch den Zugang zu öffentlich finanzierten Jobs in den Fraktionsgeschäftsführungen. Die sollen den Kommunalpolitikern eigentlich bei ihrer Arbeit helfen, indem sie zum Beispiel politische Konzepte und Ideen entwickeln. In der Bürgerschaft Rostock geht es bei der Besetzung um Vetternwirtschaft und besondere "Nehmerqualitäten".
Ehefrau bekommt Posten in der Fraktionsgeschäftsführung
Der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Tilmann Lamberg, hat jetzt dafür gesorgt, dass seine Ehefrau einen Posten in der Fraktionsgeschäftsführung bekommt. Gleichzeitig sind dort mit Sven Sydow, Nils Rosengart und Falco Zorn gleich drei Bürgerschaftsmitglieder der AfD in der Fraktionsgeschäftsführung beschäftigt, das heißt, sie werden aus der Stadtkasse bezahlt. Es geht um zwei Vollzeitstellen mit einem geschätzten monatlichen Volumen von 11.000 Euro, die untereinander aufgeteilt werden. Kommunalrechtlich ist diese Doppelfunktion zulässig.
Im Fall von Lamberg stellt sich die Frage, ob die Beschäftigung der eigenen Ehefrau zulässig ist. Die Lambergs sind arbeitsrechtlich gegenseitig Vertragspartner. Landtagsabgeordneten ist es beispielsweise untersagt, Ehepartner im Wahlkreisbüro zu beschäftigen, das auch aus Steuermitteln finanziert wird. Lamberg sagte auf Anfrage, die Fraktion habe die Stellen ausgeschrieben, aber in den Bewerbungsverfahren keine geeigneten Kandidaten gefunden. Die Besetzung eines Posten mit seiner Ehefrau ist für Lamberg "kein Problem".
Postengeschacher in der BSW-Fraktion
Die BSW-Fraktion in der Bürgerschaft verzichtet zwar auf die Beschäftigung von Verwandten. Allerdings hat Fraktionschef Toralf Herzer auch einen Arbeitsvertrag "mit sich". Der Chef des Rostocker Bürgerschafts-BSW - monatliche Grund-Aufwandsentschädigung 640 Euro - hat zugleich einen Job in der Fraktionsgeschäftsführung. Er arbeitet sich also selbst zu. Sein Fraktionskollege Lajos Orban ist zugleich Fraktionsgeschäftsführer in der Tarifgruppe E 13. Das macht geschätzt etwa 5.000 Euro im Monat aus. Orban sitzt zugleich im Präsidium der Bürgerschaft. Bei beiden BSW-Mitgliedern stellt sich die Frage nach einem besonderen "Abrechnungsmodell".
Denn: Fraktionsmitglieder haben auch bei Fraktionssitzungen Anspruch auf 60 Euro Sitzungsgeld. Diese Aufwandsentschädigung bekommen aber nicht Fraktionsmitglieder, die gleichzeitig in der Fraktionsgeschäftsführung arbeiten. Die Teilnahme an den Treffen der Fraktion gilt als Arbeitszeit im Hauptamt. Das legt eine entsprechende Landesverordnung fest. Bei Herzer und Orban soll es nach NDR Informationen aber entsprechende Zahlungen gegeben haben. Aus Anwesenheitslisten geht hervor, dass sie Ansprüche angemeldet haben. Die Stadtverwaltung wollte sich dazu nicht äußern und verwies auf die Fraktion. Herzer und Orban haben Nachfragen dazu seit Tagen unbeantwortet gelassen.
Kritik von der SPD
In anderen Fraktionen wird das Vorgehen kritisch bewertet. Die Beschäftigung der Ehefrau habe mindestens "ein Geschmäckle", sagte Toralf Sens, Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Die Partei predige Wasser und trinke Wein. Das gelte auch für die BSW-Fraktion. Wenn der Fraktionsvorsitzende sich in der eigenen Fraktionsgeschäftsführung beschäftige, dann, so Sens, "muss die Personaldecke beim BSW sehr dünn" sein.
Kommunalpolitiker und ihre bezahlten Posten
Allerdings ist es auch in anderen Kreistagen üblich, dass Kommunalpolitiker im Ehrenamt den Zugang zu den bezahlten Fraktionsgeschäftsführer-Posten nutzen - allerdings sind darunter keine Fraktionsvorsitzenden. Der AfD-Kommunalpolitiker und Bundestagskandidat Dario Seifert zum Beispiel ist Fraktionsgeschäftsführer in Vorpommern-Rügen, seine Parteifreundin Steffi Burmeister ist im Kreistag im Landkreis Rostock angestellt und der AfD-Abgeordnete Henry Kammel verdient Geld in gleicher Funktion in Vorpommern-Greifswald. Das gilt auch für das AfD-Kreistagsmitglied Angelo Tewes im Kreistag Nordwest-Mecklenburg - auch er ist Fraktionsgeschäftsführer. Was bei der AfD-Methode hat, kommt auch bei der Linken, der CDU und der SPD vor - allerdings in deutlich kleinerem Umfang. Dort verdienen die meisten Kommunalpolitiker ihr Geld, ohne auf Fraktionsposten angewiesen zu sein.