Beziehungsstatus: kompliziert - Deutschland und Polen vor der Wahl
Starke Differenzen bei der Energiepolitik, beim Ausbau des Hafens in Swinemünde, Reparationsforderungen in Billionen-Höhe, miserable Zusammenarbeit bei Umweltthemen zum Beispiel beim Fischsterben in der Oder, heftige anti-deutsche Töne im anstehenden Wahlkampf: Politisch läuft es zwischen Polen und Deutschland aktuell nicht gut.
Auch wenn er mittlerweile pensioniert ist, bleibt er an seinen wichtigsten Themen dran. Der Stettiner Journalist Bogdan Twardochleb beobachtet seit Jahrzehnten das deutsch-polnische Verhältnis. So schlecht wie heute, sagt er, war es selten. Es werde zu viel über- und zu wenig miteinander geredet. Vor allem auf der nationalen Ebene. "Unsere Beziehungen sind sehr kompliziert", fasst er die verfahren wirkende Situation zusammen.
Vorwürfe statt Zusammenarbeit
Das zeigte sich beispielhaft im August 2022. Hunderttausende Fische sterben im Grenzfluss Oder, doch die beiden Nachbarländer kommunizieren zunächst nicht. Erst nach vielen Tagen mit vielen dramatischen Bildern treffen sich die polnische und die deutsche Umweltministerin in Stettin. Zuvor hatte es heftige Vorwürfe gegeben. Die polnische Seite warf der deutschen "Fake News" und "Untätigkeit" vor. Die Deutschen monierten polnische "Geheimniskrämerei". Ein gemeinsamer Abschlussbericht zu den Ursachen der Umweltkatastrophe kam bis heute nicht zustande.
Misstrauen durch fehlenden Austausch
"Da ist in der Anfangszeit natürlich eine sehr große Aufgeregtheit entstanden, weil wir keine Übung im Austausch von Informationen und im gemeinsamen Treffen von Entscheidungen hatten. Und dadurch ist dann vielleicht auch Misstrauen entstanden.", sagt Heiko Miraß. Er ist parlamentarischer Staatssekretär für Vorpommern und das östliche Mecklenburg. In seinen Aufgabenbereich fallen auch die die deutsch-polnischen Beziehungen in der Metropolregion Stettin. Beide Seiten hätten aber aus der Situation gelernt. Der Austausch würde zukünftig sicher besser funktionieren.
Problem bei der Zuständigkeit
Eine Ursache für gelegentlich missratene Kommunikation zwischen Deutschen und Polen ist unter anderem der unterschiedliche Staatsaufbau. Während im föderalen Deutschland oft die Länder zuständig sind, ist es im zentralstaatlichen Polen bei grenzüberschreitenden Themen meist die Regierung in Warschau. "Probleme, die aus der Grenzsituation entstehen, werden lokal verstanden. Aber zentral - sei es in Warschau oder in Berlin - nicht immer begriffen.", sagt Pierre-Frédéric Weber. Der Franzose lehrt als Professor für Geschichte an der Universität Stettin.
Anti-deutsche Töne im Wahlkampf
Neben strukturell bedingten Problemen in der deutsch-polnischen Zusammenarbeit gibt es auch politisch motivierte. Im Herbst dieses Jahres stehen in Polen Nationalwahlen an. Aktuelle Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der liberal-konservativen Bürgerplattform PO und der "Vereinten Rechte" unter Führung der regierenden rechts-konservativen Partei PiS. Beide Lager kommen auf etwa 30 Prozent. Zur Mobilisierung der eigenen Wählerschaft setzt die PiS daher verstärkt auf anti-deutsche Töne.
Billionen-Forderung an Deutschland
Auf Betreiben der PiS wurde im September vergangenen Jahres eine 1.500 Seiten starke Studie vorgestellt. Sie untersucht die Schäden, die Deutschland während des Zweiten Weltkrieg in Polen angerichtet hat. Das politische Ziel des Werks: Die Bundesrepublik soll 1,3 Billionen Euro Reparationen zahlen. Der Stettiner Geschichtsprofessor Pierre-Frédéric Weber sieht darin aber auch ein mögliches Wahlkampfmanöver: "Die Art und Weise, wie das Anliegen von der polnischen Regierung dargestellt wird lässt darauf schließen, dass man einfach nur Lärm damit machen möchte. Vorerst einmal."
Stopp der Zusammenarbeit gefordert
Bewusst gesetzte anti-deutsche Töne gibt es auch in der deutsch-polnischen Metropolregion Stettin, die sich über die östliche Landesteile Mecklenburg-Vorpommerns und die Woiwodschaft Westpommern erstreckt. Eigentlich gilt die Kooperation als Erfolg. Doch Ende September 2022 forderte Rafał Niburski, Fraktionschef der PiS im Regionalparlament Westpommern einen sofortigen Stopp der Zusammenarbeit mit Mecklenburg-Vorpommern: "Bis die Putin-freundlichen Behörden dort ausgetauscht sind." Hintergrund der Forderung ist das frühere Engagement von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig für die deutsch-russische Pipeline Nord Stream.
Blockade aus Eigennutz?
Gesprächsbedarf gibt es beispielsweise zum geplanten Neubau eines Containerterminals im polnischen Swinemünde - in Sichtweite der Ostseebäder Bansin, Heringsdorf, Ahlbeck. Für Polen ist der Hafen eine wirtschaftlich wichtige Sache. Auf Usedom sieht man den Plan kritisch. Es werden Umweltprobleme befürchtet. Das sei ein Scheinargument behauptet Westpommerns Woiwode Zbigniew Bogucki (PiS): "Es geht um harte, wirtschaftliche Interessen, nicht um Umweltschutz, es geht darum, polnische Investitionen an der Oder zu blockieren, weil sie unbequem sind."
Einsicht in Genehmigungsunterlagen
Ein Vorwurf, den Heiko Miraß so nicht stehen lassen will: "Wir haben ja Gottseidank mit der polnischen Seite relativ klare Spielregeln festgelegt. Wir haben bilaterale Abkommen, in denen auch Beteiligungen an Umweltverträglichkeitsprüfungen miteinander verabredet worden sind." Tatsächlich haben die westpommerschen Behörden in diesen Tagen die Genehmigungsunterlagen zur Einsicht für deutsche Kommunen, Behörden und Verbände übermittelt.
"Beziehungsstatus: kompliziert - Deutschland und Polen vor der Wahl" darum geht es auch ausführlich in der aktuellen Folge des Podcasts "Dorf Stadt Kreis".