Bartsch-Rückzug: MV verliert bundespolitisch an Bedeutung
Der angekündigte Rückzug von Dietmar Bartsch als Chef der Linksfraktion verstärkt den bundespolitischen Bedeutungsverlust Mecklenburg-Vorpommerns. Das Land stellt kaum noch Spitzenpolitiker auf Bundesebene.
Eine Analyse der Redaktion Politik und Recherche MV
Vor zehn Jahren, da führte politisch am eher kleinen Mecklenburg-Vorpommern kaum etwas vorbei. Die beiden höchsten Ämter im Staat waren mit Politikern aus dem Nordosten besetzt. Der Rostocker Joachim Gauck trug als Bundespräsident den Begriff "Freiheit" in die Welt. Angela Merkel, zwar in Hamburg geboren und in Templin aufgewachsen, aber mit politischer Heimat in Mecklenburg-Vorpommern, regierte die Bundesrepublik 2013 bereits in ihrer zweiten Amtszeit.
MV verliert wichtige Botschafter
Gauck schied 2017 aus, Merkel ging 2021. Mecklenburg-Vorpommern, das Land mit den geringsten Löhnen und einer vergleichsweise hohen Arbeitslosigkeit, verlor wichtige Botschafter. Das Land geriet aus dem Fokus, beim G-8-Gipfel in Heiligendamm hatte es 2007 in Merkels erster Amtszeit noch im Schlaglicht der Weltöffentlichkeit gestanden. Lange hatte sich vor allem die CDU für ihren direkten Draht ins Kanzleramt gerühmt, der war gerissen. Ausgefallen war auch einer, der hinter den Kulissen viele und wichtige Strippen für das Bundesland zog. Der CDU-Finanzexperte Eckhardt Rehberg, Chef im Haushaltsausschuss des Bundestags, holte für Mecklenburg-Vorpommern die eine oder andere Kohle aus dem Feuer. Auch Rehberg zog sich 2021 aufs Altenteil zurück.
Bartsch und Rehberg: Schlagkraft fehlt MV
Dietmar Bartsch, das bisher übriggebliebene Gesicht der Linken, lobte "Ecki" für seine pragmatische Herangehensweise. Wenn es darum ging, fürs Land etwas herauszuholen, machten der Stralsunder Bartsch und der Ribnitz-Damgartener Rehberg im Haushaltsausschuss gemeinsame Sache. Diese Schlagkraft fehlt dem Land. Mit Bartsch leitet der letzte Spitzenpolitiker aus Mecklenburg-Vorpommern jetzt seine Pensionierung ein - vor knapp zwei Jahren hatte er in Schwerin noch mit seinen Genossen und der SPD den rot-roten Koalitionsvertrag ausgehandelt.
Keine Spitzenpolitiker aus MV
An den Spitzen der Parteien und in den Fraktionen haben Politiker aus dem Nordosten vorerst nichts mehr zu sagen: Da macht auch der Schweriner Leif-Erik Holm keine Ausnahme, er ist in seiner AfD-Bundestagsfraktion nur einer von vielen Vize-Vorsitzenden. Und der Ausflug des Landrats von Ludwigslust-Parchim, Stefan Sternberg (SPD), aufs Bundesparkett währte nur kurz. Mit dem Ende der Pandemie lief auch seine Mitgliedschaft im oft gefragten Corona-Beirat der Bundesregierung aus.
Schwesig: Bundespolitisch in der Defensive
Diese Leerstellen kann auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nicht ausfüllen, im Gegenteil: Auch sie spielt auf bundespolitischer Bühne keine große Rolle mehr. Ihren Vize-Parteivorsitz in der SPD hat sie nicht wieder angestrebt, ihr lange russlandfreundlicher Kurs hat sie bundespolitisch in die Defensive gebracht. Sichtbares Zeichen: Die Zahl der Talkshow-Auftritte ist eingebrochen. So stehen jetzt nur zwei Politiker deutschlandweit für Mecklenburg-Vorpommern: Der Innenexperte der Union, Philipp Amthor aus Greifswald und die Integrationsbeauftragte des Bundes, die Staatsministerin im Bundeskanzleramt Reem Alabali-Radowan (SPD). Amthor ist 30 Jahre alt, Alabali-Radowan ist 33 - die Zukunft haben beide damit noch vor sich.