Anti-Gewalt-Wochen: Schutzangebote vor allem im ländlichen Raum knapp
Immer mehr Frauen suchen Jahr für Jahr Hilfe in Einrichtungen gegen häusliche oder sexualisierte Gewalt. Allein in Rostock meldeten sich 1374 Frauen und Mädchen. Für sie werden im Rahmen der Anti-Gewalt-Wochen auf dem Doberaner Platz Kerzen angezündet.
In Rostock ist das Hilfenetz bekannt. Vor allem über den Verein Stark Machen können Betroffene zahlreiche Beratungs- und Interventionsstellen finden. Und auf dem Land? Dort sieht es schon deutlich schwieriger aus. Nicht nur fehlen hier oft die passenden Beratungsstellen, auch die Anbindung in die Stadt wird häufig zur ersten Hürde. Das bestätigt Petra Antoniewski von der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt – ebenfalls Mitglied des Stark Machen e.V. Sie ist mit einer weiteren Kollegin für die gesamte Hansestadt sowie den Landkreis Rostock zuständig.
"Fehlende Ressourcen" verhindern Arbeit in ländlichen Regionen
"Also wer schon mal versucht hat, aus einem Ort wie Linstow, der zu unserem Landkreis gehört, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Hansestadt zu gelangen, um hier eine Stunde Beratung in Anspruch zu nehmen, der wird einfach merken, was das für einen Wahnsinns Aufwand bedeutet", erklärt Antoniewski. Als Hauptproblem nennt die Beraterin fehlende Ressourcen – vor allem personell.
Ein Teil der Zielgruppe wird nicht erreicht
Sie müssten Menschen dort erreichen, wo sie leben. Dafür würden jedoch Ressourcen für die Arbeit in Netzwerken, in der Öffentlichkeitsarbeit oder für die aufsuchende Arbeit auf dem Land benötigt werden. "Das hat natürlich auch zur Folge, dass es ganz breite Zielgruppen gibt, die wir gar nicht erreichen können und die möglicherweise gar nichts wissen von dem Unterstützungsangebot", so Antoniewski.
Zahlen steigen weiter an
Zur Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt kommen vor allem Menschen, die sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend in der Familie erlebt haben. Auch für sie werden auf dem Doberaner Platz Kerzen angezündet. Wie die Kriminalstatistik des Landes 2023 zeigt, steigt die häusliche Gewalt weiter an – im Vergleich zum Vorjahr um knapp sieben Prozent.
Mehr als 250 Personen in Opferambulanz untersucht
Dr. Verena Kolbe von der Opferambulanz in Rostock kann bestätigen, dass schon jetzt mehr Personen als im vergangenen Jahr untersucht werden mussten: "Wir haben in diesem Jahr Stand heute 252 Personen untersucht. Darunter fallen auch Kinder, aber auch männliche und weibliche Opfer häuslicher Gewalt. Das sind so viele Personen, wie wir in keinem Jahr zuvor untersucht haben."
Mehr Menschen suchen sich Hilfe
In einer Opferambulanz werden Verletzungen gerichtsfest dokumentiert. Zum Anstieg der Zahlen äußert Kolbe die Vermutung, dass die Gewalt selbst grundsätzlich nicht gestiegen sei. Diese würde nun jedoch sichtbarer werden, da sich mehr Menschen Hilfe suchen würden. Da das Thema allgemein mehr Aufmerksamkeit bekäme, würden Betroffene sich nun eher an Beratungsstellen wenden. Strafanzeige würde hingegen noch immer selten erstattet.
Präventionsarbeit für sichere Räume
Die Beraterin Petra Antoniewski sieht vor allem in der Präventionsarbeit einen wichtigen Schritt in Richtung bessere Zukunft. So solle etwas dafür getan werden, Gewalterfahrungen zu verhindern oder zu erschweren: "Auch das ist ein Bereich, der im Moment in unserer Arbeit viel zu kurz kommt", bemängelt Antoniewski.
Positive Entwicklung: Prävention stärker nachgefragt
Dennoch hebt sie hervor, dass sie über die vergangenen Jahre zumindest eine positive Entwicklung erleben konnten: Arbeitgeber oder öffentliche Institutionen kontaktierten die Beraterinnen, um in ihrem Unternehmen eine sichere Situation für alle Mitarbeitenden zu schaffen. "Prävention kann also so aussehen, dass wir für das Thema sexualisierte Gewalt sensibilisieren. Also dass wir Fortbildungen anbieten oder bei der Entwicklung von Schutzkonzepten in den jeweiligen Einrichtungen unterstützen", so Antoniewski.