Stopp für Solarpark in Anklam: Stadtvertreter kippen Beschluss
Die Stadtvertretung Anklam stoppt den Solarpark Stretense. Bürgermeister Galander will die Abstimmung prüfen lassen - es gebe neue Erkenntnisse zu dem Projekt.
Die neu gewählte Stadtvertretung in Anklam beginnt ihre Amtszeit mit einem Paukenschlag. Am Ende der konstituierenden Sitzung kippt sie einen Beschluss ihrer Vorgänger: Der geplante 130 Hektar große Solarpark im Ortsteil Stretense wird vorerst gestoppt. Die CDU-Fraktion hatte unter ihrem neuen Fraktionschef Hannes Campe einen Dringlichkeitsantrag eingebracht. Demnach soll das Vorhaben neu verhandelt werden. Für den Antrag votierten zwölf der 23 Stadtvertreter, darunter die drei Mitglieder der AfD, zwei Mitglieder der Anklamer Bürgerinitiative - eine Abspaltung der AfD - und der Vertreter der "Heimat", Michael Andrejewski.
Sondersitzung im April sei nicht dringlich gewesen
Campe begründet den Antrag damit, dass es neue Erkenntnisse zum Projekt gebe. Er kritisiert die Sondersitzung im April, auf der das Projekt im Schnellverfahren durchgebracht wurde. Diese sei als dringlich deklariert worden, damit der Landkreis den Solarpark schnell genehmigen könne. Doch bis heute sei das Projekt dort nicht bestätigt worden, so Campe. Er vermutet, dass "die Stadt irgendwelchen Sachen wohl nicht nachgekommen ist, also nicht rechtzeitig alles eingebracht hat, was dort (Anm.: beim Kreis) hätte eingebracht werden müssen". Er schlussfolgert daraus, dass die Sondersitzung im April deshalb nicht so dringlich gewesen sein könne.
Bürgermeister kündigt Widerspruch an
Anklams Bürgermeister Michael Galander, Initiatven für Anklam (IfA), warnt vor dem neuen Beschluss der Stadtvertretung. "Wir haben hier ein laufendes Verfahren mit entsprechenden Abschlüssen. Insofern würde es dazu führen, dass jetzt hier auch ein Schaden für die Gemeinde eintreten kann." Galander kündigte an, die Rechtsfähigkeit des gefassten Beschlusses juristisch überprüfen zu lassen und Widerspruch einzulegen. Der Bürgermeister sieht zudem das Wohl der Gemeinde gefährdet. Die Stadt müsste bei einem Stopp des Solarparks auf nicht geringe Einnahmen verzichten. Galander beziffert die Steuereinnahmen auf 350.000 bis 400.000 Euro pro Jahr. Den Eingriff in ein laufendes Verfahren sieht er auch für den Investoren als problematisch an. "Dann ist da natürlich kein Vertrauen mehr, wenn eine Stadtvertretung vor der Wahl sagt, wir wollen und nach der Wahl dann gleich sagt, wir wollen nicht mehr." Die Firma in Ingolstadt sei bereits über die neue Haltung des Stadtparlaments informiert und werde sich in den nächsten Tagen positionieren, so Galander.
Projekt von Beginn an umstritten
Als 2020 bekannt wurde, dass Ackerland mit guten Bodenrichtwerten mit einer Photovoltaik-Anlage überbaut werden soll, monierten die Anwohner bereits die fehlende Bürgerbeteiligung. Bürger von Stretense, das seit 2005 zur Stadt Anklam gehört, positionierten sich deutlich gegen den Solarpark. Es gab eine Unterschriftensammlung und bei den Genehmigungsbehörden gingen zahlreiche Eingaben und Stellungnahmen ein. Zeitgleich eröffnete der bayerische Investor bereits sein Planungsbüro. Die Firma Anumar will in den Solarpark 160 Millionen Euro investieren. Die Kohlendioxidersparnis soll nach Inbetriebnahme bei etwa 246.000 Tonnen pro Jahr liegen. Die Stadt Anklam, die durch die Eingemeindungen auch Wortführerin in der Region ist, besteht nach wie vor auf das Projekt, das inzwischen die ganze Region spaltet.
Neue Kräfteverhältnisse in der Stadtvertretung
In der konstituierenden Sitzung wurden auch der Bürgervorsteher und seine Stellvertreter gewählt. Der alte und neue Bürgervorsteher ist Andreas Brüsch von der IfA. Er bekam 16 Stimmen. Der Posten des ersten Stellvertreters ging an Friedhelm Schülke (CDU), für ihn votierten 15 Stadtvertreter mit "Ja". Bei der Wahl zum zweiten stellvertretenden Bürgervorsteher gab es zwei Bewerbungen. Gesetzt war der Bewerber von der AfD, Marcus Schultz. Die Sozial-Ökologische Bürgerplattform schlug mit Georg Becker einen eigenen Kandidaten für das Amt vor. Er unterlag dem Kandidaten der AfD mit sechs Stimmen deutlich. Marcus Schultz bekam 17 Stimmen. Nach Aussagen von Rechtsextremismus-Experten pflegt Schultz Kontakte zur "Heimat" (ehemals NPD) und zur neonazistischen Kameradschaftsszene.