Ärger wegen Solarpark: Bürger fühlen sich übergangen

Stand: 17.08.2021 16:30 Uhr

Am Dorfrand von Stretense bei Anklam in Vorpommern soll ein Solarpark entstehen - größer als 400 Fußballfelder. Die 150 Einwohner des kleinen Dörfchens fühlen sich übergangen.

von Jan Körner

Seit September vergangenen Jahres ist vieles in Stretense nicht mehr so wie es war: Damals schaute sich ein Reporter der Regionalzeitung im Ort um. Am nächsten Tag konnten die Menschen im Blatt lesen, dass am Dorfrand eine große Baumaßnahme in Planung ist. Ein Solarpark. 300 Hektar groß - mehr als 400 Fußballfelder.

"Und dann ist die Gerüchteküche hoch geschwappt", erzählt Marco Schulz. Er ist der Ortsvorsteher von Stretense und sitzt für die CDU im Stadtrat von Anklam - das Dorf ist seit 2005 ein Ortsteil. Nach dem Erscheinen des Artikels über den geplanten Solarpark versuchen die Stretenser Informationen über das Projekt zu bekommen. Doch in den ersten Monaten sei der Austausch mit der Stadt über das Thema Solarpark schwierig gewesen.

Bürgermeister gibt Kommunikationsfehler zu

Das räumt auch Anklams Bürgermeister Michael Galander im Interview mit Panorama 3 ein: "Im Anfangsstadium, als es losgehen sollte, da wollte man das Projekt zu schnell, ohne die Bürger zu beteiligen." Aber jedem recht machen könne man es am Ende auch nicht: "Die Mehrheit hat jetzt entschieden. Und auch die Mehrheit der Anklamer Bürger, glaube ich, findet das Projekt ganz gut." Die Entscheidung in der Anklamer Stadtvertretung, den Bebauungsplan für den Solarpark zu prüfen, fiel allerdings recht knapp aus: 12 zu 10 Stimmen, bei 2 Enthaltungen.

Im Dorf klare Mehrheit gegen das Projekt

Im gut sieben Kilometer von Anklam entfernten Stretense sind die Mehrheitsverhältnisse eindeutig: Hier ist aus der Ohnmacht, von dem Projekt aus der Zeitung erfahren zu haben und nicht an der Planung beteiligt gewesen zu sein, inzwischen Ablehnung erwachsen. Die Stretenser wären gerne direkt über das Projekt informiert worden - und hätten sich über eine Teilhabe an der Planung gefreut. Schließlich würde der Solarpark vom Norden bis in den Südosten an das Dorf heranreichen. Und südwestlich von Stretense liegt bereits ein großer Windpark. Das Dorf wäre demnach fast vollständig von Energiegewinnungsanlagen umgeben.

Beteiligung der Bevölkerung

Das 160-Millionen-Vorhaben in Vorpommern ist eigentlich einer von vielen Bausteinen bei der Umstellung der Energiegewinnung hin zur CO²-Neutralität. Das sagt Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Deutschland bräuchte achtmal mehr Solarparks, als bereits in der Republik stehen. Er plädiert für Beteiligung der Bevölkerung an Projekten wie in Stretense.

"Wenn man das Gefühl hat, auch beteiligt zu sein, sei es an der Entscheidung, wie oder wo die Anlage gebaut wird oder auch finanziell, steigt natürlich die Akzeptanz erheblich", so Quaschning. "Das heißt: wenn man eine Photovoltaikanlage einfach nur vor die Nase gesetzt bekommen, am besten aus der Zeitung davon erfährt, dass sie gebaut wird, fühlt man sich übergangen." Finanzielle Beteiligung der Anwohner kennt man bereits aus der Windenergie. Die Anwohner investieren Geld in den Solarpark und profitieren dann von den Erträgen. Für Quaschning ein gutes Modell: "Dort, wo wir eine hohe Bürgerbeteiligung haben, gibt es eigentlich praktisch kaum Widerstände."

So wie beispielsweise in Bosbüll in Schleswig-Holstein. Dort entstand bereits im Jahr 2009 ein Solarpark, an dem man sich beteiligen konnten. Von 220 Einwohnern machten immerhin 80 mit - und profitieren nun finanziell davon. Einzelne gingen dank der Rendite sogar früher in Rente. Ob es in Stretense für die Anwohner die Möglichkeit geben wird, vom Solarpark finanziell zu profitieren, steht noch nicht fest.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 17.08.2021 | 21:15 Uhr

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Solarenergie