Agrardiesel und Subventionen: Fragen und Antworten zu Bauernprotesten in MV
Landwirtschaft und Transportwesen protestieren am Montag gemeinsam gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Der Deutsche Bauernverband hatte dazu aufgerufen. In unserem FAQ beantworten wir die wichtigen Fragen zu den Hintergründen.
von Franziska Drewes
Wo genau will die Bundesregierung einsparen?
Künftig soll der Agrardiesel nicht mehr subventioniert werden. Kurz vor Proteststart hat die Bundesregierung angekündigt, dass diese Steuererleichterung nun schrittweise bis 2026 wegfallen soll und nicht, wie geplant, schon jetzt. Auch die Kfz-Steuerbefreiung in der Forst- und Landwirtschaft sollte abgeschafft werden. Darauf will die Bundesregierung nun verzichten.
Warum will die Bundesregierung die Agrardiesel-Vergütung streichen?
Die Bundesregierung muss sparen, will aber auch eine bessere CO2-Bilanz erzielen. Fakt ist: Auch Dieselkraftstoff stößt klimaschädliches Kohlendioxid aus. Laut der Helmholtz-Gemeinschaft sind es bei einem Liter Diesel genau 2,65 Kilogramm CO2.
Wie viel Geld bekommen Landwirte für Agrardiesel erstattet?
Landwirte und Forstbetriebe können 21,48 Cent pro Liter Diesel erstattet bekommen. Damit wird die anfallende Energiesteuer teilweise zurückgezahlt. Um eine Erstattung zu erhalten, müssen die Betriebe beim jeweiligen Hauptzollamt einen Antrag stellen und die Tankquittungen eines Jahres einreichen. Die Steuerentlastung ist an Voraussetzungen geknüpft. So dürfen beispielsweise keine Privatfahrten abgerechnet werden. Diese Steuerentlastung betrifft bislang nur land- und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge. Dazu zählen beispielsweise Traktoren, Mähdrescher oder Forwarder.
Auf wieviel Geld müssten die betroffenen Betriebe künftig verzichten?
Das hängt davon ab, wie viel Liter Diesel ein Agrarbetrieb verbraucht. Im Schnitt der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern werden etwa 100 Liter Diesel pro Hektar benötigt. Bei einem 500-Hektar-Betrieb entspricht das rund 10.500 Euro Erstattung pro Jahr. Das haben Berechnungen eines betriebswirtschaftlichen Beratungsrings für Landwirte ergeben.
Seit wann gibt es die Agrardiesel-Vergütung?
Die Vergütung wurde 1967 eingeführt. Damals trat das Landwirtschafts-Gasölverbilligungsgesetz in Kraft. Schon damals konnte sich ein Landwirt am Ende eines jeweiligen Jahres einen Teil der gezahlten Mineralölsteuer erstatten lassen. Anlass für dieses Gesetz war der Gedanke, dass landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge meist auf Feldern unterwegs sind und kaum Straßen nutzen und deswegen für deren Unterhalt weniger herangezogen werden sollten.
Können Landwirte auf E-Mobilität oder auf erneuerbare Energien umsteigen?
Das ist nicht so einfach. Landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge sind darauf ausgelegt, auf dem Acker extrem schwere Zug- oder Erntetechnik zu transportieren. Dafür müssen sie viel Kraft aufwenden. Dies kann bislang vor allem die Dieseltechnologie leisten. Es gibt aber erste batterieelektrische Traktoren und solche, die beispielsweise flüssiges Biogas tanken. Landwirte, die auf einen mit Methan betriebenen Traktor setzen, müssen viel investieren und sie benötigen eine Gas-Tankstelle. Daran scheitert es vielerorts in Deutschland noch.
Können Landwirte nicht einfach weniger Diesel verbrauchen?
Aus Sicht der Landwirte ist das schwierig. Vor allem Ökobauern verbrauchen noch mehr Diesel als konventionell arbeitende Betriebe. Denn sie dürfen keine chemischen Pflanzenschutzmittel einsetzen, müssen den Ackerboden also verstärkt mechanisch bearbeiten. Dafür benötigen sie Landmaschinen. Auch das Getreide kann nur mit einem Mähdrescher gemäht werden. Dafür gibt es keine Alternative.
Welche weiteren Subventionen erhalten die Landwirte in MV von der EU?
Die Agrarförderung besteht aus zwei Säulen. Einmal gibt es die sogenannten Direktzahlungen, die erste Säule. Das ist laut Bund die sogenannte "Einkommensgrundstützung". Sie wird gestaffelt ausgezahlt und davon abhängig, wie viel Hektar ein Betrieb bewirtschaftet. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums stand 2023 jedem Betrieb zumindest eine Basisprämie von 156,56 Euro pro Hektar zu. Für einen 500-Hektar-Betrieb entsprach das 78.280 Euro. 2023 standen für Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt rund 268 Millionen Euro aus dieser ersten Säule bereit. Die zweite Säule umfasst zusätzlich Subventionen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen.
Warum erhalten Landwirte diese finanzielle Unterstützung?
Dies ist historisch bedingt und hat ihren Ursprung in den Römischen Verträgen von 1957, unterzeichnet von den sechs Gründerstaaten der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Ziel war es, die Produktivität der Landwirtschaft zu fördern und die Märkte im zerstörten Nachkriegseuropa zu stabilisieren. Zudem sollten die bäuerlichen Familienbetriebe ein gesichertes Einkommen erhalten. Dies ist noch immer Ziel der Förderung. Mittlerweile sind diese EU-Mittel aber auch stark an umweltpolitische Auflagen geknüpft.
Was genau wird mithilfe des Geldes unterstützt?
Landwirte müssen dafür auf ihren Flächen besondere Aufgaben erfüllen. So können sie beispielsweise EU-Subventionen beantragen, wenn sie später als üblich mähen und so seltene Bodenbrüter oder vom Aussterben bedrohte Pflanzen auf ihren Grünlandflächen schützen. Geld gibt es auch für mehr Biodiversität auf dem Acker, wenn etwa Sonderkulturen wie eiweißreiche Erbsen oder Lupinen angebaut werden. Die freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen werden laut Landwirtschaftsministerium hierzulande auf fast 600.000 Hektar angewandt.
Warum benötigen Landwirte diese Subventionen?
Landwirte sind laut Bauernverband noch immer von staatlichen Hilfen abhängig, da sie für ihre Produkte keine realistischen Preise erzielen. Vor allem kleinere Agrarbetriebe benötigen diese finanziellen Hilfen. Das betonen auch Ökoverbände immer wieder. Landwirtschaft ist ein international agierender Wirtschaftssektor. Das bedeutet, dass Bauern, egal ob sie ökologisch oder konventionell wirtschaften, kaum Chancen haben, ihre Preise anzupassen oder selbst auszuhandeln, um damit steigende Kosten auszugleichen. Die Verkaufspreise beispielsweise für Fleisch und Milch schwanken stark. Demgegenüber steigen Ausgaben bei Energie, Saatgut, Dünger und Lohnkosten.
Wie groß sind die Agrarbetriebe hierzulande?
Im Schnitt bewirtschaften die Betriebe hierzulande eine Fläche von 381 Hektar. Deutschlandweit liegt der Durchschnittswert bei 63 Hektar. Im bundesweiten Vergleich hat Mecklenburg-Vorpommern die größten Agrarbetriebe.
Warum genau sind die Landwirte so sauer?
Der Präsident des Deutschen Bauernpräsident, Joachim Rukwied, hält die Kürzungspläne der Bundesregierung für unzumutbar. Immer wieder betonen Landwirte, dass die Streichungen einen Strukturwandel vorantreiben würden und ihre Existenz gefährdet sei. Viele Bauern haben Angst davor, dass sie infolge immer höherer Kosten und Auflagen dem internationalen Wettbewerb nicht mehr standhalten können. Fakt ist: Viele Agrarbetriebe haben hierzulande bereits aufgegeben.
Wie entwickelt sich die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern?
2016 gab es noch 4.903 landwirtschaftliche Unternehmen, 2020 waren es 4.784 Agrarbetriebe, also 119 Betriebe weniger. Das geht aus Daten des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern hervor. Besonders betroffen ist die Schweinehaltung. Vor wenigen Jahren gab es noch über eine Million Schweine hierzulande, 2022 waren es nur noch fast halb so viele Tiere, nämlich 560.600 Schweine. Auch der Bestand an Rindern und Milchkühen ist rückläufig.
Was sagen Agrarökonomen zu den geplanten Kürzungen?
Rainer Langosch, Professor an der Hochschule Neubrandenburg im Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften und Experte für Unternehmensführung, zeigt Verständnis für die Proteste der Bauern: "Mit einer relativ kurzen Maßnahme, die erkennbar nicht einer längerfristigen Strategie folgt, sondern die letztendlich aus Haushaltszwängen herrührt, wird eine Gruppe besonders betroffen." Die Möglichkeiten darauf unternehmerisch zu reagieren, seien äußerst eingeschränkt. Sein Kollege, der Agrarökonom Sebastian Lakner von der Universität Rostock, ist anderer Meinung. Er bezeichnete im Kurznachrichtendienst X die Agrardiesel-Rückerstattung als "weitgehend sinnfreie Subventionierung".