Kommentar: Beim Heizungsgesetz hat die Bundesregierung versagt
Wer schon bei der Vorbereitung pfuscht, wird sein Vorhaben kaum meisterhaft zu Ende bringen. Das nun durch das Bundesverfassungsgericht ausgebremste Heizungsgesetz offenbare beispielhaft die Unfähigkeit der Ampel-Regierung, meint Gast-Kommentator Feldenkirchen. Das sorge für Verdruss bei den Bürgern, beschere der AfD unverhofften Aufwind und sei gefährlich für unsere Demokratie.
Der NDR Info Wochenkommentar "Die Meinung" von Markus Feldenkirchen ("Der Spiegel")
Nein, es hätte nicht zu dieser Regierung gepasst, wenn ihr Heizungsgesetz doch noch wie geplant vor der Sommerpause verabschiedet worden wäre. Wer sich einmal aufs Chaos stiften spezialisiert hat, wird nicht über Nacht zum Profi. Der hält auch für den Schluss noch eine Pointe bereit. Insofern passte das Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts in letzter Sekunde, als es die für Freitagmorgen geplante zweite und dritte Lesung des Heizungsgesetzes im Bundestag stoppte. Weil es Zweifel geltend machte, dass die Rechte der Abgeordneten in den Beratungen ausreichend gewahrt wurden. Dieses Einschreiten der Richter war absolut richtig. Denn: Ein solch komplexes, so wegweisendes und so viele Menschen betreffendes Gesetz kann man nicht im Turboverfahren durch den Bundestag schleusen. Das wäre eine Missachtung des Parlaments und der parlamentarischen Demokratie.
Die Quittung für schlechte Regierungsarbeit
Aber: Dass ein solches Eil- und Hauruck-Verfahren überhaupt notwendig war, ist das eigentliche Problem dieser Ampel-Regierung. Man könnte auch sagen: das eigentliche Versagen. So ist das Eingreifen des Gerichts die Quittung für schlechte Regierungsarbeit, für die Unfähigkeit zum Kompromiss, für den Triumph des parteipolitischen Egoismus, der die Eigeninteressen über das Wohl von Bürgerinnen und Bürgern stellt. Dabei wäre allemal genügend Zeit gewesen, die Wärmewende und das Heizungsgesetz seriös und geordnet vorzubereiten, ohne die Hektik und das Heckmeck der vergangenen Tage. Dass es nicht so gekommen ist, haben gleich mehrere Akteure zu verantworten.
Sehr viel grünes Wunschdenken
Die Schuld der Grünen, oder besser: des von einem Grünen geführten Wirtschaftsministeriums und seines ambitionierten Ex-Staatssekretärs Patrick Graichen, liegt darin, dass in den ersten Entwürfen des Heizungsgesetzes vieles nicht bedacht wurde. Beispielsweise, dass ein solches Unterfangen mit einem erheblichen sozialen Ausgleich verbunden sein muss. Oder dass es von enormem Vorteil ist, wenn die kommunale Wärmeplanung abgeschlossen ist, bevor Bürger ihre Privatheizung austauschen. Am Anfang war also sehr viel grünes Wunschdenken und wenig Abgleich mit der Wirklichkeit.
Unheilvoller Beitrag der FDP
Dann folgte der unheilvolle Beitrag der FDP, die zwar auch auf tatsächliche Defizite in Robert Habecks Plänen hinwies. Darüber hinaus aber eine destruktive Lust offenbarte, den Grünen und ihrem Minister jeden greifbaren Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Als wäre Habecks Scheitern ein Selbstzweck. Mit welchen Worten Teile der FDP das vor allem grüne Vorhaben diskreditiert haben, war abenteuerlich und verschlimmerte erheblich den Eindruck: Die da oben sind Stümper, sie können es einfach nicht.
Der Kanzler sah zu lange tatenlos zu
Das, worauf man sich am Ende geeinigt hatte, hätte jedenfalls schon länger zur Beratung für den Bundestag bereitliegen können. Dass dies nicht so war, liegt stark an der Verzögerungstaktik und der traditionellen Lust der Liberalen, die Grünen vorzuführen. Als seien sie nicht der Koalitionspartner, sondern der Hauptfeind. Und dann wäre da noch der Bundeskanzler, der diesem Gewürge viel zu lange tatenlos zusah. Das Chaos ist auch eine Folge, seiner Art zu regieren, beziehungsweise nicht zu regieren.
Und von allem profitiert die AfD
Es könnte gut sein, dass die Geburt dieses Heizungsgesetzes in einigen Jahrzehnten Aufnahme in den Geschichtsbüchern über die Entwicklung Deutschlands finden wird. Nicht als Wendepunkt in der Klimapolitik. Sondern als Wendepunkt in der Demokratie der Bundesrepublik, als Weichenstellung hin zu mehr Rechtspopulismus, als Katalysator für die sogenannte Alternative für Deutschland, die, wenn man sie gewähren lässt, früher oder später zur Alternative für Demokratie in Deutschland werden könnte.
Denn die Uneinigkeit der Ampel-Regierung, der Eindruck der gegenseitigen Gegnerschaft, aber auch die Unprofessionalität mancher Beteiligter haben der AfD in den vergangenen Wochen und Monaten zweifellos einen weiteren massiven Schub verliehen. Auch deshalb gewinnt sie erste Wahlen in Kommunen, auch deshalb steht sie in Umfragen derzeit so gut da, obwohl ihre Vertreter selbst keinen klugen Gedanken äußern und die Partei auch kein eloquentes, charismatisches Personal auf die Bühne schicken kann.
Es wäre vielleicht gut, wenn die Ampel den Sommer über Lehren aus dieser unrühmlichen Episode zöge. Wenn sie künftig bemüht wäre, konstruktiv miteinander, statt destruktiv gegeneinander zu arbeiten. Das wäre nicht nur vorteilhaft für alle Bürgerinnen und Bürger, sondern auch schlecht für die AfD - und damit am Ende gut für Deutschlands Demokratie.
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