Stand: 04.10.2017 07:52 Uhr

Auf der Suche nach dem schlauen Fischernetz

von Claudio Campagna

Gemächlich pflügt das Forschungsschiff "Clupea" durch die ruhige Ostsee. Drei Seeleute in wasserfester Kleidung ziehen über eine große Winde langsam ein Netz an Bord. Es ist ein Stellnetz. Anders als Schleppnetze, die Kutter hinter sich herziehen, werden diese für ein paar Tage ausgesetzt. "Das ist eine sehr umweltfreundliche Fangmethode", sagt Daniel Stepputtis vom Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock. "Aber man fängt manchmal leider Schweinswale und Seevögel. Wir schauen nun, ob es Möglichkeiten gibt, die Stellnetze besser zu machen.“

Fischer klagen über die EU-Fangquoten

Die Experten für Fischerei-Technik vom Thünen-Institut wollen eine nachhaltige Fischerei ermöglichen - und entwickeln deshalb sogenannte intelligente Netze. Mit diesen lassen sich gezielt bestimmte Fisch-Sorten einfangen und andere aussortieren. Ihr Projekt heißt Stella - das steht für "Stellnetzfischerei-Lösungsansätze". Ziel ist eine Fischerei, bei der sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Interessen berücksichtigt werden. Für die Küstenfischer zählt in der ersten Linie der wirtschaftliche Aspekt. Sie sprechen von schwierigen Zeiten. Vor allem die Fang-Quoten der EU sind für sie immer wieder Grund zum Ärger. Zuletzt wurde die Quote für den Dorsch in der westlichen Ostsee um mehr als die Hälfte gesenkt. Da bleibe vielen Betrieben kaum mehr etwas, um zu überleben, heißt es etwa vom Landesfischereiverband Schleswig-Holstein.

Was geschieht mit dem Beifang?

Und das Quoten-Problem wird durch den sogenannten Beifang oft noch verschärft. Beifang - so heißt all das Getier, das beim Fischen nach einer bestimmten Sorte zusätzlich mit im Netz zappelt: Kleinfische etwa und Arten, auf die der Fischer gar nicht aus ist. Früher warfen die Seeleute unerwünschten Beifang einfach zurück ins Meer, was dieser oft nicht überlebte. Naturschützer kritisieren diese Praxis daher schon lange.

Die Tücken des Anlandegebots

Für einige Arten gilt inzwischen aber ein sogenanntes Anlandegebot. Das heißt: Was der Fischer fängt, muss er in den Hafen bringen. Und auch der unfreiwillig angelandete Fisch wird auf seine Quote angerechnet; auf die Menge also, die er höchstens fangen darf. Das Problem: Hat ein Fischer seine Quote für eine Sorte erreicht - beispielsweise Dorsch, dann kann er praktisch nicht mehr rausfahren. Denn selbst wenn er nun beschließt, ganz auf Schollen umzusteigen, muss er damit rechnen, dass in seinem Netz auch Dorsche landen. Und die darf er nun ja nicht mehr fangen. Die Fischer fordern daher eine höhere Quote. Naturschützern dagegen ist die geltende oft schon zu hoch.

Fluchtgitter für die Plattfische

Die Wissenschaftler vom Thünen-Institut schauen sich - neben den Stellnetzen - auch Schleppnetze genauer an. Gerade wirft die Besatzung der "Clupea" ein selbst entwickeltes Schleppnetz aus. Es soll den Schollenbeifang in der Dorschfischerei reduzieren. Dazu haben die Forscher horizontale Fluchtgitter für die flachen Schollen eingebaut; dicke Dorsche passen nicht durch. "Wir leiten die Schollen über eine Art Verkehrsinsel zu diesen Gittern, und die Plattfische können so entkommen" erklärt Daniel Stepputtis. "Die Dorsche hingegen schwimmen hinten in den Steert und können gefangen werden."

Dorsche sind bedroht

Außerdem können Schollen durch eine größere Öffnung am Boden in die Freiheit schwimmen; Dorsche dagegen nicht. Denn sie weichen eher nach oben aus. Um 90 Prozent lasse sich der Schollen-Beifang auf diese Art reduzieren, sagt Stepputtis. Allerdings habe sich gerade der Schollenbestand in der Ostsee gut erholt; dafür sind die Dorsche nun bedroht. "Man kann das Netz auch benutzen, indem man es einfach umdreht. Dann macht man unten das Netz zu und oben auf." Auf diesem Wege würden die Schollen gefangen und die Dorsche könnten wegschwimmen.

Strengere Kontrollen gefordert

Noch haben sich diese flexiblen Netze in der Fischerei allerdings nicht durchgesetzt. Ein Grund könnten zu lasche Kontrollen sein. "Wenn das Anlandegebot nicht vernünftig kontrolliert wird und es da noch Schlupflöcher gibt, dann muss ich als Fischer so ein Netz auch nicht einsetzen", sagt Stepputtis. "Dann ist es die einfachere Version, den Beifang einfach über Bord zu schmeißen."

Auch die Fischer könnten profitieren

Dabei würden schonendere Fangmethoden der Überfischung der Meere deutlich entgegenwirken. "Das ist sicherlich der richtige Weg", ist Kim Detloff vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) überzeugt. Die Fischerei müsse selektiver werden: Es dürften nur die Zielarten gefangen werden und es müsste vor allem der Beifang von Jungfischen reduziert werden. Davon würden gerade auch die Berufsfischer profitieren, meint der NABU-Leiter im Bereich Meeresschutz. "Zum einen, weil man die Bestände schonender bewirtschaften kann, indem man Beifänge vermeidet", sagt Detloff. "Und zum anderen können sie selektiv auch nur eine Art fangen, für die sie auch wirklich eine Quote haben."

Im Schleppnetz der "Clupea" ist diesmal nicht viel gelandet. Keine Dorsche in der See; auch das ist ein Ergebnis. Und die Forscher wenden sich wieder dem Stellnetz zu. Ihr Projekt, das diese Fangtechnik ökologischer machen soll, ist auf insgesamt drei Jahre angelegt.

Taue und Netze an Bord des Forschungsschiffs "Clupea"  Foto: Claudio Campagna
AUDIO: Fischen mit intelligenten Netzen (6 Min)
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Illustration: Zwei Hände umfassen eine Glühbirne © NDR

NDR Info Perspektiven: Auf der Suche nach Lösungen

In der Reihe NDR Info Perspektiven beschäftigen wir uns mit Lösungsansätzen für die großen Herausforderungen unserer Zeit. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 04.10.2017 | 08:20 Uhr

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