NDR Info - Redezeit
Donnerstag, 27. Oktober 2022, 20:33 bis
22:00 Uhr, NDR Info
Hartz IV - für viele steht dieser Begriff für soziale Härte. Ebenso ist damit ein Klischee verbunden: Leben auf Kosten der anderen, ein einziges Abhängen vor dem Fernseher - etwa so stellen sich manche den "Hartzer" vor.
Ein Begriff wie ein Stigma. Dies könnte Deutschland mit der großen Sozialreform, die ab Januar kommenden Jahres in Kraft tritt, hinter sich lassen. Der Sozialstaat soll ein freundlicheres Gesicht zeigen, so das Motiv der Ampel-Koalition. Langzeitarbeitslose sollen weniger Druck bekommen, dafür mehr attraktive Angebote. Mit dieser Leitidee soll die Reform noch im November durch den Bundestag und den Bundesrat. Doch es gibt noch einiges an Konfliktpotential.
"Fördern und fordern" - Stimmt die Balance beim neuen Bürgergeld?
Vor gut 20 Jahren, im August 2002, legte die Hartz-Kommission dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ihren Bericht vor, auf dessen Grundlage der verkrustete Arbeitsmarkt auf Trab gebracht werden sollte. In der Tat hat sich die Arbeitslosenzahl von damals seitdem um rund vier Millionen halbiert. Umstritten ist jedoch, welchen Anteil das Arbeitslosengeld II - also umgangssprachlich Hartz IV - mit all seinen Sanktionen dabei hatte. Zumindest die Qualität vieler Beschäftigungsverhältnisse hat sich offenbar nicht verbessert. Stichwort: Minijob.
Wie wird sich die Reform hin zum Bürgergeld auswirken? Vorgesehen sind eine Anhebung der Regelsätze um 50 Euro und bessere Zuverdienst-Möglichkeiten sowie mehr Hilfen für Weiterbildung. Wird den Bedürfnissen von Langzeitarbeitslosen auf dem Weg in Arbeit angemessen Rechnung getragen? Oder verpuffen die finanziellen Verbesserungen angesichts der derzeit rasanten Preissteigerungen?
Tieferer Griff in die Sozialkassen: Stößt das auf gesellschaftliche Akzeptanz?
Zu zögerlich bis zu großzügig - naturgemäß gehen die Einschätzungen zum Bürgergeld auseinander. Einige Finanzexperten verweisen auf die in Kriegs- und Krisenzeit ohnehin knappen Ressourcen des Staates. Zuletzt hat unter anderem der Bundesrechnungshof die geplante zweijährige Karenzzeit kritisiert. Während dieser werden Vermögen bis 60.000 Euro nicht angetastet. Eine "unverhältnismäßig hohe" Freigrenze, so der Rechnungshof.
Welches Signal geht dazu von einem weitgehenden Verzicht auf Sanktionen aus? Innerhalb der ersten sechs Monate, einer "Vertrauenszeit", sollen die Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld kaum für Versäumnisse bestraft werden. Erreicht das Bürgergeld also das Ziel, Menschen aus der Grundsicherung zu holen - zu Gunsten jedes Einzelnen, aber auch im Sinne der Gesellschaft durch ein Entlasten der Sozialsysteme?
NDR Info Moderatorin Janine Albrecht begrüßte als Gäste:
Prof. Dr Timm Bönke
Co-Leiter des Konjunkturteams am DIW Berlin
Maria Loheide
Sozialpolitischer Vorstand der Diakonie Deutschland
Dr. Verena Tobsch
Expertin für Arbeitsmarktpolitik, Gründerin des Instituts für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES), Berlin
![NDR Logo NDR Logo](/resources/images/logos/ndr_printlogo.gif)