Was ein Hotel für ein Klima-Zertifikat ändern muss - und was nicht
Rund 140 Millionen Mal sind die Deutschen im Jahr 2023 verreist - etwa die Hälfte dieser Reisen dauerte fünf Tage oder länger. Wer klimafreundlich reisen möchte, kann auf eine Unterkunft mit Nachhaltigkeits-Zertifikat achten. Was ein Hotel dafür tun muss, zeigt ein Beispiel aus Hamburg.
Wenn Hoteldirektor Michael Lutz über das Thema Nachhaltigkeit spricht, kommt er schnell auf die Sache mit den Bademänteln. 226 Zimmer hat sein Vier-Sterne-Hotel im Hamburger Schanzenpark. "Wenn Sie da in jedes Zimmer einen Bademantel legen und den nach jedem Gäste-Wechsel waschen müssen, dann ist das eine ganze Menge. Deshalb haben wir uns entschieden, den Bademantel einfach wegzulassen." Das spart Wasser und viel Energie.
Klima-Zertifikate sind gefragt
Die Bademäntel sind nur einer von vielen Punkten, die das Hotel geändert hat, um eine klimafreundlichere Bilanz aufzuweisen. Die Belohnung: Seit zwölf Jahren hat das Hotel ein Nachhaltigkeits-Zertifikat. Ein solches Gütesiegel ist wichtig fürs Geschäft. "Mittlerweile gibt es unzählige Unternehmen und Konzerne, die sich auf zertifizierte Hotels beschränken", erzählt Michael Lutz im Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise". "Die buchen keine Veranstaltungen mehr in Hotels, die nicht zertifiziert sind, die bringen keine Geschäftsreisenden mehr in solchen Hotels unter."
Kurzum: Ein Hotel ohne Klima-Zertifikat gerät gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen. Und dennoch sind in Europa bislang nur ein Prozent der Unterkünfte zertifiziert. Das Hamburger Hotel - untergebracht in einem umgebauten Wasserturm - gehört zur Hotelgruppe Accor. Alle weltweit rund 5.100 Accor-Hotels sollen ein Nachhaltigkeits-Siegel erhalten. Das Hamburger Hotel hat das Zertifikat von Green Globe - eine Organisation, die schon seit den 90er-Jahren Zertifizierungen für den Tourismus im Bereich Nachhaltigkeit anbietet.
Für das Zertifikat gibt es 439 Kennzahlen
Insgesamt geht es bei dem Zertifikat von Green Globe um 439 Punkte, die abgefragt werden. Etwa 70 Prozent davon beziehen sich auf die Umwelt, 30 Prozent auf sozio-kulturelle Aspekte. In der Kategorie "Lebensmittel und Getränke" gibt es beispielsweise 22 Indikatoren. Dabei gibt es bestimmte Vorgaben, die erfüllt sein müssen. Andere Vorgaben sind nicht verpflichtend. Aber es gilt: In jeder Kategorie muss mehr als die Hälfte der Indikatoren erfüllt sein.
Die Butter gibt es nicht mehr in der Plastikverpackung
Alle zwei Jahren werden die Auflagen kontrolliert. Dies ist der Job von Auditorin Ioana Nan. Sie reist seit 14 Jahren zu Hotels, um sie für Green Globe zu zertifizieren. Das Hotel im Schanzenpark kennt sie seit acht Jahren. Bei einem Rundgang schaut sie sich an, was gut läuft und wo es noch hakt.
Beim Frühstücks-Buffet hat sich das Management bereits von langjährigen Gepflogenheiten verabschiedet: Die Butter liegt nicht mehr einzeln verpackt in kleinen Portionen aus. Stattdessen können sich die Gäste ein Stück von einem großen Block Butter abschneiden. "Das kommt bei unseren Gästen gut an", berichtet Hoteldirektor Lutz. "Wir haben letztens auch die Entscheidung getroffen, dass wir die großen Teller vom Buffet verbannen. Weil sich die Menschen einfach viel zu viel auftun. Es ist enorm, was weggeworfen wird."
Bei 100.000 Gästen pro Jahr lässt sich erahnen, was das allein in diesem einen Hamburger Hotel ausmacht. Geschätzt wird, dass die Hotels in Deutschland zusammen genommen jedes Jahr 200.000 Tonnen Lebensmittel in dem Müll schmeißen.
Rührei nur noch auf Bestellung
Lebensmittel-Verschwendung war auch das Thema bei einem Klassiker am Frühstücksbuffet: dem Rührei. Das Hotel im Wasserturm bietet die Eierspeisen deshalb nur noch auf Bestellung an. Bio-Lebensmittel gibt es hingegen kaum am Buffet. Das wäre zu teuer, sagt Lutz. Schon jetzt kostet das Frühstücksbuffet 28 Euro. Einen höheren Preis würden viele Gäste nicht akzeptieren. Hinzu kommt: Für das Nachhaltigkeits-Zertifikat sind Bio-Lebensmittel auch nicht verpflichtend.
Auch der Wasserhahn wird kontrolliert
Auditorin Ioana Nan achtet bei ihrem Rundgang auch auf Kleinigkeiten. Wie sind die Fitness-Geräte eingestellt? Schalten sie die sich erst ein, wenn sie benutzt werden? Wie lange läuft die Sauna am Tag? Und im Badezimmer geht es um die Frage: Wie viel Wasser kommt pro Minute aus dem Hahn? Denn gerade um Warmwasser zu erzeugen, braucht es viel Energie. Sie hat einen Messbecher aus Plastik dabei, den sie unter den Wasserstrahl hält. "Also, wir sind hier bei sieben bis acht Liter pro Minute", sagt Ioana Nan. "Unser Standard besagt: 6,6 Liter pro Minute soll man haben oder weniger." Das Hotel erfüllt diesen Punkt also nicht, aber auch dies ist kein verpflichtender Indikator. "Wir haben viele Luxushotels, die sagen: Der Kunde möchte einfach einen guten Wasserstrahl haben", so die Prüferin.
Immerhin: Das Hamburger Hotel ist schon dabei, die Bäder umzurüsten, etwa die Hälfte ist schon geschafft. Bei den neuen Waschbecken liegt der Verbrauch bei 3,5 bis 4 Litern. Auch die Duschköpfe sind ausgetauscht und nun ebenfalls viel sparsamer.
LED-Leuchten sparen auch viel Geld
Einen Riesensprung hat das Hotel beim Stromsparen gemacht. Seit dem vergangenen Jahr gibt es nur noch stromsparende LED-Leuchten, auch bei der Außenbeleuchtung. "Die Einsparung für das gesamte Haus liegen bei 60 bis 70 Prozent", sagt Technik-Leiter Toni Buchmann. Die Umstellung auf LED-Leuchten habe mehr als 100.000 Euro gekostet. Aber das Ganze zahlt sich schnell aus. "Wir haben bei den Stromkosten jetzt eine Ersparnis von 8.000 bis 10.000 Euro - pro Monat."
Der Abschied von den klassischen Glühbirnen bringt einen weiteren Vorteil mit sich. Die Zimmer können nun im Sommer besser gekühlt werden. "Ich habe die Flure in den Gästezimmern vor der Umstellung nicht unter 24 Grad im Sommer gekriegt. Weil die Wärmeleistung von den ganzen Leuchtmitteln so hoch war", erinnert sich Buchmann.
100 Prozent Ökostrom ist kein Muss
Bemerkenswert: Für das Klima-Zertifikat ist es nicht erforderlich, dass ein Hotel auf 100 Prozent Ökostrom setzt. Der Strom für das Wasserturm-Hotel in Hamburg wird zu etwa 75 Prozent aus Erneuerbaren Energien produziert. Fortschritte hat das Haus zuletzt beim Heizen gemacht, dank der sogenannten Wärme-Rückgewinnung. Das heißt: Das Hotel nutzt die Wärme aus der Abluft zum Heizen. Für einen normalen Frühlingstag heißt das exemplarisch: 92 Prozent der Wärme fürs Gebäude kommt aus der Wärme-Rückgewinnung. Nur für den kleinen Rest muss neue Energie verwendet werden.
Am Ende gibt es Lob von der Prüferin
Am Ende ihres Rundgangs zeigt sich Ioana Nan sehr zufrieden. Auch wenn weiterhin nicht alle Vorgaben erfüllt sind. "Das Hotel hat 84 Prozent der Kriterien erfüllt. Im Vergleich zu anderen Hotels ist es eine sehr gute Leistung", betont die Auditorin. Sie lobt: "In den vergangenen Jahren sind gute Fortschritte gemacht worden, von Optimierung der Heizung bis hin zu kompletter LED-Beleuchtung." Und so darf sich das Wasserturm-Hotel weiter mit dem Nachhaltigkeits-Zertifikat von Green Globe schmücken. Und Direktor Michael Lutz hofft auf viele Zimmer-Buchungen von Reisenden, für die der Klimaschutz ein wichtiger Punkt ist.