Klimawandel und Reisen: "Die Verantwortung sollte keinen Urlaub machen"
Die Urlaubssaison läuft langsam an, im Juni starten die Sommerferien im Norden. Doch Reisen ist oft auch klimaschädlich. Wie wichtig ist Reisenden der eigene CO2-Fußabdruck? Und was kann man tun, um ihn zu verringern? Darüber haben wir bei NDR Info live diskutiert.
"Wenn ich die Welt gesehen habe, dann kann ich Urlaub in Deutschland machen." Touristin am Hamburger Elbstrand
Was diese, für NDR Info live befragte junge Frau am Hamburger Elbstrand zum Ausdruck bringt, deckt sich mit aktuellen Zahlen zum bevorzugten Verkehrsmittel für längere Urlaubsreisen. Laut einer im März veröffentlichten Analyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) stehen Flugreisen trotz gestiegener Preise und der besonders klimaschädlichen Folgen weiterhin hoch im Kurs bei Reisenden aus Deutschland. Der Anteil der Flugreisen an den gewählten Verkehrsmitteln lag demnach unter den etwa 7.300 Befragten mit knapp 47 Prozent so hoch wie nie zuvor und übertraf erstmals Auto, Wohnwagen und Wohnmobil. Und das, obwohl die Auswirkungen des Klimawandels auch in den Urlaubsregionen zunehmend dramatisch sind, wie etwa die Wasserknappheit in Katalonien in diesem Frühjahr zeigt.
Das Umweltbundesamt empfiehlt mit Blick auf Klimawandel und Urlaub: je näher, desto besser. Denn ein Flug von Deutschland auf die Kanarischen Inseln und zurück verursacht laut Umweltbundesamt pro Person einen Ausstoß von 1.800 Kilogramm klimaschädlichem CO2.
Unterschied zwischen dem Wünschenswerten und dem echten Verhalten
Doch wie kompromissfreudig sind wir bei der Wahl des Urlaubsortes? "Das ist die Gretchenfrage", sagt Tourismusforscher Harald Zeiss, Direktor des Instituts für Tourismusforschung der Hochschule Harz im Gespräch mit Moderatorin Janine Albrecht. Es gebe eine große Differenz zwischen dem tatsächlichen Verhalten und dem, was man sich eigentlich wünschen würde. In der Fachsprache heiße das attitude-behaviour-gap. "Man würde gerne sehr umweltfreundlich und nachhaltig sein, aber am Ende entscheidet doch der Geldbeutel oder der Wunsch, den Urlaub in der Sonne zu verbringen", erklärt Zeiss.
Das zeigten auch Studien. Viele wünschten sich demnach zwar, nachhaltig zu verreisen. "Aber wenn man sie dann fragt, ob sie zuletzt nachhaltig verreist sind, dann liegt der Wert im einstelligen Prozentbereich, dass darauf auch wirklich geachtet wurde."
Mallorca oder Mecklenburg-Vorpommern? Vor allem eine Frage der Kosten
Wohin kann und darf es in diesem Sommerurlaub gehen? Im Fokus stehen dabei für viele Reisenden nicht so sehr die Folgen fürs Klima, sondern eher die Kosten. Denn Urlaub ist richtig teuer geworden. "Seit Corona hat sich der Preis permanent nach oben bewegt", sagt Reiseberaterin Gabriele Kausche aus Hamburg. Daher gehe der Trend bei vielen immer mehr zu einem Urlaub pro Jahr, "weil man sich mehr nicht mehr leisten kann", so Kausche. Vor allem Familien, die in den Ferien reisen müssen, seien von teils sehr hohen Reisepreisen gebeutelt. "Da wird dann Wert drauf gelegt, sich den einen Urlaub besonders schön zu gestalten", beobachtet Kausche bei ihren Kunden.
Urlaub in Deutschland boomt
Eine kostengünstigere Alternative zur teuren Fernreise ist naheliegend, im wahrsten Sinne des Wortes: Warum nicht gleich in Deutschland bleiben? Das machen offenbar auch zunehmend mehr Leute: Im ersten Quartal des Jahres haben sich so viele Menschen wie noch nie für Urlaub in Deutschland entschieden. Im März verbuchten Hotels, Pensionen und andere Ferien-Unterkünfte laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes einen Rekordwert von 35,6 Millionen Übernachtungen.
Ein Grund dafür ist aus Sicht von Tourismusforscher Zeiss die Corona-Zeit. "Die hat dazu geführt, dass mehr Deutsche Urlaub in Deutschland machen mussten." Viele hätten diese Urlaube genutzt, um zu sehen, dass man in Deutschland und den Anrainerstaaten gut seinen Urlaub verbringen könne. Nur eine Minderheit verzichte aus Klimaschutzgründen auf Flugreisen in weiter entfernt liegende Urlaubsgebiete. Auch die Möglichkeit, mit günstigen Flügen für ein Wochenende etwa nach Barcelona zu reisen, ist bei vielen beliebt.
Klimawandel versus Reiselust: Begrenztes Umdenken erwartet
Zeiss hofft, dass das Selbstverständnis, überall hinfliegen zu können, sich ändert. "Die Verantwortung sollte keinen Urlaub machen", sagt er. "Mein Wunsch wäre es, dass wir Urlaub als das werten, was es ist: etwas ganz Besonderes, in der Welt herumzureisen." Man solle lieber nur alle zwei Jahre eine Fernreise machen und dafür etwas länger bleiben, Deutschland und die Anrainerstaaten genießen und mit der Bahn fahren, statt mal eben für ein Wochenende nach Barcelona zu fliegen.
Es werde in den Köpfen der Reisenden ein Umdenken geben, zumindest zu einem gewissen Teil, ist sich Reiseberaterin Kausche sicher. Der Großteil der Leute werde sich den Urlaub weiterhin gönnen, doch die Häufigkeit des Verreisens werde abnehmen. "Für ein Wochenende nach Mallorca, das wird ausfallen, und das finde ich auch gut."
Vier Schritte für mehr Nachhaltigkeit beim Reisen
Forscher Zeiss empfiehlt vier Schritte, um eigene Urlaube und Reisen auf Nachhaltigkeit zu überprüfen. Dabei gehe es nicht nur um Klimaverträglichkeit. "Nachhaltigkeit beinhaltet auch Naturschutz und soziale Aspekte, etwa ob im Hotel faire Löhne bezahlt werden", sagt Zeiss. Der allererste Schritt wäre, sich darüber zumindest einmal Gedanken zu machen.
Dann sollte man sich die Frage stellen: Wie weit muss ich wirklich reisen, um das zu befriedigen, was ich haben möchte? "Für Strandurlaub reicht es vielleicht bis nach Italien und es muss nicht in die Dominikanische Republik gehen."
Drittens sollte man sich im Voraus gut informieren, denn Nachhaltigkeit müsse nicht zwingend teurer sein, es gebe durchaus günstige nachhaltige Hotels. Und zuletzt sollte im gewählten Urlaubsgebiet nicht zu sehr dem Luxus gefrönt werden: "nicht drei Mal am Tag duschen, nicht täglich neue Handtücher verlangen und die Klimaanlage muss auch nicht permanent laufen".