Türkei-Experte Bartelt: "Fair waren diese Wahlen nie"
Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl in der Türkei kommt es zur Stichwahl zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und Herausforderer Kemal Kilicdaroglu. Experte Dawid Bartelt kritisierte auf NDR Info Erdogans Vorgehen im Vorfeld des Urnengangs.
Auch wenn es kaum auffällige Unregelmäßigkeiten bei den türkischen Parlaments- und Präsidentenwahlen am Sonntag gegeben habe, ist für Dawid Bartelt, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul, klar: "Fair waren diese Wahlen nie." Erdogans Regierung kontrolliere die Medien und habe mächtige Gegenspieler wie den Istanbuler Bürgermeister durch einen fragwürdigen Prozess weit im Vorfeld außer Gefecht gesetzt, sodass dieser nicht zum Gegenkandidaten werden konnte.
Die Zeit bis zur Stichwahl am 28. Mai werde Erdogan mit seinem Machtapparat nutzen, um darauf hinzuweisen, dass er sowieso schon fast gewonnen habe und dass die Opposition schwach sei und keine Alternative bieten könne.
"Wechselstimmung wurde überschätzt"
Generell sei die Wechselstimmung überschätzt worden, sagte Bartelt am Montag im NDR Info Interview. "Erdogan ist es gelungen, und das ist Teil seiner politischen Strategie schon seit Jahren, sich selber abzutrennen von den Geschehnissen des Alltags." Er geriere sich als "Vater der Nation", der es auch in Krisenzeiten schon richten werde.
Zwei große Krisen hätten dem Präsidenten große Schwierigkeiten bereiten können, meint Bartelt. Zum einen die Wirtschaftskrise mit hoher Inflation, zum anderen die Erdbeben-Katastrophe aus dem Frühjahr, bei der auch Vorwürfe der Korruption und des mangelnden Krisenmanagements im Raum stehen. "All das ist aber offenbar an ihm abgeperlt", so Bartelt. Auch seiner Partei AKP habe das kaum geschadet.
Viele Menschen würden Erdogan zugute halten, dass er in den vergangenen zwanzig Jahren große Erfolge erzielt habe, die allerdings in den letzten Jahren weniger geworden seien. Die Opposition sei zudem für viele Wähler nicht so überzeugend gewesen als Alternative.