Sicherheit auf Busreisen: "Am stressigsten sind die Baustellen"
Bei zwei schweren Busunfällen in der vergangenen Woche sind vier Menschen gestorben und Dutzende verletzt worden. In der Sendung NDR Info live haben Experten am Donnerstag über die Sicherheit von Reisebussen diskutiert.
Busreisen seien ein vergleichsweise sicheres Reisen, sagte Kirstin Zeidler, die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer: "Unfälle sind selten. Aber wenn sie doch stattfinden, sind sie häufig schwer und mit vielen Betroffenen." Wenn bei Busreisen Unfälle passierten, könne das unterschiedliche Gründe haben - menschliche oder technische - oder sie könnten durch Dritte ausgelöst werden, so Zeidler.
Busfahrer: Stressiger Job, aber mit Ruhezeiten machbar
Finn Peters ist Fernbus-Fahrer aus Neumünster - er wurde für die Sendung bei einer Rast auf der Fahrt nach Paris befragt und dann im Livestream zugeschaltet. Peters berichtete, dass er um 4 Uhr morgens aufstehen musste und dann um 6 Uhr in Schleswig-Holstein mit seiner Reisegruppe losgefahren sei. Er sei aufgrund der Lenk- und Ruhezeiten noch mit einem weiteren Fahrer unterwegs. "Wir teilen uns die Strecke und machen alle zwei bis zweieinhalb Stunden Pause, das ist auch für die Gäste gut." Am stressigsten auf einer langen Fahrt seien Baustellen auf den Autobahnen und der immer mehr zunehmende Verkehr, so Peters: "Und die Zeit im Nacken zu haben, noch rechtzeitig beim Hotel anzukommen." Wenn man tatsächlich - wie erlaubt - bis zu 56 Stunden in einer Woche im Einsatz sei, sei das "schon eine anstrengende Woche. Es ist aber mit unseren Ruhezeiten machbar".
Sicherheits-Expertin: "Der Gurt ist sehr entscheidend"
Nach dem Flugzeug und der Bahn gelten Busse als sicherstes Verkehrsmittel. Das Risiko, in einem Bus zu verunglücken, ist statistisch gesehen geringer als im eigenen Pkw oder etwa auf einem E-Scooter. Aber wenn es doch zum Unfall mit einem Bus kommt, sind die Folgen oft gravierend. Expertin Zeidler meint: "Der Gurt ist sehr entscheidend - im schlimmsten Fall zwischen Leben und Tod." Es sei aber schwierig zu überwachen, ob alle Fahrgäste angeschnallt sind. "Vielleicht sollte man drüber nachdenken, Sicherheitshinweise wie im Flugzeug vor den Sitzen zu deponieren." Auch eine automatische Erinnerung für die Fahrgäste, sich anzugurten, wäre nützlich, meint Zeidler. Busfahrer Peters betonte ebenfalls, dass die Mitfahrenden immer wieder an die Anschnall-Pflicht erinnert werden müssten. "Aber wir haben sehr gute Reisegäste, die hören zum Glück immer."
Bald kommen Warn-Geräte bei Müdigkeit und Ablenkung
Für die Busfahrerinnen und -fahrer gibt inzwischen viele technische Hilfseinrichtungen: Zeidler verwies darauf, dass seit 2015 Spurhalte-Assistenten in neuen Reisebussen vorgeschrieben sind. Die Geräte seien bereits in den meisten Bussen vorhanden, weil die Fahrzeuge häufig ausgetauscht würden. "Sie sollen dafür sorgen, dass man gewarnt wird, wenn man leicht von der Spur abkommt." Zudem gebe es inzwischen Notbrems-Assistenten "und ein, zwei andere Sachen". Ab Juli dieses Jahres seien zudem Warngeräte bei Müdigkeit und etwas später auch bei Ablenkung des Fahrenden vorgeschrieben: "Es wird aber ein bisschen dauern, bis sich das in der Flotte durchgesetzt hat." Sie sei aber optimistisch, dass die Unternehmen diese rasch einsetzen, so Zeidler.
Verbands-Geschäftsführer: "Busse heute so sicher wie nie zuvor"
Joachim Schack, Geschäftsführer von Omnibusverband Nord e.V., sagte, Busse seien "heute so sicher wie nie zuvor". Man könne im Grunde von einem "gläsernen Bus" sprechen. Bis Ende des Jahres müsse jeder Reisebus mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sein. Für die Unternehmen sei das teilweise eine teure Angelegenheit. Aber es habe den Vorteil, dass Busse bei Kontrollen nicht mehr zum Auslesen des Fahrtenschreibers angehalten werden müssten, sondern dabei weiterfahren könnten. Zudem gebe es "zahllose Assistenzsysteme" - und viermal im Jahr eine vorgeschriebene Sicherheitsprüfung der Busse. "Das ist ein bunter Strauß an Dingen, die wirklich für eine sehr gute Sicherheit sorgen." Schwierig werde es aber "wenn da menschliches Versagen im Spiel ist". Die mitunter langen Wochenarbeitszeiten seien aber nicht das Problem: "56 Stunden hört sich deutlich schlimmer an, als es ist." Denn danach seien zwingend 45 Stunden Ruhezeit einzuhalten, und pro Tag dürfe auch nicht länger als neun, in Ausnahmefällen zehn Stunden gearbeitet werden - mit den vorgeschriebenen Pausen. "Das hat sich durchaus etabliert. Wir haben keine Hinweise darauf, dass das zu einer Überlastung führt."
Durchschnittlich drei Minuten für Evakuierung eines Busses
Und wenn es doch zu einem Unglück kommt? Schack sagte, Studien zufolge könnten Busse nach einem Unfall in der Regel innerhalb von drei Minuten geräumt werden, Mindestvorgaben gebe es dafür nicht. Eines der Hauptprobleme: wenn ein Bus bei einem Unfall umkippt, danach auf der Seite liegt und die Türen als Haupt-Fluchtwege versperrt sind. Zeidler: "Dann haben sie die Situation, dass sie die Verletzten entweder über die Dachluken, die Rückfenster oder die dann oben liegenden Seitenfenster evakuieren müssen - das kostet wahnsinnig Zeit." Sie sprach sich dafür aus, dass die Frontscheiben von Bussen standardmäßig auch von innen zu öffnen sein müssten, "weil dann wertvolle Zeit gesichert werden kann und nicht verloren geht, bis Rettungsdienste kommen und das von außen machen können". Auch größere Dachluken seien hilfreich, so Zeidler. Ein weiterer Punkt zur Verbesserung der Sicherheit seien breitere Mittelgänge in Bussen, da die Mitfahrenden häufig eher zur älteren Generation gehörten und mitunter Schwierigkeiten hätten, durch die engen Gänge zu kommen.
"Fahrerinnen und Fahrer sind sehr gut ausgewählt"
Schack wies darauf hin, dass Fahrerinnen und Fahrer von Touristik-Bussen "sehr wohl ausgewählt" seien, diese seien ja auch ein "Aushängeschild des Unternehmens" und müssten auch Animateure für die Reisenden sein. "Da ist sehr gut ausgebildetes Personal im Spiel" - ein Bus koste "schnell mal bis zu einer halben Million Euro und jedes Unternehmen wird sich sehr gut überlegen, wem man so einen Bus zur Verfügung stellt".
Im vergangenen Jahr kamen in Deutschland 16 Menschen bei Busunglücken ums Leben. Zuletzt gab es schwere Unfälle auf der A9 und der A44 mit mehreren Toten und Verletzten.