Pilotprojekt Grevesmühlen: Die erste demenzfreundliche Stadt in MV
Rund 300 der insgesamt 10.000 Einwohner von Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern leben mit Demenz. Viele kleine Veränderungen in der Stadt sollen ihnen und ihren Angehörigen das Leben künftig leichter machen.
In Deutschland haben etwa 1,8 Millionen Menschen eine Demenzerkrankung. Besonders in Regionen, in denen wie in Mecklenburg-Vorpommern viele alte Menschen wohnen, ist die Zahl der Betroffenen hoch. Am Anfang vergessen die Erkrankten Dinge, die erst vor Kurzem passiert sind und können sich nichts mehr merken. Später verschwinden auch Erinnerungen, die schon länger zurückliegen. Viele schämen sich für die Symptome, isolieren sich - und damit nicht selten auch ihre Angehörigen.
Demenz ist in Grevesmühlen ein "Riesen-Thema"
Die Stadt Grevesmühlen will das ändern und zu einer "demenzfreundlichen Kommune" werden - der ersten in Mecklenburg-Vorpommern. Rund 300 Menschen sind hier von der Krankheit betroffen. Bürgermeister Lars Prahler: "Wir sind eine ganz normale Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern und Demenz ist hier ein Riesen-Thema. Ganz ehrlich: Ich wurde angesprochen, dass ich was tun soll. Und dann muss man als Bürgermeister was tun."
Drei Monate lang haben sich Bürgerinnen und Bürger aus den Bereichen Pflege, Gewerbe, Ehrenamt und Stadtentwicklung sowie Angehörige von Demenzkranken getroffen und in Workshops Ideen entwickelt, wie das Leben in Grevensmühlen für Betroffene leichter werden kann. Nun wurden die Ergebnisse vorgestellt.
So sollen die Produkte in den Geschäften künftig nicht mehr umgeräumt werden, sondern alles einen festen Platz haben, damit es leichter gefunden wird. In der Stadt sollen Plakate die Bevölkerung über die Krankheit aufklären. Und Mitarbeiter von Banken, Arztpraxen und Öffentlichem Nahverkehr werden im Umgang mit Dementen geschult.
Solche Schulungen führten zu mehr Toleranz und Verständnis, sagt Stefan Teipel, Professor für Klinische Demenzforschung an der Universität Rostock und nennt ein Beispiel: "Wenn die Beschäftigten im Öffentlichen Nahrverkehr eine Grundidee davon haben, was Demenz ist, können sie mit Betroffenen einfacher umgehen. Sie verstehen dann, warum sich jemand im Bus nicht gleich die richtige Fahrkarte kauft oder länger braucht, um den Weg zu finden."
Ehrenamtliche entlasten Angehörige
Ein weiterer Baustein des Projekts: Um Angehörige zu entlasten, sollen mehr Ehrenamtler eingesetzt werden. Die Pflegeheim-Leiterin Cindy Reichert hat einen Workshop geleitet - und kennt ein Ehepaar, bei dem diese Art Unterstützung bereits gut funktioniert.
Sie erzählt: "Der Mann ist unheimlich gerne in den Baumarkt gegangen, konnte seine Frau aber nicht mehr alleine lassen, Dann haben wir eine Ehrenamtliche zu ihnen geschickt, die die Frau jede Woche zwei Stunden betreut hat. Und der Mann ist für diese zwei Stunden im Baumarkt gewesen, das war für ihn Entspannung und Entlastung."
Verständnis und Respekt für Demenzerkrankte
Beim Punkt Aufklärungsarbeit und Verständnis wurde die Stadt von Lieselotte Klotz unterstützt. Die 63-Jährige aus Kühlungsborn hat selbst Demenz und engagiert sich für die Alzheimer Gesellschaft Mecklenburg-Vorpommern. An schlechten Tagen könne sie nicht aus dem Haus gehen, weil ihr die Kraft fehle, ihre Gedanken zu sortieren, sagt sie. Dennoch darf man Demenzpatienten ihrer Meinung nach nicht abstempeln. Klotz: "Wie oft höre ich die Frage, wenn jemand hört, dass ich Demenz habe: Kann man mit der denn reden? Und dann sage ich immer: Jaaa! Mit mir kannst du reden."
Grevesmühlen ist in Mecklenburg-Vorpommern Pilotstadt für eine demenzfreundliche Kommune - und will damit auch Vorbild sein für andere. Bürgermeister Prahler hofft, dass viele weitere Städte folgen werden.