Ostermärsche: Wie steht es um den Nachwuchs?

Stand: 29.03.2024 21:24 Uhr

Über die Ostertage finden an vielen Orten im Norden Ostermärsche statt. Experten meinen, dass die Bewegung immer älter wird und den Anschluss an die junge Generation verliert.

von Anina Pommerenke

An einer großen Straßenkreuzung im Hamburger Grindelviertel: Domenica Winkler befestigt gemeinsam mit einer kleinen Gruppe Aktivistinnen Plakate mit Hilfe von Kabelbindern an Ampeln. Ein großes weißes Peace-Zeichen auf blauem Untergrund, es soll die Passanten auf den Hamburger Ostermarsch am Montag aufmerksam machen. Für die 35 Jahre alte Studentin ein Pflichttermin. Seit fünf Jahren engagiert sie sich bei der Volksinitiative "Ziviler Hafen" gegen Rüstungsexporte aus dem Hamburger Hafen. Die Initiative ist mit einem eigenen Aufruf am Ostermarsch beteiligt.

Keine Waffenexporte aus dem Hamburger Hafen

Domenica Winkler möchte einen Politikwechsel. Sie glaubt, dass jetzt Diplomatie, Völkerverständigung und die konsequente Durchsetzung von Menschenrechten angebracht wären. Vorwürfe, diese Forderungen seien naiv, weist sie konsequent zurück. Ihrer Meinung nach wäre es ein guter erster Schritt, wenn aus dem Hamburger Hafen keine Waffen mehr geliefert würden. Von der Aufrüstungsspirale würden ohnehin nur die Rüstungskonzerne profitieren, so die Studentin.

Sie wünscht sich, dass die Bewegung jetzt offensiver Frieden einfordert. Auch die Wiederaufnahme der Städte-Partnerschaft mit Sankt Petersburg würde sie im Sinne der Völkerverständigung begrüßen. Mit den Plakaten und Flyeraktionen sollen auch neue Mitstreiter angesprochen werden: "Nicht alle kennen die Ostermärsche und wissen, was damit bisher erreicht wurde." Sie findet, dass die Ostermärsche in ihrer jetzigen Form einen wichtigen Beitrag für den Frieden leisten.

Friedensinitiative Altona: Jeden Sonnabend in der Fußgängerzone

Auf dem Bild sind Aktivisten der Friedensbewegung Altona zu sehen. Sie halten ein Banner in die Kamera, mit dem sie auf die Krisen auf der Welt aufmerksam machen wollen. © x Foto: Karim Akerma
Mit teils selbstgenähten Bannern stehen die Aktiven von FriedA jeden Sonnabend bei Wind und Wetter in der Fußgängerzone.

Der noch recht junge Ableger der Friedensinitiative in Hamburg-Altona, kurz FriedA, sucht neue Wege, um die Themen der Bewegung in die Gesellschaft zu tragen. Auch abseits der großen Aktionstage möchten die rund 30 Aktiven mit Menschen über das Thema Frieden sprechen. Seit zwei Jahren stehen sie daher jeden Sonnabend vor einem großen Möbelhaus in einer Altonaer Einkaufsstraße. Mit dabei: selbst gestaltete Flyer, Stellwände oder Karten, die zeigen, wo es in der Welt aktuell Konflikte gibt. Karim Akerma, Jahrgang 1965, gehört zum harten Kern der Gruppe und teilt den Eindruck, dass sich nur wenige junge Menschen in der Bewegung engagieren.

Friedensinitiative altmodisch - auch im äußeren Erscheinungsbild

Akerma erklärt sich das damit, dass die Friedensbewegung einen altmodischen Ruf haben könnte: "Das haben die Eltern schon gemacht und da möchte man sich dann vielleicht, wie in vielem anderen auch, ein bisschen emanzipieren." Auch das äußere Erscheinungsbild könnte seiner Meinung nach ein Hemmnis sein: "Man sieht da ein Häuflein älterer Menschen jenseits der Mitte 50 und hat dann auch Hemmungen, sich dazuzugesellen", so seine Vermutung. Hinzu kommt allerdings auch, dass man die Altonaer Initiative weder im Internet noch in den sozialen Netzwerken findet.

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Aus Hamburg kommende Demonstranten auf ihrem Marsch am 18. April 1960: Demonstranten in Regenkleidung halten Plakate wie 'Atomare Aufrüstung bedeutet Krieg und Elend'. © picture-alliance / dpa Foto: Marek

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Friedensforscher: "Friedensbewegung muss bunter werden."

Der Friedensforscher Tobias Debiel von der Uni Duisburg-Essen warnt, die Friedensaktivisten verlören den Anschluss an die jüngeren Generationen. "Die Ostermarschbewegung versteht es nicht ausreichend, neue Bündnisse zu schmieden und viele ihrer althergebrachten Forderungen zu hinterfragen“, sagt der stellvertretende Direktor des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) dem Evangelischen Pressedienst. Für viele jüngere Menschen sei es uncool, auf Demos zu gehen, bei denen viele älter als die eigenen Eltern seien. “Um auch für Jüngere attraktiv zu sein, muss es von den Aktionen, Rede- und Kulturbeiträgen her bunter werden", so der Wissenschaftler.

"Abgrenzung von rechts und prorussischen Kräften fehlt!"

Das Bild zeigt die wissenschaftliche Direktorin des in Hamburg ansässigen Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik © IFSH
Friedensforscherin Ursula Schröder glaubt, dass die Friedensbewegung in ihrer jetzigen Form keine politische Schlagkraft hat.

Für Ursula Schröder, Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, sind anachronistische Mobilisierungsversuche mit Flyern und Mahnwachen nur ein Grund von vielen, warum die junge Generation nicht mehr erreicht werde. Ihr fehlt darüber hinaus eine klare Abgrenzung von rechts und prorussischen Kräften und ebenfalls Anknüpfungspunkte an neue Themen wie Umwelt und soziale Fragen. Außerdem bleibe unklar, wie genau der eingeforderte Frieden erreicht werden soll.

Schröder sieht auch in der dezentralen Organisation der Bewegung Herausforderungen: Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Aufrufe sei den Teilnehmenden teilweise gar nicht klar, wofür oder wogegen sie demonstrieren sollen: "Das ist gerade bei hochumstrittenen Themen wie Gaza oder Waffenlieferungen in die Ukraine natürlich schwierig für die Mobilisierung, wenn es keine ganz klaren Forderungen gibt."

In der aktuellen Form langfristig keine politische Kraft

Ursula Schröder geht mit ihrer Kritik sogar noch weiter: Momentan gebe es keine Friedensbewegung, die diesen Namen verdient hätte, findet sie. Eine Bewegung müsse einen gewissen Umfang und Größe haben und das Potenzial aufbringen, neue Protestformen umzusetzen und Menschen zu mobilisieren: "Wir sehen aktuell eine ältere Ostermarschbewegung, die auf Themen aus den 80er-Jahren Bezug nimmt."

Dabei gebe es durchaus Protest- und Demonstrationspotenzial in der Gesellschaft, das hätten die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus jüngst mehr als deutlich gezeigt. Wenn sich die Bewegung nicht neu aufstelle, werde sie in der aktuellen Form langfristig keine politische Kraft mehr haben, so die Friedensforscherin.

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"Nein! zu Krieg und Aufrüstung" steht auf einem Banner von Teilnehmern eines Ostermarsches, die am 30. März 2024 vor dem Gelände des Rüstungskonzerns Rheinmetall in Unterlüß im Landkreis Celle demonstrieren. © dpa-Bildfunk Foto:  -/dpa

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NDR Info | NDR Info | 28.03.2024 | 16:00 Uhr

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