NDR Kiel: Keine systematischen Verstöße gegen Programmgrundsätze
Nach Vorwürfen gegen einzelne Führungskräfte des NDR in Schleswig-Holstein haben externe Gutachter der Beratungsfirma Deloitte ihren Prüfbericht vorgestellt. Demnach wurden im Kieler Landesfunkhaus keine systematischen Verstöße gegen die Programmgrundsätze des Senders festgestellt.
Mehrere Medien hatten Ende August berichtet, es gebe im Kieler Landesfunkhaus einen "politischen Filter". Im Gutachten der Beratungsfirma Deloitte, das am Mittwoch bei einer Pressekonferenz vorgestellt wurde, finden sich dafür aber keine Belege. "Basierend auf der Untersuchung liegen uns keine Hinweise auf systematische oder bewusste Verstöße gegen die Programmgrundsätze des NDR im Programm des LFH SH vor, insbesondere im Kontext der landespolitischen Berichterstattung", heißt es in dem Bericht. Die Untersuchung hatte der Landesrundfunkrat in Auftrag gegeben.
Mangelhafte Kommunikation und intransparentes Beschwerdemanagement
Bei den geprüften sechs Fällen machen die Prüfer mangelhafte Kommunikation, ein unklares Rollenverständnis einzelner Führungskräfte sowie mangelnde Sensibilität im Hinblick auf Beschwerden von außen und Compliance-Fragen als die zentralen Probleme beim NDR in Kiel aus. Journalistische Prinzipien sind demnach aber nicht systematisch verletzt worden. Eine interne Untersuchung des NDR war zuvor bereits zu einem ähnlichen Schluss gekommen.
Sechs Fälle untersucht
Für den Bericht hatte Deloitte mit 30 Mitarbeitenden rund 100 Stunden lang gesprochen und zudem den internen Prüfbericht und E-Mails sowie die fraglichen Programmbeiträge gesichtet. Zu den im Rahmen der sogenannten forensischen Untersuchung betrachteten sechs Fällen zählten die Berichterstattungen über Verschickungskinder und die Rolle des Deutschen Roten Kreuzes, den Bauerntag 2020 sowie über den Rücktritt von Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU). Geprüft wurden auch Vorwürfe im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Berichterstattung über einen Verkehrsunfall von einem landespolitischen Sprecher unter Alkoholeinfluss und die Programmbeschwerde des Direktors einer Landesbehörde. Der letzte Fall betraf die Aktivitäten des Partners eines NDR Programmmitarbeiters im Kommunalwahlkampf.
Landesrundfunkrat: Schwachstellen identifiziert - NDR ist gefragt
"Im Landesfunkhaus wird nach journalistischen Kriterien gearbeitet und in Summe ausgewogen berichtet", sagte die Vorsitzende des Landesrundfunkrats, Laura Pooth. Gleichwohl habe der Bericht Schwachstellen identifiziert: etwa die Nichteinhaltung korrekter und transparenter Beschwerdewege. Nun müsse der NDR schnell reagieren.
Beschwerden müssten transparent dokumentiert werden und gemäß NDR Staatsvertrag dem Landesrundfunkrat zugeleitet werden, sagte Pooth bei der Pressekonferenz. Zugleich gelte es, die internen Wege zur journalistischen Konfliktbeilegung stärker zu nutzen. Desweiteren müsste mehr für die Sensibilisierung einzelner Mitarbeiter für politische Compliance-Regeln getan werden. Denn schon der Anschein der Bestechlichkeit sei zu vermeiden. Es dürften keine Zweifel an der Unabhängigkeit der Berichterstattung aufkommen.
Intendant Joachim Knuth: Offenheit ist wirksamster Schutz
"Die Norddeutschen können sich darauf verlassen, dass im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein unabhängig und nach nachvollziehbaren journalistischen Kriterien gearbeitet wird", sagte NDR Intendant Joachim Knuth. Gleichzeitig zeige die differenzierte Prüfung, dass sensibler mit Programmkonflikten umgegangen werden müsse. Bestehende Regeln müssten noch klarer gehandhabt und kommuniziert werden. "Offenheit ist an dieser Stelle der wirksamste Schutz, um Verdachtsmomente erst gar nicht aufkommen zu lassen", so Knuth.
Stein: "Es gab keine politische Einflussnahme"
Nachdem durch die Presseberichte im Sommer Vorwürfe gegen Chefredakteur Norbert Lorentzen und Politikchefin Julia Stein publik geworden waren, hatte Funkhaus-Chef Volker Thormählen personelle Konsequenzen gezogen. Stein und Lorentzen sind nicht mehr in ihrer bisherigen Funktion tätig und sollten neue Aufgaben außerhalb des Landesfunkhauses Kiel bekommen.
"Ich bin erleichtert, dass am Ende nichts bleibt von den schwerwiegenden Vorwürfen gegen meine Arbeit", sagte Stein nach der Vorstellung des Deloitte-Berichts. "Es gab keine politische Einflussnahme und keine unterdrückten Recherchen." Die Vorwürfe hätten die Stimmung im Haus stark belastet, doch nun wisse man, dass sie haltlos gewesen seien. Für die externe und unabhängige Aufklärung sei sie dankbar.
Ähnlich äußerte sich Norbert Lorentzen: "Nun liegen endlich Fakten vor. Sie sprechen eine eindeutige Sprache: Sämtliche uns gemachten Vorwürfe sind haltlos. Unser Handeln war darauf ausgerichtet, für Schleswig-Holstein eine aktuelle, transparente und ausgewogene landespolitische Berichterstattung zu gewährleisten."
Zu Ende ist die Aufarbeitung noch nicht. Zurzeit untersucht ein weiteres externes Expertenteam das Betriebsklima im gesamten NDR. Die Ergebnisse sollen Anfang kommenden Jahres vorliegen.