Blick auf das Logo des deutschen Gas- und Ölproduzenten Wintershall Dea vor dem Geschäftsgebäude am Standort Kassel. © picture alliance/dpa | Swen Pförtner Foto: Swen Pförtner
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AUDIO: Wintershall Dea gibt Russland-Geschäft auf (5 Min)

Milliarden-Verlust: Wintershall Dea prüft Anspruch auf staatliche Hilfen

Stand: 19.01.2023 23:02 Uhr

Der Erdgaskonzern Wintershall Dea hat seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine durch seine Gasfördergeschäfte in Sibirien 5,3 Milliarden Euro Verlust gemacht. Weil die Bundesregierung diese Geschäfte mit mindestens 1,8 Milliarden Euro abgesichert hat, kann sich Wintershall Dea einen Teil seines Verlusts nun wahrscheinlich durch Steuergelder ersetzen lassen.

von Alexa Höber und Susanne Tappe

Das Unternehmen mit Sitz in Hamburg und Kassel hat dem NDR auf Anfrage mitgeteilt, das Management prüfe jetzt, alle bestehenden Garantien und Versicherungen in Anspruch zu nehmen, um Schaden für das Unternehmen, seine Mitarbeitenden und Aktionäre abzuwenden oder zumindest abzumildern. Dazu ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft gesetzlich verpflichtet. Außerdem habe man für diese Absicherung seit vielen Jahren jährlich Prämien in Millionenhöhe gezahlt, so Wintershall Dea.

Die Garantien des Bundes deckten eine Reihe politischer Risiken ab, so Wintershall Dea gegenüber dem NDR. Darunter Enteignung, Verstaatlichung, Krieg sowie Zahlungsembargos oder -einstellungen. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte auf Anfrage mit, Wintershall Dea habe in den Jahren 2006 bis 2016 Garantien des Bundes für Investitionen in Russland beantragt.

Die teuren Folgen eines Tauschgeschäfts

Das Engagement in Sibirien, das Wintershall Dea und den Steuerzahler nun Milliarden kosten könnte, geht auf ein Tauschgeschäft von 2015 zurück. Damals - nach der russischen Annexion der Krim - ging unter anderem der Gasspeicher im niedersächsischen Rehden, der zu diesem Zeitpunkt BASF und Gazprom gemeinsam gehörte, zu 100 Prozent an Gazprom. Im Gegenzug erhielt die BASF-Tochter Wintershall Dea die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit dem russischen Energieriesen Gazprom in Sibirien Gas zu fördern. 

Verlustgeschäft seit Beginn des Ukraine-Kriegs

Nach Beginn des Krieges in der Ukraine zog sich Wintershall Dea nicht so wie viele andere Unternehmen aus Russland zurück, sondern förderte dort weiter Gas. Dieses Gas musste Wintershall Dea direkt nach der Förderung - quasi noch am Bohrloch - an den russischen Staatskonzern Gazprom verkaufen. Denn Gazprom genießt in Russland ein Exportmonopol. Durch ein Dekret des russischen Präsidenten Wladimir Putin und einen Beschluss der russischen Regierung seien die Preise, zu denen das geförderte Gas von Wintershall Dea an Gazprom verkauft werden konnte, nachträglich gedeckelt worden, teilt Wintershall Dea dem NDR mit. Das habe quasi zu einer wirtschaftlichen Enteignung geführt.

Sigmar Gabriels problematische Entscheidung

Das im Rückblick fatale Tauschgeschäft von BASF und Gazprom - Deutschlands größter Gasspeicher in Rehden gegen Förderrechte in Sibirien - hatte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) 2015 genehmigt. Und zwar ohne ein Investitionsprüfverfahren, um damit mögliche Risiken des Geschäfts für die Bundesrepublik Deutschland zu klären. So ein Verfahren sei damals rechtlich nicht vorgeschrieben gewesen, teilt das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage mit. Das sei heute anders.

Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 verschärfte dieses Tauschgeschäft massiv die folgende Gaskrise in Deutschland. Denn der "neue" Eigentümer Gazprom hatte bereits seit Herbst 2021 die Befüllung von Deutschlands größtem Gasspeicher stark verringert und musste von der Bundesregierung schließlich enteignet werden. Anschließend stellte die Bundesregierung Milliarden Euro zur Verfügung, damit kurzfristig Gas für die deutschen Speicher angekauft werden konnte - ein äußerst teures Geschäft.

Hätte der Milliardenverlust vermieden werden können?

Das Bundeswirtschaftsministerium wird nun prüfen, ob alle Bedingungen erfüllt sind, so dass die Investitionsgarantien des Bundes für das Verlustgeschäft von Wintershall Dea in Sibirien greifen. Es stellt sich die Frage, ob der Verlust und damit der Schaden für die Steuerzahler durch Wintershall Dea hätte vermieden oder zumindest begrenzt werden können.

Denn: Laut Wintershall Dea schränkte ein russisches Präsidialdekret schon am 5. März 2022 die Dividendenausschüttung der russischen  Gemeinschaftsunternehmen an Wintershall Dea ein. Seit Kriegsbeginn seien keine Dividenden aus den gemeinsamen Unternehmungen mit Gazprom in Sibirien an Wintershall Dea mehr ausgezahlt worden, teilte das Unternehmen dem NDR mit. Bereits Ende April 2022 räumte Wintershall Dea auf einer Pressekonferenz außerdem ein, dass sich Geld auf den russischen Geschäftskonten nicht mehr so einfach nach Deutschland transferieren lasse. Trotzdem förderte Wintershall Dea noch monatelang weiter Gas in Russland und prüft offiziell erst jetzt, ob es sich den dadurch entstandenen Verlust durch deutsches Steuergeld ersetzen lassen kann.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Wirtschaft | 19.01.2023 | 06:39 Uhr

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