KI im Krankenhaus: Wenn ein Bot den Arztbrief schreibt
Wird ein Patient aus dem Krankenhaus entlassen, bekommt er einen Arztbrief ausgehändigt, der etwa für die Weiterbehandlung beim Hausarzt wichtig ist. Die Berichte kosten Ärztinnen und Ärzte viel Zeit. Am Hamburger UKE lassen sie sich dafür nun von Künstlicher Intelligenz helfen.
Julius Obergassel blickt gespannt auf seinen Bildschirm. Dort erscheint ein Text, den der Kardiologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bis vor Kurzem noch komplett selbst geschrieben hätte. Es ist der Entlassungsbericht für einen Herzpatienten - formuliert vom KI-Sprachmodell "Argo", das am UKE entwickelt wurde.
Obergassel sieht sich den Bericht an und ist zufrieden. Für diesen Arztbrief hat "Argo" nicht mal zwei Minuten gebraucht. Ohne Künstliche Intelligenz dauere so etwas im Durchschnitt etwa 24 Minuten, meint Obergassel. "Das ist eine Dokumentationshilfe und kann dem Arzt helfen, schnell verschiedene Entwürfe zu erhalten und massiv Zeit einzusparen", sagt der Kardiologe. In Deutschland werden jedes Jahr rund 150 Millionen solcher Schreiben erstellt - bislang weitgehend in Handarbeit.
UKE nutzt Patientenakten als Trainingsdaten für die KI
Die digitale Patientenakte, die es im UKE schon seit 15 Jahren gibt, ist die Basis für den KI-Arztbrief. Am Uniklinikum wurden rund sieben Millionen Fälle erfasst - eine der größten medizinischen Datensammlungen im deutschsprachigen Raum. Es ist der perfekte Trainingsplatz für das KI-System.
"Argo" habe Patientenakten und Arztbriefe der Vergangenheit analysiert und so Zusammenhänge erlernt, erklärt Obergassel. Jetzt sei es direkt an das klinische Informationssystem angebunden. "Das heißt, ich als Arzt kann aus der Patientenakte auf einen Knopf drücken, dann werden die Daten dieses einzelnen Patienten an 'Argo' übertragen." Die Daten verlassen das UKE dabei nicht.
Das letzte Wort haben Ärztinnen und Ärzte
Am Ende überprüft jeder Mediziner, ob die KI auch wirklich alle Details berücksichtigt hat oder möglicherweise auch etwas dazufantasiert hat, wie man es zum Beispiel von "ChatGPT" kennt. "Diese Systeme sind Werkzeuge, so muss man das verstehen", betont Obergassel. Der Arztbrief werde nicht automatisch von der KI verschickt, sondern weiter von Medizinern bearbeitet, die die Verantwortung tragen. Der Zeitaufwand sinke aber von 24 auf vielleicht 6 Minuten.
Bald könnte KI auch bei Diagnose und Therapie helfen
Die Entwicklung weiterer Anwendungsmöglichkeiten von KI im Krankenhaus läuft nicht nur im UKE auf Hochtouren. Schon bald könnte Künstliche Intelligenz etwa auch bei der Diagnose und der Therapie helfen.
Der Mathematiker und KI-Experte Dario Antweiler vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme in St. Augustin bei Bonn nennt ein Beispiel: Seit ein paar Jahren gebe es Matten, die man ins Krankenbett lege, so Antweiler. "Diese Matten zeichnen letztendlich Bewegungen auf, können auch Temperatur und Druck aufzeichnen." Die Hoffnung sei, aus diesen Daten mittels KI-Verfahren frühzeitig zu erkennen, ob ein Patient der Gesundung entgegengeht oder ob sich sein Zustand verschlechtere, sodass man schnell gegensteuern könne, schildert Antweiler.
"Perfekter Begleiter für fast jeden Prozess im Krankenhaus"
Noch würden die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz in deutschen Krankenhäusern viel zu wenig genutzt, meint der Experte. Dabei sei der Bedarf riesig. Überall wo Menschen miteinander reden, Dinge dokumentiert und Entscheidungen getroffen werden müssten, sei es sinnvoll, den aktuellen Fall in den Kontext von Tausenden vorherigen Fällen zu setzen, so Antweiler. "Eine KI kann sich Millionen vergangener Fälle merken, wird nicht müde und muss auch keinen Urlaub nehmen." Sie sei ein perfekter Begleiter für fast jeden Prozess im Krankenhaus.