Sendedatum: 13.09.2016 08:08 Uhr

Handy am Steuer: Am häufigsten auf der Autobahn

Trotz hoher Unfallgefahr nehmen Autofahrer ihr Handy auf Autobahnen doppelt so häufig in die Hand wie im Stadtverkehr. Zu diesem Ergebnis kommen zwei noch unveröffentlichte Studien der Technischen Universität Braunschweig, die NDR Info und N-JOY vorliegen. Die Wissenschaftler schlagen Alarm.

Ein Autofahrer hält ein Handy in der Hand. © picture-alliance / dpa Foto: Sami Halinen
Überraschenderweise greifen viele Fahrer nicht nur im Stadtverkehr, sondern vor allem auf Autobahnen zum Handy.

Die Verkehrspsychologen registrierten das Tippen auf dem Handy als häufigste Nebenbeschäftigung von Autobahn-Fahrern. 5,8 Prozent waren durch Tippen abgelenkt, weitere 1,5 Prozent hielten das Mobiltelefon ans Ohr. Damit nutzen auf Autobahnen doppelt so viele Fahrer ihr Handy vorschriftswidrig wie im Stadtverkehr. Dort tippten 2,3 Prozent und 1,4 Prozent hielten ihr Telefon zum Sprechen am Ohr. "Das ist die stärkste Form der Ablenkung: Eine Hand weg vom Lenkrad und insbesondere den Blick weg von der Straße - und das häufig erstaunlich lange“, sagt Studienleiter Mark Vollrath. Der Wissenschaftler sieht darin eine Ursache für viele Auffahr-Unfälle auf Autobahnen.

Männer greifen häufiger als Frauen zum Handy

Hendrik aus Lüneburg gibt zu, dass er seine Finger einfach nicht vom Smartphone lassen kann. "Gerade auf Autobahnen und auf langen Strecken, wenn wenig Verkehr ist und einem dann noch ein bisschen langweilig wird, schau ich gerne mal drauf und schreib auch mal die eine oder andere WhatsApp.“ Männer tippen auf Autobahnen fast doppelt so häufig wie Frauen. Das Alter fällt weniger ins Gewicht - es gibt auch viele Sünder unter Senioren. "Das ist auf jeden Fall richtig gefährlich“, weiß auch Hendrik. "Es ist halt so wie bei allen Lastern, die man hat, ob Rauchen oder Alkohol. Man weiß, dass es gefährlich ist, macht es aber trotzdem.“

Unfall-Risiko steigt um das Zwölffache

Mark Vollrath, Verkehrsforscher an der Technischen Universität Braunschweig, © NDR Foto: Elisabeth Weydt
Verkehrsforscher Mark Vollrath leitet seit Jahren Studien zur Handy-Nutzung am Steuer.

Wie oft Handy-Nutzung Ursache von Unfällen und vor allem Auffahr-Unfällen auf Autobahnen ist, wissen die Experten mangels aussagekräftiger Erhebungen nicht. Statistiken aus Ländern wie den USA oder Österreich nennen die Nutzung von Handys als eine der Haupt-Unfallursachen. Das Schreiben einer SMS oder das Eintippen einer Telefonnummer erhöht das Unfallrisiko laut Studien um das Sechs- bis Zwölffache. Inzwischen übersteigt die Zahl der Auffahr-Unfälle die Zahl der Unfälle, die auf Geschwindigkeitsübertretungen zurückzuführen sind. 2015 waren laut Statistischem Bundesamt 48 Prozent der Unfälle mit Personenschaden Auffahr-Unfälle.

Im Gespräch mit N-JOY und NDR Info vermutet Mark Vollrath einen Zusammenhang mit der starken Handy-Nutzung. "Dreieinhalb Sekunden bei Tempo 120 - dann sind Sie 120 Meter blind gefahren. In 120 Metern kann wirklich viel passieren. 120 Meter vorauszuschauen, was der Andere tun wird, ob der bremsen wird, ob da ein Stau-Ende auftaucht - das ist eigentlich unmöglich. Die Gefahren, denen man sich aussetzt, sind immens.“

60 Euro Bußgeld

Telefonieren im Auto ist nur über eine Freisprecheinrichtung erlaubt. Handys dürfen laut Straßenverkehrsordnung während der Fahrt nicht in die Hand genommen und benutzt werden. Verstöße von Autofahrern werden mit 60 Euro Bußgeld und einem Punkt beim Flensburger Kraftfahrtbundesamt geahndet. Wiederholungstätern droht ein Fahrverbot.

Was kann helfen?

Die Wissenschaftler der TU Braunschweig hatten im Frühjahr das Verhalten von 2.022 Autofahrern auf der Autobahn 2 zwischen Hannover und Helmstedt dokumentiert, während sie neben ihnen fuhren. Zeitgleich beobachteten sie 2.966 Autofahrer im Stadtverkehr von Braunschweig. Obwohl laut Forschern die Handy-Nutzung im Stadtverkehr im Vergleich zum vergangenen Jahr leicht zurückgegangen ist, stellt sie immer noch die größte Ablenkung beim Fahren dar. Mit Essen, Trinken und Rauchen beschäftigten sich demnach insgesamt nur 4,4 Prozent der Beobachteten auf der Autobahn und 3,5 Prozent im Stadtverkehr. "Das liegt auch am Reiz des Handys, das ja nicht mehr wegzudenken ist: Man braucht ständig den sozialen Kontakt, muss ständig Nachrichten austauschen“, sagt Vollrath. Helfen würden seiner Meinung nach häufigere Kontrollen sowie eine Ausweitung und Modernisierung des entsprechenden Paragrafen in der Straßenverkehrsordnung.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 13.09.2016 | 08:08 Uhr

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