Grüne Carportdächer: Nachhaltiger Hitzeschutz und Wasserspeicher
Durch den Klimawandel verändern sich auch Handwerksberufe, zum Beispiel der des Dachdeckers. Die Nachfrage nach Solaranlagen und Gründächern steigt. Auch Carports werden begrünt. In Städten wird so die nicht versiegelte Fläche effektiv erweitert.
Martin Granseuer schüttet ein Substrat für sogenannte Sedum-Pflanzen auf das Dach eines Carports im Hamburger Norden. Dabei hat er mit Pflanzen eigentlich nichts zu tun. Er ist Dachdeckermeister und Sachverständiger für Dachgutachten. Aber die Dachbegrünung fällt neuerdings auch in seinen Aufgabenbereich und bei kleineren Dächern, bis etwa 600 Quadratmeter Fläche, übernimmt seine Firma die Bepflanzung selbst. Erst bei größeren Dachflächen werden Garten- und Landschaftsfirmen eingeschaltet.
Besonders hitzeverträgliche Pflanzen kommen auf das Dach
Sedum-Pflanzen sind hitzeverträgliche Dickblattpflanzen. Sie kommen im letzten Schritt, am fünften Arbeitstag bei diesem Carport, auf das Dach. Vorher, erläutert Granseuer, wurde das Carport-Dach neu aufgebaut: "Bei diesem Carport ist es jetzt so gewesen, dass die Abdichtung undicht war, die ganze Unterkonstruktion marode. Das haben wir alles bis auf die Stahl-Unterkonstruktion demontiert und dann quasi einen neuen Dachstuhl erstellt, eine neue Holzschalung und dann ganz wichtig: eine wurzelfeste Abdichtung aufgebracht, jegliche Randanschlüsse mit Blechen erstellt und dann das Grün da raufgebracht." Bis die Sedum-Pflanzen, die sonst häufig in Steingärten vorkommen, blühen, wird ein gutes Jahr vergehen. Genau wie andere Gärten muss auch der Mini-Garten auf dem Carport regelmäßig gepflegt bzw. gewartet werden. Zum Beispiel liegen an den Rändern neben der Substratfläche Kieselsteine, die frei bleiben müssen, damit das Gründach weiterhin seine Funktion erfüllt.
Gründach schützt Carport vor Hitzeschäden
Ein Gründach ist nicht nur eine schicke Garten-Erweiterung, sagt Granseuer. Es hat auch mit Blick auf wärmere Temperaturen und extreme Wetterereignisse wichtige Aufgaben, weil es die Dachabdichtung schützt: "Sie ist dann nicht mehr diesen ganz hohen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Wir haben im Sommer gerne mal 80 Grad Celsius auf dem Dach. Im Winter minus 20 Grad Celsius, das wird ein bisschen in den Spitzen abgemildert. Das Wasser geht nicht direkt in die Kanalisation ein, sondern es wird tatsächlich auf dem Dach zurückgehalten."
Wasserspeicherfunktion vor allem in Städten interessant
Weil die grünen Dächer Regenwasser aufnehmen und dadurch, zum Beispiel bei Starkregen, Sielleitungen vor Überlastung schützen, fördert die Stadt Hamburg seit einigen Jahren begrünte Dächer von Privatpersonen mit bis zu 40 Prozent der Baukosten. Pro Quadratmeter kostet ein solches Gründach um die 230 Euro, bei größeren Flächen wird es günstiger.
Klimawandel verändert den Beruf
Neben Dachbegrünungen bauen Granseuer und seine Kollegen auch immer häufiger Photovoltaikanlagen auf Dächer. Ulrich Marx vom Zentralverband des deutschen Dachdeckerhandwerks zufolge machen beide Bereiche zusammen mittlerweile gut ein Fünftel des Gesamtumsatzes von Dachdeckerfirmen aus. Rund 15.000 Betriebe gibt es in Deutschland. Und ihre Aufgaben werden vielfältiger, sagt Marx: "Es gab eine erste Photovoltaik-Welle vor etwa zehn Jahren, da haben Betriebe schon eine erhöhte Nachfrage beobachtet. Das hing auch damit zusammen, dass die Produktion von Photovoltaik-Modulen sehr stark in Deutschland forciert worden ist." Einen weiteren sehr deutlichen Anstieg der Nachfrage beobachtet er seit dem vergangenen Jahr: "Seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges und der folgenden Energiekrise, da ist der Wunsch nach alternativen Energiequellen besonders stark geworden."
Klimawende: Dachdecker-Handwerk zieht junge Leute an
Dass Dachdecker aktiv an der Klimawende mitarbeiten, zieht junge Leute an, so Ulrich Marx. Seit Jahren gibt es einen konstanten Zuwachs von Auszubildenden. Vor kurzem ist Richard Ockert mit der Ausbildung fertig geworden. Er wurde über eine Info-Veranstaltung der Handwerkskammer auf die Firma in Norderstedt aufmerksam: "Ich wollte auf jeden Fall in den handwerklichen Bereich gehen. Im Sommer ist es geil, im Winter eher weniger, aber was soll man machen. Im Steildachbereich Fenster einbauen, Garagen, mit Blech arbeiten, das macht mir sehr viel Spaß."
Im vergangenen Jahr wurden laut Dachdecker-Zentralverband bundesweit 9.000 Azubi-Neuverträge abgeschlossen. Auch bei Martin Granseuer fangen zum Herbst wieder drei neue Lehrlinge an, insgesamt hat er 23 Mitarbeiter. Die Anfragen und Aufträge würden aber für die doppelte Mannschaft reichen. Weil er so ausgelastet ist, hat es ein Jahr gedauert, bis endlich der Hamburger Carport bearbeitet werden konnte. Seine Prognose: Die Bereiche Wartung, Instandhaltung und Lebensdauer-Verlängerung von Dächern werden noch zunehmen: "Wir werden da unseren Teil zu beitragen und um Arbeit nicht verlegen werden. Es ist ein sehr zukunftssicherer Job."