Gewalt im Freibad: Kaum Vorfälle in Norddeutschland
Schon seit Wochen stehen einige Berliner Freibäder wegen Berichten über Gewalttaten im Fokus. Wie ist die Lage in Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen?
Im Bäderland Billstedt in Hamburg macht Bademeister Attila Yilmaz seinen Kontrollgang im Außenbeckenbereich. Nur wenige Schwimmgäste ziehen ihre Bahnen, denn das Wetter ist bedeckt. Der Hamburger lacht, als drei ältere Damen ihm zurufen, das Wasser sei kalt. Wenn die Sonne scheint, kommen manchmal bis zu 4.000 Badegäste am Tag, wie der 51-jährige Schwimmlehrer erzählt. Aber es spiele keine Rolle, wie viele Menschen hier sind, sondern es gehe um die Zusammenstellung der Gruppen. "Es können 4.000 Leute sein und es ist ein entspannter Tag - es können aber auch nur 500 Badegäste sein und du bist nur am Rennen", sagt er.
Keine Berliner Zustände in Hamburg
Über Gewalttaten in Freibädern unterhält sich Yilmaz auch mit seinen Kollegen und Kolleginnen. Billstedt ist ein kulturell gemischter Stadtteil in Hamburg. Hier im Bäderland Billstedt kam es aber noch nie zu solchen heftigen Auseinandersetzungen wie in Berlin, erzählt Yilmaz, der seit 2009 in diesem Schwimmbad arbeitet. Natürlich würden auch mal brenzlige Situationen entstehen, sagt er. "Gerade wenn es 30, 35 oder 40 Grad warm ist und das an mehreren Tagen, sind die Gemüter erhitzt."
Gewaltausbrüche wie in Berlin entstanden aber nie in diesem Ausmaß, sagt der Schwimmlehrer. Das bestätigt auch Bäderland Hamburg, die 27 Hallen- und Freibäder betreiben. Attila Yilmaz pflegt zu seinen Badegästen einen engen Kontakt. Manchen Familien gibt der Hamburger bereits in der zweiten Generation Schwimmunterricht. Bei vielen Gästen hat er einen lockeren Spruch parat. Zu einem kleinen Jungen, der am Beckenrand sein Frühstück isst, ruft er laut: "Guten Appetit, Bruder". Der Junge lacht und winkt ihm zu.
Keine großen Probleme in Bremen
Auch die Stadt Bremen teilt über die Deutsche Presse-Agentur mit, dass sie die Lage als weitgehend problemlos einschätzt. "Wiederkehrende, größere Auseinandersetzungen in Bremer Freibädern hatten wir in jüngerer Vergangenheit nicht", berichten das Innenressort und die Polizei. Die Badesaison verlaufe bislang ohne große Probleme. Genaue Zahlen zu Einsätzen und Verfahren liegen den Behörden nicht vor.
Niedersachsen meldet Einzelfälle
Niedersachsen schätzt die Lage im Bundesland ebenfalls als unauffällig ein. Eine besondere Häufung polizeilicher Einsätze in bestimmten Freibädern gebe es nicht, so eine Sprecherin des Innenministeriums. Allerdings seien Einzelfälle durchaus bekannt - etwa ein Vorfall am 18. Juni im Badeland Celle: Dort habe eine Gruppe von 15 bis 20 Menschen zwei junge Frauen belästigt.
Aber es seien eben Einzelfälle. Das betont auch Mario Schaeffer vom Bundesverband Deutscher Schwimmmeister (BDS). Er ist Präsident des Landesverbandes Niedersachsen und sagt, in Niedersachsen und Bremen sei die Situation noch wesentlich entspannter als in den Ballungsgebieten von Berlin, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg. "Einige Bäder sind trotzdem dazu übergegangen, Security-Personal einzustellen, um Konflikte im Vorfeld zu verhindern oder um im Bedarfsfall dementsprechend einzugreifen", erklärt er.
Schleswig-Holstein: Sinkende Hemmschwelle von Besuchern
Ähnlich wie in Niedersachsen sieht es in Schleswig-Holstein aus: Jens Popke vom BDS-Landesverband in Schleswig-Holstein und Hamburg bestätigt, dass es Konflikte gebe, aber nicht im großen Ausmaß.
Er weist aber auf ein anderes Phänomen hin, das ihn besorgt: Eine sinkende Hemmschwelle einiger Gäste. Das könne man daran feststellen, dass Besuchergruppen die Schwimmbäder besuchen und nicht mehr der Spaß im Vordergrund stehe, sondern die Auseinandersetzung. "Das haben wir im Flintbeker Schwimmbad gesehen. Dort wurden nagelneue Einrichtungen demoliert und ins Becken geworfen", erzählt der Schwimmlehrer aus Flensburg. Das sei eine Lage, die neu und so auch nicht zu akzeptieren sei. Er fordert mehr Aufklärungsarbeit bei den Jugendlichen, mehr Deeskalationstrainings für Mitarbeitende und klare Grenzen.
Zahl der Straftaten etwas höher als vor Corona
In der Polizeilichen Kriminalstatistik Schleswig-Holstein ist ein geringer Anstieg von Straftaten zu erkennen: Im Jahr 2019 - also vor Corona - lag die Anzahl der Straftaten in allen Schwimmbädern oder Badestellen zwischen Ost und Nordsee bei 436. Im Jahr 2022 waren es 473 Straftaten. Dazu gehören allerdings nicht nur Körperverletzungen (65), sondern auch Beleidigungen (31), Sachbeschädigungen (43) oder schwerer Fahrraddiebstahl (34), sowie sexuelle Belästigung (20) oder Hausfriedensbruch (16).
Im Jahr 2021 lag der Straftatbestand in Schwimmbädern und Badestellen in Schleswig-Holstein bei 279. Ein niedrigerer Wert, der durch Auswirkungen von Corona-Maßnahmen zu erklären sei, so Popke. Denn damals wurden die Besucher vielerorts mit Namen und Adresse erfasst. Popke könnte sich daher vorstellen, dass Bäder wieder mit personengebundenen Tickets - ähnlich wie in der Corona-Pandemie - arbeiten, um eine Nachvollziehbarkeit von Besuchergruppen zu gewährleisten.
Attila Yilmaz wünscht sich mehr Respekt
Schwimmlehrer Attila Yilmaz aus Hamburg Billstedt setzt immer, wenn es mal brenzlig wird, auf deeskalierende Kommunikation auf Augenhöhe. Obwohl er meistens ein gutes Miteinander erlebt, fällt auch ihm eine Veränderung auf: Früher hätte er nur laut pfeifen müssen, dann hätten die Jugendlichen reagiert und sich sofort entschuldigt. Heute sei es anders: "Ich bitte um etwas und dann kommt oft erst mal ein 'Warum' oder 'Aber'. Ich muss viel häufiger diskutieren", sagt Yilmaz.
Er wünscht sich wieder mehr Respekt untereinander und vor allem den Bademeistern und Schwimmtrainerinnen gegenüber. Yilmaz will sich nicht langen Diskussionen stellen müssen - sondern das machen, wofür er da ist: Den Badegästen Sicherheit bieten, damit der Tag im Freibad ein kühlendes Vergnügen für alle ist.