Flüchtlingskrise: Abschottung oder Umarmung?
Es ist wieder wie immer: Angela Merkel lässt sich feiern. Gestern in Stade bei der Zukunftskonferenz ihrer CDU. Die Stimmung ist gelöst, die Mitglieder schießen Fotos von der Kanzlerin auf der Bühne. Obwohl es in der Partei rumort. Die Partei ist zerrissen zwischen der Liebe zu ihrer Kanzlerin und ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik, der viele hier verunsichert.
Hat Merkel vor Seehofer kapituliert?
Schon am Vormittag war ihr ärgster Widersacher der letzten Wochen vor die Kameras getreten: Horst Seehofer. Der CSU-Chef gibt sich keine Mühe, seinen Stolz zu verbergen: "Sie sehen einen zufriedenen Parteivorsitzenden, einen sehr zufriedenen." Die Kanzlerin sei auf seinen Kurs eingeschwenkt, so sieht er es. Er habe sich mit ihr auf die Einrichtung von Transitzonen an der deutsch-österreichischen Grenze geeinigt. Dort sollen Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten und Flüchtlinge ohne Ausweis festgehalten werden. Im Schnellverfahren soll dann über ihren Asylantrag entschieden werden. Seit Wochen hatte Seehofer darum gekämpft.
Ist Merkel vor Seehofer eingeknickt? In Stade wirkt es fast so. "Wir müssen jetzt alle Möglichkeiten, die wir rechtlich haben, auch nutzen", verkündet sie. Wenn Bayern Transitzonen an der Grenze einrichten wolle, dann solle es das tun. Es klingt wie das Ende der merkelschen Willkommenskultur. Vor wenigen Tagen hatte sie bei Anne Will noch ganz anders geklungen: "Deutschland hat 3.000 km Landesgrenze - die können Sie nicht einfach schließen. Da müssten wir um diese 3.000 km einen Zaun bauen. Und dann werden sich die Menschen andere Wege suchen", sagte die Kanzlerin dort.
Parteienforscher: Zwist in der Union entschärft
Immer wieder hat der CSU-Vorsitzende die Kanzlerin in der vergangenen Wochen heftig attackiert und zuletzt sogar eigene Notmaßnahmen angekündigt. Und Merkel ist in den vergangenen Tagen nicht entgangen, dass die meisten CDU-Mitglieder in der Flüchtlingspolitik eher Seehofer nahestehen. Angela Merkel hatte sich nicht nur von Horst Seehofer weit entfernt, sondern auch von ihrer Partei. Mit der Hinwendung zu Seehofer hat Merkel die Konfrontation innerhalb der Union entschärft. So sieht es der Hamburger Politikwissenschaftler Elmar Wiesendahl.
Diese Stimmung hat Merkel gespürt. Sie hat reagiert und Horst Seehofer die Transitzonen zugestanden. Ihr ärgster parteiinterner Kritiker ist damit erst einmal zufrieden gestellt. Dabei ist längst nicht klar, ob die Transitzonen überhaupt kommen. Denn rechtlich sind sie fragwürdig. Und ob sie praktisch umsetzbar sind, ist völlig unklar.
Ein Scheitern der Transitzonen ist Seehofers Problem
Für Elmar Wiesendahl ist das Merkels Taktik. Sie habe die Probleme einkalkuliert: "Wenn die Sache scheitert, ist es Seehofers Problem und nicht Merkels." Die Reihen in der Union jedenfalls hat sie erst einmal geschlossen und ihr Ziel damit erreicht. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Triumph Seehofers – am Ende könnte es seine Niederlage werden. Nämlich dann, wenn die Transitzonen nicht funktionieren.