Ferienzeit - aber kaum Urlaub für Alleinerziehende
In Deutschland kann sich jede fünfte Person nicht einmal eine Woche Urlaub leisten. Das betrifft vor allem Familien mit Kindern und alleinerziehende Personen. 42 Prozent ist der Anteil an Alleinerziehenden, für den in diesem Jahr der Urlaub ausfällt. Das geht aus einer aktuellen Studie von Eurostat, dem Statistikamt der EU, hervor.
Miriam lebt alleine mit ihrem fünfjährigen Kind in Hamburg. Die 33-Jährige kann sich in diesem Sommer Urlaub nur leisten, weil sie von Freunden aus der Kindertagesstätte eingeladen wird. "Für mich ist das letzte Jahr wirklich sehr herausfordernd gewesen. Die Preise steigen überall, insbesondere für Lebensmittel, teilweise kostet meine wöchentliche Einkaufstasche plötzlich 20 Prozent mehr. Ich muss sehr genau planen, gerade mit Obst und Gemüse, das ist besonders teuer."
Geld für Urlaub zu sparen, ist kaum möglich
Die Studentin ist in den Endzügen ihres Bachelors für "Soziale Arbeit" und investiert viel Zeit in ihr Studium. Geld für einen Urlaub zu sparen, ist für sie kaum möglich. Sie lebt von Wohngeld, Studienkrediten, Unterhalt und dem Kindergeld. Damit sie ihre Fixkosten gering halten kann, hat sie bereits ein Angebot von der Caritas wahrgenommen: "Da kommt jemand nach Hause und guckt, wo noch Einsparmöglichkeiten sind. Und dadurch konnten wir tatsächlich auch noch einmal 20 Prozent an Wasser und Strom einsparen", berichtet sie.
Miriam weiß sich zu helfen und kennt die Behörden, bei denen sie sich informieren kann. Der organisatorische Aufwand dafür ist allerdings sehr hoch und für viele bedürftige Menschen nicht umsetzbar. "Es gibt einen Zuschuss über das Bildungs- und Teilhabepaket, das Geld nutzen wir für den Sportverein. Es gibt auch kleine Urlaubsreisen für Alleinerziehende mit Kindern, zum Beispiel von der Albertinen-Stiftung. Aber an diese Information zu kommen, ist so schwierig und funktioniert letztlich nur über Netzwerke." Sie wünscht sich eine Anlaufstelle, die Wissen über Urlaubsmöglichkeiten, Entlastungsmöglichkeiten oder Unterhalt gebündelt an einem Ort zur Verfügung stellt. Auch bei der Antragstellung wäre Unterstützung wichtig, so die Studentin.
Sozialverband Hamburg fordert "Familiengeld"
Klaus Wicher vom Sozialverband Hamburg kennt diese Probleme. Er berichtet außerdem, dass vielen Familien gar nicht bewusst sei, dass sie überhaupt einen Anspruch hätten. Nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums erreicht zum Beispiel der Kinderzuschlag nur etwa jedes dritte berechtigte Kind. Rechnerisch gehen demnach etwa 1,5 Millionen Kinder leer aus. Er fordert die Kindergrundsicherung und ein Familiengeld mit 300 Euro ab dem dritten Kind.
Ein Problem sei außerdem, so Miriam, "dass viele Reiseangebote und auch der Eintritt für den Tierpark oder das Museum sich immer an Familien mit zwei Eltern und zwei Kindern richten. Alle anderen Familienformen, die es noch gibt, werden da nicht berücksichtigt, sodass man dann möglicherweise als Alleinerziehende mit einem Kind den vollen Erwachsenenpreis für ein Kind zahlen muss. Das kann sich keiner leisten“. Sie empfiehlt die selbstorganisierte Reisebörse der Plattform "Solomütter" und Angebote von alleinerziehenden Elternteilen auf Social-Media-Kanälen, die ihre Wohnung kostenlos anbieten, wenn sie verreist sind. Miriam ist sich sicher, dass es ohne privates Netzwerk nicht geht.
"Mein größtes Privileg ist mein Netzwerk aus Freunden und Familie"
Miriam musste erst lernen, nach Hilfe zu fragen, die Hilfe dann anzunehmen und offen mit der Situation umzugehen, sagt sie. "Gerade für Alleinerziehende ist das Thema oft mit Scham behaftet. Das sind manchmal nur Kleinigkeiten, dass jemand sagt: Ich lade euch auf ein Eis ein oder ich bezahle den Schwimmbad-Eintritt. Das ermöglicht mir dann wieder andere Freiheiten und nimmt mir einfach mal ein bisschen Sorge aus dem Kopf. Sodass ich vielleicht auch dann beim Einkaufen sagen kann: Heute gibt es Erdbeeren!" Miriam versucht ihrem Kind auch zu Hause schöne Ferienerlebnisse zu ermöglichen. In ihrem Hamburger Stadtteil gibt es Sommertheater und Kinderkino für kleines Geld. "Letztes Jahr haben wir kleine Spielfiguren in Wasser eingefroren, und dann durfte er die mit Hammer und Meißel rauskloppen", erzählt sie.
Die alleinerziehende Studentin freut sich, dass sie in diesem Sommer mit Freunden verreisen kann. Nächstes Jahr wird der Urlaub sicher ausfallen. Dann stehen große Kosten, wie Einschulung, Schwimmkurs und noch eine Kitareise an. Wenn Miriam in die Zukunft blickt, hat sie gemischte Gefühle: "Wir werden die nächsten Herausforderungen schaffen, aber es ist auch alternativlos. Ich muss es schaffen. Doch ich glaube, dass mein Kind ganz viel aus unserer Lebenssituationen mitnehmen kann. Er hat ein großes Bewusstsein dafür, dass Ressourcen begrenzt sind und kennt unterschiedliche Lebenssituationen. Und er erfährt auch, dass wir nicht allein sind, sondern eingebunden sind in eine Gemeinschaft von Freunden und Familie."