E-Scooter: "Genaue Regeln von Anfang an wären sinnvoller gewesen"
Sollten Leih-E-Scooter auch in norddeutschen Städten verboten werden, so wie in Paris? Oder gibt es clevere Lösungen, damit die Roller weiter genutzt werden können, ohne dass es zu Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer kommt? Darüber haben wir am Mittwoch bei NDR Info live diskutiert.
In Paris und Gelsenkirchen etwa sind E-Scooter zum Ausleihen schon wieder Geschichte. Frankreichs Hauptstadt hat sie im September 2023 von ihren Straßen verbannt, vorausgegangen war eine Bürgerbefragung. Gelsenkirchen hat nach mehreren schweren Unfällen, an denen E-Scooter beteiligt waren, die Regeln für Anbieter verschärft: Verleih nur noch nach Identitätsprüfung der Kunden. Doch die Anbieter sperrten sich dagegen - und mussten ihre E-Scooter einpacken.
Hannover will Leih-Roller-Verkehr einschränken
Auch in norddeutschen Städten wird über den Umgang mit den kleinen Flitzern diskutiert. Hannovers Stadtbaurat Thomas Vielhaber kündigte bei NDR Info live für seine Stadt Einschränkungen an, von einem kompletten Verbot halte er aber nichts: "Nein, es kann ein sehr gutes Angebot sein im Gesamtsystem der verschiedenen Verkehrsmittel." Die Roller seien "eine große Chance für die Nahmobilität". Aber es seien Regeln notwendig, die den Einsatz der E-Scooter "verkehrsverträglich" machten - diese dürften keine Unfallgefahr darstellen.
"Problem ist fehlende Disziplin von Nutzerinnen und Nutzern"
Vielhaber erläuterte, dass es derzeit etwa 7.000 bis 8.000 Leih-E-Roller in Hannover gebe. Das Problem sei "die teilweise fehlende Disziplin" bei Nutzerinnen und Nutzern: Roller würden herumstehen oder -liegen und zu Gefährdungen führen. "Das hat sehr viel Unmut bei uns in der Stadt nach sich gezogen und wir haben darauf zunächst mit einer freiwilligen Vereinbarung mit den Anbietern reagiert." Zum Beispiel seien Zonen eingerichtet worden, wo die Kunden den Leihvorgang nicht mehr regulär beenden können - etwa in Fußgängerzonen und großen Grünflächen. Nun wolle die Stadt aber weitere, verbindliche Regeln einführen. Vielhaber kritisierte, dass bei Einführung der E-Roller um das Jahr 2019 herum nicht bundesweit eindeutigere Grenzen für die Fahrzeuge verabredet wurden. "Da wären genauere Regelungen sinnvoller gewesen."
Künftig deutlich weniger Leih-Roller auf Hannovers Straßen
Hannover arbeite derzeit an einer Sondernutzungssatzung, sagte Vielhaber. Eine der geplanten neuen Regeln: Im Innenstadtbereich solle es künftig nur noch an festen Standorten möglich sein, Roller auszuleihen und zurückzugeben. "Wir sind im Moment dabei, die Innenstadt genau anzuschauen im Hinblick auf mögliche Standorte." Angedacht seien zurzeit etwa 50 bis 60 solche Orte. In der Regel hätten diese etwa die Größe von zwei Pkw-Stellflächen. Dort könnten dann jeweils etwa 20 Roller und einige Leihräder stehen. Insgesamt solle die Zahl der Leih-Scooter in Hannovers Innenstadt auf etwa 1.000, im gesamten Stadtgebiet auf etwa 5.000 reduziert werden, so Vielhaber.
Verleiher kritisiert "ungerechte Flächenverteilung" in Städten
Matthias Weber vom E-Scooter-Verleiher Tier verteidigte bei NDR Info live das bisherige System des "free floating" ohne fest definierte Ausleihflächen. "Die aller-allermeisten Kunden bekommen das sehr ordentlich hin." Er räumte aber ein: "Jeder E-Scooter, der im Weg steht, ist einer zu viel." Ein Grund dafür sei aber auch die "ungerechte Flächenverteilung" in den Städten, dort gebe es sehr viel Platz für private Pkw. Gerechter wäre es aus seiner Sicht, den Platz für Autos etwas einzuschränken, um feste Abstellflächen für Leih-Scooter einzuführen, "wie das auch schon viele Städte machen".
"In allermeisten Fällen nicht letzter Nutzer der 'Übeltäter'"
Inzwischen müssten Nutzer bei seinem Unternehmen zudem ein Foto des abgestellten Rollers machen, um zu beweisen, dass er ordentlich geparkt sei, sagte Weber. "Deshalb wissen wir auch, dass in den allermeisten Fällen gar nicht der letzte Nutzer der 'Übeltäter' war, der vielleicht quer auf dem Gehweg geparkt hat". Vielmehr würden sich offenbar andere Menschen an den Fahrzeugen vergreifen. "Um dagegen vorzugehen, haben wir Teams in den Innenstädten, die dann schnellstmöglich aufräumen."
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Düsseldorf hat schon feste Abstellflächen eingeführt
Feste Abstellflächen würden den Verleihern "sehr entgegenkommen", sagte Weber. Er verweise dabei gern auf Düsseldorf, wo es diese Zonen schon gibt: "Seit die eingerichtet sind, funktioniert es eigentlich für alle besser. Dagegen sperren wir uns überhaupt nicht." Anders sehe er das Thema Flottenbeschränkung: Da müsse man genau auf die Nutzerzahlen schauen. Was er aber gut finde sei, die Zahl der Anbieter in den Städten zu beschränken. "Natürlich soll eine Stadt auch die Möglichkeit haben, sich die besten Anbieter auszusuchen."
Striktere Identitätsprüfung der Kunden lehnt Unternehmen ab
Ganz klar wandte sich Weber gegen eine Identitätsüberprüfung der Nutzerinnen und Nutzer über den Personalausweis, wie sie Gelsenkirchen vorschreibt. "Schon jetzt ist es in den allermeisten Fällen möglich, die Identität festzustellen." Die Nutzerinnen und Nutzer müssten sich mit einer E-Mail-Adresse, ihrer Telefonnummer und mit einem Zahlungsmittel anmelden. Eine genauere Identitätsprüfung "würde keinen großen Zugewinn in punkto Verkehrssicherheit bringen". Auf der anderen Seite stünden zu hohe Kosten für das Unternehmen und zu viel Aufwand für Nutzerinnen und Nutzer. "Der Charme ist ja, dass die Nutzung relativ einfach ist."
Einigkeit bei "Geo-fencing": Tempo automatisch drosseln
Einig waren sich beide Experten darin, dass es in bestimmten Bereichen, etwa in Fußgängerzonen, künftig möglich sein sollte, das Tempo von Leih-Scootern technisch zu beschränken. "Geo-fencing" nenne sich das, sagte Stadtbaurat Vielhaber. Verleihfirmen-Vertreter Weber wies allerdings darauf hin, dass dies in Deutschland bislang nicht erlaubt sei. "Dafür bekommen wir keine Zulassung." Im Ausland funktioniere das zum Teil bereits gut. Hierzulande sei in Düsseldorf ein entsprechendes Pilotprojekt geplant. Das würde aber nur das Problem mit Leih-Scootern lösen, so Weber, schließlich würden etwa auch Radfahrer und private Scooter oft durch solche Zonen "sausen".
Umfrage im WhatsApp-Kanal: Meiste Nutzer für Verbot
Im WhatsApp-Kanal von NDR Info wurden die Nutzerinnen und Nutzer am Mittwoch gefragt, wie sie zu Leih-E-Scootern stehen. Die große Mehrheit (rund 1.300) kreuzte in der Umfrage die Antwort an: "Ich halte Leih-E-Scooter in Städten für eine Plage und bin für ein Verbot". Knapp 600 Menschen entschieden sich für die Antwortmöglichkeit "Ich benutze sie nicht, mich stören sie aber auch nicht". Knapp 200 Leute votierten mit "Ich benutze die E-Scooter gern, plädiere aber für strengere Regeln". Etwas mehr als 30 Stimmen bekam die Antwortmöglichkeit "Ich benutze sie regelmäßig und bin gegen ein Verbot.