Hochwasser an der Elbe droht: Vorbereitungen auch im Norden
Starkregen in Tschechien lässt den Pegelstand der Elbe steigen, zunächst in Sachsen. Mit rund einer Woche Verzögerung könnte die Hochwasser-Welle auch Norddeutschland treffen. Wie stark, lässt sich derzeit noch nicht sagen, doch die zuständigen Behörden bereiten sich bereits vor.
Der Pegelstand der Elbe steigt in Dresden seit Freitagvormittag deutlich an, denn aus Staudämmen in Tschechien wird Wasser abgelassen, um Platz zu schaffen für die Regenmengen, die bis Sonntag herunterkommen sollen. Denn sowohl für Bayern und Sachsen, aber auch für Österreich, Tschechien und Südpolen sind heftige Unwetter vorhergesagt.
"Da werden bis Dienstag etwa 200 bis 400 Liter Wasser pro Quadratmeter zusammenkommen", sagt Stefan Laps vom ARD-Wetterkompetenzzentrum. Zum Vergleich: Im Großraum Hamburg oder Hannover komme man auf rund 700 Liter - in einem ganzen Jahr. In den betroffenen Regionen komme nun etwa die Hälfte davon in wenigen Tagen herunter. "Das ist wirklich wahnsinnig viel, da wird es massive Überschwemmungen geben." Und entsprechend stark würden die Pegelstände steigen.
"Die Situation, die wir erwarten, ist leider sehr ähnlich zu der Lage bei den großen Hochwassern der Jahre 1997 und 2002", warnte der tschechische Umweltminister Petr Hladik. 1997 war es zum Oderhochwasser und 2002 zum Elbehochwasser gekommen.
Fließzeit bis Norddeutschland etwa eine Woche
"Die Wasserstände in der Elbe werden als Folge deutlich steigen, ein Überschreiten der Richtwasserstände der Alarmstufen im Oberlauf in Sachsen ist abzusehen", sagt Carsten Lippe, Pressesprecher des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Und das betreffe dann auch Norddeutschland - wenn auch mit Verzögerung, da die Fließzeit einer Hochwasserwelle ab der Landesgrenze zu Tschechien bis Niedersachsen etwa sechs bis sieben Tage betrage. "Auch im niedersächsischen Teil der unteren Mittelelbe werden sich entsprechend voraussichtlich Ende der kommenden Woche deutlich steigende Wasserstände einstellen", so Lippe.
Lage wird "aufmerksam beobachtet"
Die verschiedenen Akteure wie zum Beispiel Deichverbände, Landkreise, NLWKN stünden aber dennoch bereits jetzt in regem Kontakt zum Thema. Mögliche Auswirkungen auf Niedersachsen und die Entwicklung würden sehr aufmerksam beobachtet. Derzeit lasse sich jedoch noch keine seriöse Einschätzung abgeben, wie stark Niedersachsen vom Hochwasser getroffen werde. Das werde sich erst ab Anfang kommender Woche abzeichnen.
In Deutschland nimmt ab Überschreiten der Alarmstufe 1 an einem Vorhersagepegel die Hochwasservorhersagezentrale Elbe in Magdeburg die Arbeit auf. Sie stellt zentral für die gesamte Elbe bis nach Geesthacht Vorhersagen und Warnmeldungen zur Verfügung. Hamburg ist von einem vom Oberlauf der Elbe kommenden Hochwasser nicht so stark bedroht, weil die Elbe hinter dem Stauwehr in Geesthacht breiter und tiefer wird und die ausgedehnten Wasserflächen des Hafens dem Wasser genügend Raum bieten, um sich zu verteilen.
Schleswig-Holstein: Moderater Anstieg der Elbe
Nach derzeitigem Stand sei in Schleswig-Holstein bis zum Ende der kommenden Woche ein moderater Anstieg der Elbe zu erwarten, teilte ein Pressesprecher des Innenministeriums mit. Es handele sich um eine sehr dynamische Wettersituation, in der kleine Veränderungen auch große Auswirkungen auf die Vorhersage haben können. Die Behörden von Bund, Ländern und Kommunen beobachteten deshalb die Lage in enger Zusammenarbeit, um bei Bedarf zeitgerecht die erforderlichen Maßnahmen treffen zu können.
Auch in MV stellt man sich auf Hochwasser ein
Ähnlich wird die Lage auch in Mecklenburg-Vorpommern eingeschätzt. "Für das kommende Wochenende ist noch keine kritische Lage an den mecklenburgischen Elbepegeln zu erwarten, da eine Hochwasserwelle vom Oberlauf mindestens fünf Tage benötigt, bis sie unser Bundesland erreicht", sagte Umweltminister Till Backhaus am Freitag. Die Fachleute in der Hochwassermeldezentrale seien informiert und beobachteten die Lage.
Die größte Gefahr des Hochwassers auf deutschem Gebiet gehe momentan von der in Dresden ins Elbprofil gestürzten Carolabrücke aus. Dort haben die Abrissarbeiten am in die Elbe gestürzten Brückenteil begonnen, um das Hindernis vor der erwarteten Hochwasser-Welle weitgehend zu beseitigen.
Großer Puffer: Derzeit noch Niederigwasser an der Elbe
Noch sind die Pegelstände im Norden sehr niedrig. Am Freitagvormittag habe der Wasserstand der Elbe etwa am Pegel Neu Darchau bei 107 cm gelegen und somit deutlich unter Mittelwasser (242 cm), so NLWKN-Pressesprecher Lippe. Das sei für eine eventuell bevorstehende Hochwasserwelle "zunächst einmal ein günstiger Umstand, da hierdurch zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung stehen". Ab einem Wasserstand von 550 cm ist das Innenministerium über die Lage zu informieren.
In Mecklenburg-Vorpommern liegt der Pegelstand der Elbe derzeit bei 45 cm am Pegel Dömitz und bei 64 cm am Pegel Boizenburg und spmit auch dort unter dem mittleren Niedrigwasser. Die Alarmstufe 1 an beiden Pegeln liegt bei 5 Metern. Das zeige, dass das Abflussprofil der Elbe noch viel Aufnahmekapazität für ein ankommendes Hochwasser bietet, so Backhaus.
Auch Wetterexperte Laps meint, dass angesichts des großen Puffers die Elbe in Norddeutschland zwar auch Hochwasser führen werde - aber das werde "in keiner Weise so katastrophale Ausmaße annehmen wie bei unseren südöstlichen Nachbarn".
Wetterlage erinnert an die "Jahrhundertflut" 2002
Vor dem Elbe-Hochwasser vor 22 Jahren hatte es im Osterzgebirge ebenfalls mehr als 300 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit geregnet. Zunächst hatte sich die Flutwelle von Tschechien kommend durch Dresdens Altstadt gewälzt, ehe sie am 21. August 2002 Norddeutschland erreichte - neun Tage nach den heftigen Niederschlägen im Erzgebirge und drei Tage, nachdem für die betroffenen Landkreise in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Katastrophenalarm ausgerufen worden war. Hitzacker in Niedersachsen wurde seinerzeit besonders stark von den Wassermassen getroffen. Insgesamt richtete die "Jahrhundertflut" einen Schaden von 11,6 Milliarden Euro an.