Deutsche Aufholjagd bei der E-Mobilität
Der Abbau der für die E-Mobilität unerlässlichen Metalle wie Lithium oder Kobalt ist schwierig und die Herkunft ist oft heikel - doch nach möglichen Alternativen wird geforscht: Zum einen tüfteln deutsche Forscher an der Batterie der Zukunft, die vielleicht bald ohne Problem-Rohstoffe auskommt. Zum anderen tut sich beim Thema Recyceln eine Menge: Eine norddeutsche Firma will schon Anfang 2020 95 Prozent einer Autobatterie wiederverwerten. Die NDR Info Perspektiven haben das Unternehmen besucht.
von Kai Küstner, NDR Info
Es hat einen Grund, dass die Mitarbeiter in dieser niedersächsischen Fabrikhalle Ohren- und Mundschutz tragen. Ein stechender Chemie-Geruch liegt in der Luft. An Tischen rücken drei Männer ausgedienten Elektroauto-Batterien mit Flex-Fräsmaschinen zu Leibe, um ins Innere zu den wirklich wertvollen Schichten vorzudringen. Firmenchef Christian Hanisch muss sich stimmlich ganz schön Mühe geben, um sich gegen den Lärm seiner Maschinen durchzusetzen: "Hier werden die Batterie-Module aufgemacht, um die Zellen letzten Endes dem Schredder zuzuführen."
Besagter Schredder ist das eigentlich Besondere an der von ihm ersonnenen Recycling-Methode. Sorgfältig zerschnipselt das scharfe Räderwerk dieser Anlage die E-Batterie-Zellen, mit denen sie gefüttert wird: "Die kann bis zu 500 Kilogramm pro Stunde zerkleinern", erklärt Hanisch, der live auf einem Monitor seiner Maschine beim Zermalmen der Akkus zusehen kann.
Rückgewinnungsquote liegt derzeit bei 70 Prozent
Schon als Kind habe er gerne getüftelt und Dinge zerlegt, verrät der 37-jährige Verfahrenstechniker. Er ist mit seiner Firma namens Duesenfeld nicht der erste und gewiss nicht der größte E-Batterie-Recycler in Europa. Doch nach eigener Aussage ist seine Schredder-Methode deutlich wirkungsvoller als herkömmliche Verfahren. Der gigantische belgische Recycler Umicore etwa schmilzt die alten Batterien bei hohen Temperaturen ein. Hanisch rühmt sich, weniger Energie aufwenden zu müssen: "Das führt dazu, dass wir 40 Prozent CO2 einsparen können und eine hohe Rückgewinnungsquote haben. Derzeit gewinnen wir 70 Prozent der Materialien zurück." Die Energie für ihre Maschinen saugen die Norddeutschen den Alt-Akkus übrigens beim ohnehin nötigen Entladen ab.
Die lange Odyssee der altersschwachen Batterie durch die Fabrikhalle in der Nähe von Braunschweig ist mit dem Schreddern aber noch nicht vorbei. Am Ende hält Geschäftsführer Hanisch ein kleines Fläschchen hoch, in dem sich schwarzes Pulver befindet. Ein Gemisch aus Kobalt, Graphit, Nickel, Mangan und Lithium - ein Rohstoff-Mix, den die Industrie für die nächste Batterie gut gebrauchen kann - besonders Lithium.
Lithium kann immer wieder recycelt werden
Bezeichnet man Öl in Fachkreisen gern als schwarzes Gold, wird Lithium entsprechend als weißes Gold gehandelt - weil es derzeit in jeder Elektroauto-Batterie benötigt wird. Laut dem Direktor des Fraunhofer-Instituts in Dresden, Professor Alexander Michaelis, hinkt aber der Vergleich: "Das ist ein grundsätzlicher Gedankenfehler, weil Öl kein Verbrauchsmaterial ist. Das verbrennen wir, dann ist es weg - und das ist nicht gut. Lithium aber ist ein Wertstoff, den man - wenn man es geschickt macht - immer wieder recyceln und verwenden kann."
Im Ausland einkaufen ist derzeit noch billiger
Das Problem aber ist: Es tut bislang kaum jemand, weil es sich finanziell nicht lohnt. Es war bisher schlicht günstiger, Lithium im Ausland einzukaufen, als es aufwendig aus den Altbatterien herauszufiltern. Es gebe momentan schon Unternehmen, die das machen, sagt Hanisch: "Aber nicht hier in Europa. Sondern da, wo die Batterie entwickelt und weitergedacht wird, nämlich in Asien. In China zum Beispiel. Aber ich gehe davon aus, dass bald eine Größenordnung erreicht sein wird, bei der sich das wirklich lohnen wird."
Chemiewerk in Deutschland geplant
Derzeit ist auch Recycler Hanisch noch nicht so weit, dass er in seiner Fabrik aus dem Endprodukt - dem schwarzen Pulver - Kobalt, Graphit oder eben Lithium einzeln herausfiltert. Er habe aber eine Methode entwickelt, mit der das geht, und plant daher ein großes Chemiewerk in Deutschland, das dies bald selbstständig erledigt: "Das wären dann etwa 50.000 Autos, die recycelt würden - pro Jahr. Das ist Anfang der 2020er-Jahre so weit, dass die dann locker zur Verfügung stehen." Übrigens: Auch Volkswagen baut gerade eine Pilot-Recycling-Anlage in Salzgitter auf. Der Autokonzern setzt dabei ebenfalls auf die Schredder-Methode.
Der Verfahrenstechniker hat mit seiner Firma Duesenfeld also große Pläne. Zusätzlich zur Chemiefabrik will er seine Recyclinganlage, die man sich im Prinzip wie zwei große Container vorstellen kann, an insgesamt 17 europäischen Standorten aufbauen. Drei davon, verrät er, befänden sich dann in Deutschland. Je mehr Standorte, desto geringer der angesichts der Explosionsgefahr gar nicht so ungefährliche Transportweg für die Alt-Batterien, so das Prinzip.
Forscher tüfteln an einer Batterie ohne Lithium und Kobalt
In einem Wettlauf gegen die Zeit und die Konkurrenz befinden sich - ähnlich wie die deutschen Recycler - auch die Forscher, die an der Batterie der Zukunft tüfteln. Und sich an einer Energiequelle versuchen, die ohne problembeladene Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt auskommen soll: "Am weitesten hat es die Natrium-Ionen-Batterie geschafft, die wird nächstes Jahr auf den Markt kommen", prophezeit Professor Maximilian Fichtner, stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm. Damit hätte man das seltene und leicht entflammbare Lithium durch Natrium ersetzt. Weil dieser Stoff aber viel schwerer ist, wird er in Elektroautos wohl kaum zur Anwendung kommen. Sehr wohl aber in den stationären Ladestationen.
Magnesium satt Lithium?
Was die Elektroautos selbst betrifft, so forscht man in Deutschland - aber nicht nur hier - daran, Lithium durch Magnesium zu ersetzen: "Magnesium ist einer der nächsten Kandidaten auf der Liste. Und eigentlich ein idealer Rohstoff: Er ist ungiftig und kommt fast überall vor. Wenn man die leicht zugänglichen Vorkommen nimmt, haben wir eine Perspektive für die nächsten 450.000 Jahre."
Forschung noch nicht ausgereift
Magnesium ließe sich etwa in den Alpen und hier in Deutschland abbauen. Der Haken aber ist, noch geht die Magnesium-Batterie im Labor-Versuch zu schnell in die Knie. Sie laufe noch nicht stabil, ihre Lebensdauer sei noch zu kurz, erklärt Chemiker Fichtner im NDR Info Interview. Aber man arbeite daran: "Wir sind da in der ersten Reihe mit dabei. Bei den Amerikanern gibt es starke Aktivitäten, auch bei den Chinesen und Japanern."
Auch wenn man beim Helmholtz-Institut keine Prognose abgeben will, wann es die Lithium- und Kobalt-freie Elektroauto-Batterie auf den Markt schafft und ob überhaupt: Sie hätte den Charme, dass die EU und die Deutschen hier bei der Forschung in der ersten Liga spielen und damit unabhängiger wären vom Ausland. Und das wäre tatsächlich mal etwas völlig Neues beim Thema E-Mobilität.