Bahn im Norden: Schienennetz so marode wie nirgends sonst
Die Bahn hat erstmals ihr gesamtes Schienennetz nach Noten zwischen 1 ("neu") und 5 ("mangelhaft") bewertet. Während bundesweit Brücken, Tunnel, Weichen und Oberleitungen im Schnitt mit 2,9 bewertet werden, erreicht das Netz in Norddeutschland nur 3,1.
In einem internen Bericht kommt der neue Vorstandschef der DB Netz AG, Philipp Nagl, zu einem ernüchternden Befund des deutschen Bahnnetzes. Es sei "in Teilen zu alt, zu störanfällig und bietet zu wenig Kapazität". Während das Netz bundesweit gerade mal auf die Note 2,9 kommt, fällt das Zeugnis für das Bahnnetz im Norden noch schlechter aus. "Die Region Nord weist im Jahr 2021 innerhalb der DB Netz AG die schlechteste Bewertung mit einer Zustandsnote von 3,15 auf", wie es in dem internen Bericht heißt, der NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" vorliegt.
Viele Mängel in Schleswig-Holstein
Die zentralen Strecken zwischen Hamburg, Kiel und Flensburg sowie die Strecke zwischen Lübeck und Fehmarn sind demnach in besonders schlechtem Zustand. Besser als der Durchschnitt sind hingegen beispielsweise Strecken im Weser-Ems-Gebiet oder auch die Verbindung zwischen Schwerin und Berlin.
Stark überalterte Gleise im Netz Kiel
Nirgendwo sonst werden so viele Anlagen mit der Note vier oder schlechter bewertet wie im Netz Kiel. "Insbesondere die Gleise weisen eine hohe Anzahl von Störungen auf, die vor allem auf eine starke Überalterung und vorliegende Schienenfehler zurückzuführen sind", wie es in dem internen Netzzustandsbericht heißt, der heute an die Aufsichtsräte der Bahn gegangen ist. Um den Zustand im Norden zu verbessern, plane die Bahn "umfangreiche Ersatzinvestitions- und Instandhaltungsmaßnahmen".
Bestnoten für Region Südost
Bundesweit am besten bewertet wird dem Bericht zufolge die Region Südost, also die Gegend um Leipzig, Cottbus, Dresden. Dort wird ein Drittel der Anlagen mit der Note 1 bewertet, insgesamt kommt das Netz in dieser Region auf die Note 2,5, was auch daran liege, dass "viele Anlagen am Anfang ihres Lebenszyklus stehen".
Netz-Chef sieht Investitionsbedarf von 89 Milliarden Euro
Insgesamt kommt der interne Bericht aber zu dem Ergebnis, dass viele Anlagen dringend erneuert werden müssen. Nötig sei, so Netz-Chef Nagl, eine "schnelle und umfassende Generalsanierung". Dazu brauche es bei der Bahn einen "radikalen Kurswechsel" - und 89 Milliarden Euro. Das Bundesverkehrsministerium teilt mit, es kenne den Bericht und stehe dazu schon länger mit der Bahn im Austausch. "Bis zum Jahr 2029 stellt der Bund der Bahn insgesamt 86 Milliarden Euro für Sanierung und Instandhaltung zur Verfügung", so ein Sprecher von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).
Die Bahn scheint dies für nicht ausreichend zu halten. In seinem Bericht an die Aufsichtsräte schreibt Netz-Chef Nagl: "Um die genannten Maßnahmen ab dem Jahr 2024 fortsetzen zu können, sind Änderungen der bisherigen Finanzarchitektur zwischen Bund und der DB Netz AG erforderlich."