Amtsträger verdienen bis zu 30.000 Euro nebenher
Bis zu 30.000 Euro im Jahr nehmen einige Landräte und Bürgermeister in Norddeutschland neben ihren Ämtern ein. Panorama 3 hat die Amtsträger im Norden nach ihren Nebeneinkünften und bezahlten Ehrenämtern befragt. Ein Drittel der Landräte und Bürgermeister verweigerte eine vollständige Offenlegung ihrer Einkünfte und hält sie geheim.
Panorama 3 schrieb 85 Landräte, Bürgermeister von Städten über 60.000 Einwohner und Bezirksamtsleiter in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern an. 32 davon haben keine oder keine vollständigen Angaben zu ihren Nebeneinkünften gemacht. Besonders in Niedersachsen haben auffällig viele Kommunalpolitiker nicht umfassend geantwortet.
Kreative Begründungen für Intransparenz
Helmut Brocke von Transparency International kritisiert diese Geheimniskrämerei: "Das wichtigste Mittel, um Korruption zu bekämpfen, um Interessenkollision zu vermeiden, ist Transparenz. Die Öffentlichkeit muss erfahren, welche Nebentätigkeiten man ausübt und wie viel Einnahmen daraus generiert werden." Viele Landräte sehen das offenbar anders. Jörg Bensberg, Landrat des Ammerlands, beispielsweise verweist explizit auf seine "Privatsphäre“. Landrat Bernhard Bramlage aus Leer pocht auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Karte: Wer verdient wie viel nebenbei? (Stand der Recherche: Juli 2015.)
Regeln und Grenzen für Nebenverdienste
Eigentlich gelten für Nebenverdienste von Wahlbeamten Grenzen. Je nach Bundesland und Besoldungsstufe dürfen sie in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zwischen 4.900 und 6.100 Euro, in Schleswig-Holstein 5.550 Euro, in Hamburg 5.500 Euro und in Niedersachsen zwischen 5.400 und 6.200 Euro pro Jahr behalten. Alle darüber hinausgehenden Einnahmen müssen an Kreis oder Kommune abgeführt werden. Aber es gibt Ausnahmen: Öffentliche Ehrenämter sind per se von dieser Regelung ausgenommen - und so kommen deutlich höhere Einnahmen zustande.
Bis zu 28.430 Euro nebenher
Spitzenverdiener unter jenen Kommunalpolitikern die geantwortet haben, ist der Pinneberger Landrat Oliver Stolz (parteilos). Er strich im vergangenen Jahr insgesamt 28.430 Euro durch Nebenverdienste und öffentliche Ehrenämter ein. An zweiter Stelle folgt der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), der auf 28.170 Euro pro Jahr kommt, allerdings sind dabei Sitzungsgelder noch nicht berücksichtigt. Der Landrat des Kreises Rendsburg-Eckernförde, Rolf-Oliver Schwemer (parteilos), verdiente im vergangenen Jahr 27.534 Euro und damit am drittmeisten.
Insgesamt 15 Landräte und Oberbürgermeister im Norden haben Nebenverdienste von mehr als 20.000 Euro - zumindest von denen, die auf die Panorama 3-Anfrage überhaupt vollständig geantwortet haben. Von den zehn Spitzenverdienern im Norden kommen fünf aus Schleswig-Holstein. Darunter sind, neben Oliver Stolz und Rolf-Oliver Schwemer, die Oberbürgermeister von Norderstedt und Neumünster, Hans-Joachim Grote (CDU) und Olaf Tauras (parteilos). Im Interview verweist Oliver Stolz (Pinneberg) auf den besonderen Aufwand und die besondere Verantwortung der Tätigkeiten. Die hohen Nebeneinkünfte hält er insofern für gerechtfertigt.
"Öffentliche Ehrenämter" - mit Bezahlung
Ähnlich äußern sich weitere Kommunalpolitiker - und verweisen darauf, dass die Einnahmen privat seien und versteuert würden. Haupteinnahmequelle der Amtsträger sind Nebentätigkeiten bei regionalen Sparkassen, in den meisten Fällen für Sitze in den Verwaltungsräten. Je nach Bank werden dafür pro Person bis zu 15.000 Euro pro Jahr bezahlt. Den Landräten und Bürgermeister helfen dabei die Sparkassengesetze der Länder. Dort sind Nebentätigkeiten für Sparkassen als sogenannte "öffentliche Ehrenämter" definiert. Das hat zur Folge, dass die Einkünfte nicht an Kreis oder Stadt abgeführt werden müssen.
Grundeinkommen von 90.000-110.000 Euro
Aus der Sicht von Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler Niedersachsen, ist die Regelung "überhaupt nicht nachvollziehbar" und überholt. Außerdem gibt es Nebentätigkeiten, die laut Definition nicht "zum Hauptamt" gehören bzw. "nicht innerhalb des öffentlichen Dienstes" ausgeübt werden. Für diese Tätigkeiten gilt ebenso keine Abführungspflicht. Welche Nebentätigkeit am Ende abführungspflichtig ist und welche nicht, wird allerdings im Einzelfall vor Ort definiert. So konnte beispielweise der Braunschweiger Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD) aufgrund einer lokalen Sonderregel im Jahr 2014 alle Nebenverdienste in Höhe von 27.446 Euro behalten. Das Grundeinkommen für Landräte beträgt zwischen 90.000 und 110.000 Euro jährlich.