(110) Coronavirus-Update: Keep Calm and Mask On
In der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update spricht die Virologin Sandra Ciesek über die Impfpflicht und wie es mit Lockerungen aussieht.
Nach dem monatelangen Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz sinkt der Wert seit drei Tagen wieder. Bedeutet das eine Wende im Infektionsgeschehen? Gesundheitsminister Karl Lauterbach sieht den Höhepunkt der Omikron-Welle überschritten und sagt, dass maßvolle Lockerungen nun möglich seien. Aber wie sinnvoll sind Lockerungen aus wissenschaftlicher Sicht? Darüber spricht Wissenschaftsredakteurin Beke Schulmann in Folge 110 des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update mit der Virologin Sandra Ciesek, außerdem geht es um die Ausbreitung der Variante BA.2 in Deutschland und die Notwendigkeit einer Impfpflicht.
Die zentralen Themen der Folge im Überblick - per Klick direkt zur Textstelle springen
Aktuelle Lage und mögliche Lockerungen
Situation in Dänemark nach Ende der Maßnahmen
Ist BA.2 eine Immunescape-Variante?
Warum ist Omikron milder als andere Varianten?
Verlauf von Omikron bei Kindern
Stellungnahme zur Immunität von Genesenen
Booster für Kinder und Jugendliche?
Boosterempfehlung für bestimmte Personengruppen
Varianten-Funde in der New Yorker Kanalisation
Forschung an Universal-Impfstoffen
"Flurona" - Doppelinfektion mit Grippe und Corona
Aktuelle Lage und mögliche Lockerungen
Beke Schulmann: Jetzt ist den dritten Tag in Folge die bundesweite 7-Tage-Inzidenz gesunken und das erstmals seit Dezember. Aber weiterhin können wir nur schwer beurteilen, ob sich zurzeit wirklich weniger Menschen mit dem Coronavirus infizieren oder ob der Rückgang mit dem überlasteten Meldesystem zusammenhängt. Oder vielleicht auch damit, dass manche Menschen ihre positiven Schnelltest-Ergebnisse gar nicht mehr mit einem PCR-Test absichern lassen. Also gar nicht offiziell als positiv erfasst werden. Trotzdem haben gerade viele den Eindruck, dass sich die Lage wieder etwas mehr in Richtung Entspannung bewegt. Ist das ein Eindruck, den Sie auch haben, wenn Sie sich in der Uniklinik umsehen? Bekommen Sie ein Gefühl von: Die Welle ist gebrochen?
Sandra Ciesek: Man muss sagen, dass, wenn ich jetzt in meinem unmittelbaren Umfeld schaue, also hier in Frankfurt, die Zahlen schon merklich sinken.
Sinkende Inzidenz
Und man bekommt das mit, indem man weniger Bekannte, Nachbarn, Verwandte hat, die selber infiziert sind. Man bekommt es mit bei anlasslosen Tests, zum Beispiel im Klinikum. Da werden ja die Mitarbeiter anlasslos getestet oder auch in den Schulen. Und deswegen glaube ich auch, dass die Zahlen oder der Rückgang echt ist und nicht eine reine Überlastung des Systems darstellt, weil da gehen die Zahlen auch zurück. Deswegen habe ich eigentlich schon das Gefühl, dass die im Moment ernsthaft fallen. Es kommt natürlich sehr auf das Bundesland an und auf den Ort, wo man ist. Es gibt auch noch Gebiete, wo es ansteigt, aber hier scheint das echt zu sein und das ist natürlich positiv zu sehen.
Schulmann: Bedeutet das auch eine Entspannung für das Krankenhaus, für die Uniklinik?
Ciesek: Das noch nicht. Also man muss sagen, auf der einen Seite schon, weil sich natürlich, wenn sich die Lage entspannt, weniger Angestellte infizieren und sich das dann natürlich auch im Krankenhaus entspannt, weil nicht so viele Kollegen ausfallen und man besser die Schichten besetzen kann oder die Arbeit erledigen kann. Die Patienten sind natürlich trotzdem noch da. Und was diese Welle so besonders macht im Vergleich zu anderen Wellen, ist, dass man im Krankenhaus sehr viele Ausbrüche oder Zufallsbefunde hatte. Das heißt, ein Patient kommt wegen einer ganz anderen Erkrankung und wird dann positiv getestet. Er muss dann ja auch isoliert werden. Dann ist die Frage im Krankenhaus: Wo kommt der hin?
Bleibt er in der Abteilung, zum Beispiel in der Augenheilkunde oder in der Psychiatrie? Oder muss er jetzt auf die Infektionsstation? Und das führt dann schon zu Herausforderungen. Die sind immer noch zu spüren, ganz deutlich, weil es einfach viele Patienten sind. Aber insgesamt glaube ich, steigt es nicht weiter an, sondern ist hier in der Region am Fallen.
Maßnahmen-Lockerungen
Schulmann: Jetzt wird ja auch seit Tagen schon über Lockerungen debattiert, in welcher Form und Intensität und zu welchem Zeitpunkt sie kommen sollten. Um diese Fragen soll es dann morgen auch beim Bund-Länder-Treffen gehen. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um Maßnahmen zu lockern? Wie sehen Sie das aus virologischer Sicht?
Ciesek: Ja, das ist eine sehr wichtige Frage. Und gerade die Verantwortlichen, die müssen sich ja immer wieder diese Frage stellen: Sind die Maßnahmen, so wie sie sind, noch aktuell? Kann man etwas ändern? Und ich glaube, wenn man sich das mal so sich überlegt, was spricht für Maßnahmen zurücknehmen, dann ist es das, was wir gerade gesagt haben, dass die Zahlen stagnieren oder sogar in einigen Bundesländern rückläufig sind.
Dass wir mittlerweile ja auch über Omikron eine Menge wissen, eine ganze Menge, wie wir es klinisch einschätzen können. Und dass wir doch deutlich weniger Menschen sehen, die mit Omikron infiziert sind und deswegen auf der Intensivstation behandelt werden müssen, als wir das bei Delta gesehen haben. Aus verschiedenen Gründen, die ich jetzt hier mal weglasse. Das spricht ja schon dafür, dass man nun sagt: Wir schaffen das auch so, dass die Krankenhäuser nicht überlastet sind. Wir lockern jetzt, um die Menschen weniger oder nicht weiter einzuschränken.
Politische Frage
Und da hat die Politik natürlich immer auch eine Verpflichtung allen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber. Einige Branchen leiden immer noch unter den Maßnahmen oder haben gelitten. Und man darf deshalb natürlich auch nicht leichtfertig Maßnahmen aufrechterhalten, wenn sie nicht unbedingt nötig sind, weil sie natürlich andere Existenzen damit gefährden. Das ist ja ein Grund, warum, denke ich mal, die Politik natürlich abwägen muss, ob das möglich ist. Was dagegen spricht, da gibt es auch Gründe, das ist, dass diese Omikron-Welle oder -Wand, wie sie auch genannt wurde, die ist ja ungefähr so verlaufen, wie das Dirk Brockmann und das RKI mit seinen Mitarbeitern berechnet haben, und hat jetzt neue Rekorde aufgestellt bei der Inzidenz.
Das konnten wir uns ja vor einem oder zwei Jahren noch gar nicht vorstellen, so hohe Inzidenzen zu haben. Und wir sind ja immer noch bei einer Inzidenz von 1.500 ungefähr pro 100.000. Und wenn man jetzt zum Beispiel von heute auf morgen alle Maßnahmen fallen lassen würde, würde es einfach deutlich länger dauern, bis die Inzidenzen wieder fallen und wirklich niedrig sind. Und man würde riskieren, dass so ein Plateau entsteht oder sogar wieder ein Anstieg droht. Und das ist dann natürlich schon ein Problem für verschiedene Bereiche des Lebens, also zum Beispiel im Krankenhaus, um da noch mal drauf zurückzugehen. Dann müssen wieder OPs verschoben werden, weil entweder der Operateur krank ist oder in Isolation.
Oder, was im Moment sehr häufig vorkommt, dass die Patienten selbst, die zu einer Operation einbestellt sind, absagen müssen, weil sie gerade in Isolation oder Quarantäne sind. Das ist natürlich einfach ein Grund, dass niedrige Infektionszahlen für den Betrieb des Krankenhauses deutlich besser sind. Und dann haben wir natürlich auch Personen mit unzureichendem Impfschutz durch Immunsuppression oder Chemotherapien. Und für diese Person ist es natürlich deutlich schwerer, sich zu schützen, wenn die Infektionszahlen so hoch sind, weil einfach die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit dem Virus in Kontakt kommen, viel, viel höher ist, als wenn wir niedrige Inzidenzen haben.
Niedrige Impfrate bei Kindern
Und dann, was auch noch eine Rolle spielt, wir haben bei den Kindern ab fünf immer noch eine sehr niedrige Impfrate von zehn bis 15 Prozent ungefähr. Ich glaube, man sollte doch allen Eltern und Kindern ermöglichen, noch einen Impfschutz aufzubauen und sich zu schützen vor der Erkrankung. Und unter fünf gibt es bisher gar keinen Impfschutz. Ich sehe da auch schon auf jeden Fall eine Verpflichtung, dass man nicht einfach alle Maßnahmen fallen lassen kann und da auf jeden Fall noch eine Übergangszeit schaffen muss mindestens.
Ich glaube auch, die Situation in den Schulen, die ist ja zeitweise bei sehr hohen Inzidenzen fast schon als chaotisch zu beschreiben, dass natürlich der Schulbetrieb auch deutlich leichter und deutlich besser läuft, wenn die Inzidenzen niedriger sind, weil einfach viel weniger Kinder ausfallen, erkranken, in Quarantäne oder in Isolation kommen. Und wenn man das jetzt mal zusammennimmt, dann ist es einfach nicht eindeutig. Oder die unterschiedlichen Interessen muss sich die Politik anhören, berücksichtigen und abwägen. Aus meiner Sicht ist das für die Politik eine sehr, sehr schwierige Aufgabe. Aus rein medizinischer Sicht ist es viel einfacher.
Da wäre es natürlich besser, wir würden noch ein wenig durchhalten, um die Zahlen zu reduzieren. Das ist, denke ich mal, was für mich im Moment die wichtigste Aufgabe der Politik ist, dass man die Maßnahmen auch anpassen muss. Also dass man sich schon immer wieder fragen muss: Was sind jetzt die gezielten und klugen Maßnahmen, die die Infektionszahlen weiter sinken lassen, dass wir einen entspannten Frühling haben, aber die vielleicht auch nicht mehr ganz angemessen sind.
Hessen: FFP2-Maske im Handel
Ein Beispiel möchte ich aus Hessen nennen, da wurde jetzt umgestellt, dass im Einzelhandel nicht mehr 2G gilt, sondern hier wurde umgestellt, dass einfach eine FFP2-Maskenpflicht im Handel Vorschrift ist und wieder jeder einkaufen kann. Das fand ich eigentlich eine ganz sinnvolle Maßnahmenänderung, weil wir natürlich mit Omikron wissen, dass auch Geimpfte und Geboosterte sich anstecken können und andere Leute anstecken können. Und so mit den Masken lässt sich das ganz gut regulieren. So muss sich die Politik jetzt einfach alle Maßnahmen anschauen und gucken, was mit Omikron die besten sind, um zum richtigen Ziel zu führen.
Schulmann: Sie haben gerade gesagt, aus medizinischer Sicht wäre es einfach, da würden Sie sagen, die Maßnahmen müssten noch eine Zeit lang aufrechterhalten bleiben. Können Sie abschätzen, wie lange dieser Zeitraum sein müsste?
Ciesek: Ich bin kein Modellierer, aber ich denke schon, dass man da wahrscheinlich bis Mitte März noch Maßnahmen braucht und dann die Zahlen doch weiter unten sind. Aber das ist natürlich von vielen Faktoren abhängig. Es ist auch wirklich abhängig vom Bundesland. Ich denke, einige Bundesländer könnten das früher machen als andere. Wie gesagt, ich meine damit auch nicht alle Maßnahmen, sondern man muss alle auf den Prüfstand stellen und gucken, was passt jetzt noch zu Omikron, zu den Erkenntnissen, die wir haben? Und fand dieses Umschwenken auf Masken tragen, also FFP2-Masken tragen, eigentlich ganz vernünftig.
Schulmann: Der Expertenrat der Bundesregierung hält in den kommenden Wochen Lockerungen für möglich, weil ein Abfall für die Omikron-, also für die BA.1-Welle zu erwarten sei. Der warnt aber auch gleichzeitig vor zu frühen Öffnungen, weil es sonst zu einem erneuten Anstieg der Krankheitslast kommen könnte.
Situation in Dänemark nach Ende der Maßnahmen
Das führt uns beide, Sie und mich, jetzt mal auf direktem Wege ins Nachbarland Dänemark. Denn in Dänemark hat die Ministerpräsidentin Ende Januar das Ende aller Maßnahmen verkündet. Man kann zum Beispiel wieder ohne Maske im Bus fahren, ohne Abstand in Clubs feiern gehen. Auf den Intensivstationen liegen nur wenige Patientinnen und Patienten mit Covid-19, aber die Inzidenz liegt heute bei über 5.400. Und die Zahl der Hospitalisierungen und der an Covid-19 Gestorbenen steigt auch seit einigen Tagen wieder. Ist das ein Effekt, den man dann so erwarten muss nach der Aufhebung aller Maßnahmen? Könnte man sich auf so einen Anstieg vorbereiten, auch bei uns?
Ciesek: Ja, Ihre Einleitung erinnert mich gerade an Shakespeare. "Es ist was faul im Staate Dänemark." Es ist wirklich ganz interessant. Ich finde es schwer, sich Dänemark oder andere fremde Länder anzugucken, ohne dass man wirklich da ist. Deswegen kann man ja immer nur die Daten und Zahlen anschauen. Die sehen natürlich auf den ersten Blick gar nicht so gut aus für Dänemark. Man hat sehr hohe Inzidenzen. Das wäre bei uns sicherlich, wenn man alle Maßnahmen sofort einstellen würde, auch möglich, dass es dann zu einem deutlichen Anstieg der Infektionen kommen würde, weil natürlich die Maßnahmen, die wir haben, also gerade das Tragen von Masken, auch viele Infektionen verhindert und wir auch in den Krankenhäusern zum Beispiel noch sehr strenge Maßnahmen haben.
Da weiß ich zum Beispiel gar nicht, wie die Dänen da in den Krankenhäusern verfahren. Man sieht in Dänemark, dass die Hospitalisierungen sehr hoch sind, im Vergleich zu Deutschland deutlich höher. Wobei ich nicht genau weiß, wie die ihre Daten erheben. Ich habe gehört, dass die jeden in diese Hospitalisierung mit einrechnen, der innerhalb von 14 Tagen vor oder bei Aufnahme ins Krankenhaus positiv getestet wurde. Das heißt, dass sie auch Patienten, die zum Beispiel in der Psychiatrie aufgenommen werden, und da sind viele Fälle, das wissen wir aus verschiedenen Ländern und auch Städten, dass die auch mitzählen, obwohl die jetzt nicht primär wegen Covid im Krankenhaus sind. Sondern weil einfach so viele Menschen infiziert sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie den Patienten, den Sie aufnehmen, auch positiv haben, halt hoch. Das ist, denke ich mal, eine Sache, die man dabei berücksichtigen muss.
Dänemark: Todeszahlen
Auf der Intensivstation sind die Zahlen insgesamt wohl rückläufig und dennoch sind aber trotz guter Impfquote die Todesfälle angestiegen. Und da gab es eine Stellungnahme von diesem Statens Serum Institut. Das ist in Dänemark so etwas Ähnliches wie das RKI. Das kann man sich mal angucken. Das finde ich im Übrigen eine sehr transparente Kommunikation, die sie mit den Bürgern haben. Die versuchen, das so ein bisschen zu erklären und erzählen auch, dass es eine Übersterblichkeit, vor allen Dingen über 75 Jahren gab in den letzten Monaten. Dass es jetzt aber in der fünften Woche zurückgeht.
Dann erklären die so ein bisschen, woran das mit den hohen Todesfällen liegen könnte, nämlich dass das zum Teil an der Zählweise liegt. Also da werden wohl alle Todesfälle gezählt, die innerhalb der letzten 30 Tage vor dem Todesdatum einen positiven PCR-Test hatten. Was natürlich im Moment auch mehr sind. Das kann dann zu einer Verzerrung führen. Genauso aber auch umgekehrt werden die, die zum Beispiel vor zwei Monaten einen positiven Test hatten und dann im Laufe an den Folgenerkrankungen an Covid gestorben sind, nicht mitgezählt. Das andere ist wahrscheinlich häufiger. Auf jeden Fall schätzen die, dass bis zu 40 Prozent der Covid-bedingten Todesfälle in Woche vier nur zufällig einen positiven Test hatten und deswegen die Zahlen noch korrigiert werden müssen.
Den Bericht kann man sich gerne mal durchlesen. Ich finde den sehr transparent kommuniziert und es spricht ein bisschen dafür, dass die Zahlen einfach jetzt durch die hohen Infektionen, die wir generell in der Bevölkerung haben, nicht mehr ganz vergleichbar sind mit den Zahlen bei der Delta-Welle oder in früheren Wellen. Und trotzdem muss natürlich Dänemark eine Warnung sein, oder ist für mich eine Warnung, dass man weiter vorsichtig und schrittweise öffnen sollte.
Denn wenn man alle Maßnahmen beenden würde, das ging da ja gerade mal zwei, drei Wochen gut, dann würde es auch hier zu einem großen Anstieg führen und mit allen Problemen, die wir eben schon genannt haben, mit Problemen in Krankenhäusern, mit mehr Infektionen und so weiter und im öffentlichen Bereich. Letztlich zeigt sich auch in Dänemark: Wenn die Infektionszahlen so stark ansteigen, dann steigen natürlich auch die schweren Fälle und die Todesfälle immer weiter an. Auch wenn sich jetzt hier bei Omikron natürlich die Fallschwere deutlich geändert hat.
Schulmann: Sie haben gerade schon gesagt, das könnte uns auch bevorstehen, wenn wir jetzt sehr schnell alle Maßnahmen fallen lassen würden.
Sommereffekt
Aber vielleicht, wenn wir das erst im März machen würden, könnte uns ja auch der viel besprochene Sommereffekt zugutekommen, weil wir dann ja zwei Monate später die Maßnahmen fallen lassen als die Menschen in Dänemark, oder?
Ciesek: Das würde ich hoffen. Wobei ich immer ein bisschen kritisch bin, ob März schon einen Sommereffekt hat. Es ist ja im März oft noch sehr kalt. Und wenn es wirklich mit dem Wetter zusammenhängt, dass die Leute wieder mehr rausgehen, dann wird das wahrscheinlich eher im April den Effekt verstärken. Im März ist es oft kälter als im Dezember oder im November, habe ich immer das Gefühl, ich bin jetzt kein Meteorologe. Aber man muss schauen, wie dann die Wetterlage ist, denke ich. Und wie tief wir kommen bis dahin mit den Infektionszahlen.
Variante BA.2 in Deutschland
Schulmann: In Dänemark hat sich ja auch die Omikron-Variante BA.2 schnell ausgebreitet. Das haben wir in der vergangenen Podcastfolge mit Christian Drosten auch schon besprochen und viel über diese neue Variante erfahren. Seit der letzten Podcastfolge ist der neue Variantenbericht vom Robert Koch-Institut rausgekommen und darin ist BA.2 aufgeführt mit einem Anteil an den Infektionen in Deutschland von 8,1 Prozent. In der ersten Meldewoche des Jahres lag der Anteil noch bei 1,5 Prozent. Müssen wir dann davon ausgehen, dass BA.2 bald auch in Deutschland dominant wird?
Ciesek: Ja, was man an diesem Wochenbericht sieht oder an der Tabelle sechs, die in dem Wochenbericht ist, da sieht man es ja ganz deutlich, welche Varianten wir gerade in Deutschland haben. Und da sieht man zum einen, dass Alpha, Beta und Gamma mit null Prozent eigentlich gar nicht mehr vorkommen. Das finde ich auch wichtig. Und Delta mittlerweile nur noch zwei Prozent ausmacht, also fast komplett verdrängt wurde von Omikron.
Und der Omikron-BA.1-Anteil liegt jetzt knapp bei 90 Prozent. Und wie Sie gerade gesagt haben, der BA.2-Anteil bei 8,1 Prozent. Wenn man sich die letzten Wochen anschaut, dann sieht man ungefähr eine Verdopplung pro Woche oder ein bisschen mehr als eine Woche. Das wird natürlich so weitergehen und dann wäre man in Woche fünf bei 15 Prozent. Und es würde ungefähr in Woche acht bis zehn dominant werden, so grob geschätzt. Das wäre wahrscheinlich Anfang bis Mitte März.
Dominanz von BA.2
Wenn man in die USA guckt, auch die CDC rechnet damit, dass BA.2 im März in den USA dominant wird. In Dänemark ist es schon dominant. Und wie Christian Drosten erzählt hat, zeichnet sich BA.2 auch dadurch aus, dass es sich anscheinend schneller überträgt und ansteckender ist. Wie viel Prozent, das ist immer noch sehr schwankend in den ersten Daten, aber es scheint auch noch kürzer in der Inkubationszeit zu sein als BA.1. Das führt dazu, dass sie sich etwas langsamer vielleicht als BA.1, aber doch deutlich durchsetzen wird und man da noch mal schauen muss, wie dann die Pandemie weiter verläuft.
Schulmann: Welche Auswirkungen für das Infektionsgeschehen erwarten Sie denn mit einem steigenden BA.2-Anteil? Also eher eine zweite Omikron-Welle oder eine Verlängerung der aktuellen Welle?
Ciesek: Ja, das ist möglich und natürlich auch immer abhängig von den Maßnahmen, die jetzt noch aufrechterhalten werden und dem Verhalten der Menschen, wie es weitergeht. Wenn man alle Maßnahmen fallen lassen würde, so wie Dänemark im Anstieg von BA.2 oder wenn BA.2 dominant wird, dann würde ich das ähnlich erwarten wie dort, dass es ein Plateau gibt bis wieder einen Anstieg der Infektionen, einen deutlichen. Wenn man die Maßnahmen jetzt aber so weiter betreiben würde, würde ich denken, dass das nicht unbedingt sein muss, dass es wieder zu einem Anstieg kommt, sondern dass der Abfall eventuell ein bisschen langsamer ist.
Ist BA.2 eine Immunescape-Variante?
Schulmann: Und dass die Variante infektiöser ist als BA.1, das haben Untersuchungen bestätigt, über die hat Christian Drosten vor zwei Wochen hier im Podcast auch schon gesprochen. Da war aber noch nicht sicher, ob BA.2 eine Immunescape-Variante ist oder einen Fitnessvorteil gegenüber den anderen Varianten hat und sich deswegen schneller verbreitet als Delta zum Beispiel. Gibt es dazu neue Erkenntnisse?
Ciesek: Ja, wir haben mittlerweile auch ein BA.2-Isolat. Deswegen kann ich wahrscheinlich am besten ein bisschen erzählen, was wir sehen. Wir sehen keine großen Unterschiede, also keine wirklich relevanten oder statistisch signifikanten Unterschiede zwischen BA.1 und BA.2 im Immunescape, das scheint ähnlich zu sein. Das sind, glaube ich, schon mal sehr gute Nachrichten.
Impfung und Genesung und BA.2
Aber wir sehen auch zum Beispiel, dass die Omikron-Genesenen und die vorher geimpft waren mit verschiedenen Impfstoffen auch neutralisierende Antikörper gegen BA.2 haben. Und das ist auch eine gute Nachricht. Das ist natürlich kein hundertprozentiger Schutz, aber durch die Omikron-Infektion wird bei vorher Geimpften auch die Immunantwort stimuliert und neutralisierende Antikörper gebildet, die auch gegen BA.2 wirken. Und das ist natürlich kein hundertprozentiger Schutz.
Das heißt, wenn Sie genesen sind mit Omikron, ist es relativ unwahrscheinlich, dass Sie direkt danach eine BA.2-Infektion bekommen, aber es ist nicht unmöglich, wie so alles in der Medizin. Also nichts ist unmöglich, wenn Sie die richtige Virendosis abbekommen und eine ganz hohe Belastung mit Viren haben oder zum Beispiel vorerkrankt sind, ist das natürlich trotzdem möglich, dass man eine Infektion bekommt, aber es ist eher unwahrscheinlich. Das sind, wie gesagt, bisher nicht publizierte Daten und erste, die auch andere Arbeitsgruppen sehen, dass man nicht einen viel größeren Immunescape hat bei BA.2. Und das ist aber, denke ich mal, eher gut für uns.
Schulmann: Haben Sie denn schon Menschen erlebt, vielleicht auch in der Klinik, die erst mit der alten Omikron-Variante, nenne ich sie mal, und dann mit BA.2 infiziert waren?
Ciesek: Nein. Und wenn man jetzt nach England, also nach Großbritannien schaut, da in den Bericht, die sagen auch, dass es gar keine ausreichenden Labor- und epidemiologischen Daten gibt für Reinfektionen. Dann muss man auch sagen, dass es in England auch keine Sequenz-bestätigten BA.2 Infektionen nach BA.1 gibt. Das kann natürlich auch daran liegen, dass wir nicht jeden Patienten sequenzieren. Wir sequenzieren ja nur fünf bis zehn Prozent. Aber bisher habe ich keinen Fall bei uns gesehen, oder wo ich auch den Verdacht hatte. Was man eher mal sieht ist, dass jemand Delta hatte, im November zum Beispiel, und dann im Januar eine Omikron-Infektion.
Aber das ist ja jetzt auch gar nicht, wenn man sich die Daten anschaut, völlig absurd oder verwunderlich, aber das andere habe ich nicht gesehen. Wobei das, wie gesagt, kein sicherer Marker ist, dass es das nicht gibt, weil wir natürlich auch nicht bei allen schauen, welche Variante vorliegt. Aber die, die ich auch jetzt so enger betreue mit einer genesenen BA.1-Infektion, die haben bisher auch keine weiteren Infektionen entwickelt.
PCR-Testung und BA.2
Schulmann: Aber wenn das RKI jetzt den genauen Anteil von BA.2 angibt, bedeutet das dann, dass die Variante mit der herkömmlichen PCR unterscheidbar ist von BA.1? Oder sind das Hochrechnungen aus Sequenzierungen?
Ciesek: Also mit der herkömmlichen PCR, die jetzt jeder bekommt, wenn er einen PCR-Test bekommt, nicht.
Mutations-PCR
Man unterscheidet BA.1 und BA.2 eigentlich mit einer Mutations-PCR, also mit dieser Deletion 69-70, die kennen wir ja schon, die kommt nur bei BA.1 vor und die findet sich nicht bei BA.2. Das heißt, wenn Sie diese PCR machen, also eine Mutations-PCR machen und keine Deletion 69-70 finden, dann weiß das Labor, das ist entweder BA.2 oder Delta, wobei Delta natürlich immer seltener wird. Deshalb gibt es andere Schlüsselmutationen, also bestimmte Austausche, die man sich dann anschauen kann, um sich festzulegen, ist es eher BA.1, BA.2 oder Delta.
Aber oft wird das natürlich durch Sequenzierung gesichert und gemacht. Wir würden zum Beispiel im Labor, wenn wir eine Probe hätten, die nicht diese Deletion 69-70 hat, also nicht BA.1 ist, immer sequenzieren zur Sicherheit, weil es natürlich auch selten noch andere Varianten gibt und natürlich immer neue Varianten entstehen können. Und deswegen würden wir so einen Fall dann eigentlich immer sequenzieren.
Schulmann: Ist das denn überhaupt für die Patientin, den Patienten wichtig zu wissen, ob er oder sie BA.1 oder BA.2 hat?
Ciesek: Ja, das ist eine gute Frage. Für den Standardpatienten, Herrn Müller oder Frau Meier, natürlich nicht.
Antivirale Therapien und BA.2.
Es ist aber wichtig für Patienten, die ein erhöhtes Risiko haben und eine antivirale Therapie bekommen sollen. Also zum Beispiel diese monoklonalen Antikörper. Da gibt es ja jetzt diesen neuen monoklonalen Antikörper, Sotrovimab, und der ist ja bei BA.1 wirksam. Da hatten wir, glaube ich, auch schon mal drüber gesprochen. Und jetzt liegen aber erste Daten zu BA.2 vor, dass dort dieser neue monoklonale Antikörper Sotrovimab eben nicht so gut wirksam ist. Und das sind natürlich noch sehr frühe Daten, die noch bestätigt werden müssen.
Aber wenn sich das bestätigt, dann ist das natürlich für den Kliniker wichtig zu wissen, dass man zum Beispiel bei BA.2 dann eher einen anderen Antikörper einsetzen würde oder Paxlovid nehmen würde statt Sotrovimab. Das sind noch ganz frühe Daten eines Preprints, aber es ist schon, sage ich mal, wenn Sie jemanden behandeln wollen, nicht ganz egal.
Krankheitsschwere von BA.2
Schulmann: Wie steht es um den Krankheitsverlauf nach einer BA.2-Infektion? Unabhängig von der Impfung betrachtet, ist dazu schon was bekannt, also ist BA.2 noch milder als BA.1? Das würden wir uns natürlich alle wünschen.
Ciesek: Ja, da habe ich auch mal geschaut, wie die das in Großbritannien bewerten und die sagen, es gibt keine ausreichenden Daten in einem direkten Vergleich. Das ist, glaube ich, auch das, was man sagen muss. Es gibt erste Daten, kleine Beobachtungen, wo kein großer Unterschied gesehen wird, aber die sind einfach noch nicht solide genug, um da Schlussfolgerungen rauszuziehen. Und deswegen würde ich auch sagen, es gibt im Moment noch keine ausreichenden Daten, die das wirklich vergleichend untersucht haben.
Warum ist Omikron milder als andere Varianten?
Schulmann: Warum BA.1 milder verläuft als Delta, das haben Sie ja auch in Papern untersucht. Das scheint sich ja jetzt auch weiter zu erhärten, auch in dem, was wir in den Krankenhäusern erleben. Davon haben Sie ja auch schon berichtet. Vielleicht können Sie uns da noch mal einen kleinen Einblick geben. Warum ist Omikron milder als die bisherigen Varianten?
Ciesek: Letztlich ist es ja so, dass wir sehen, dass es milder ist. Es gibt ein paar Arbeiten, die zeigen, dass der Zelltropismus anders ist. Das heißt, welche Zellen Omikron besonders gern oder effektiv infiziert und welche eben nicht. Das ist ein bisschen anders bei Delta. Und auch bei Tierversuchen hat man gesehen, dass weniger schwere Erkrankungen entstehen. Das liegt zum Teil daran, dass sich das nicht so gut in der Lunge, also in den tiefen Atemwegen repliziert, eher in den oberen Atemwegen.
Delta und Interferon-Wege
Und was wir gezeigt hatten, das ist auch publiziert, also von einem Institutskollegen, dass Delta die Eigenschaft hat, Interferon-Wege zu stören. Interferone sind ja körpereigene Proteine, die ganz wichtig sind für die initiale Immunantwort auf Virusinfektionen. Das heißt, das ist so unspezifisch. Die werden vom Körper produziert auf eine Antwort auf eine Virusinfektion und spielen da eine ganz, ganz wichtige Rolle.
Und wenn die Interferone nicht ihre Arbeit machen können, weil sie gestört werden, kann sich das Virus einfach leichter verbreiten und hat leichteres Spiel und dann kann es zu schweren Verläufen kommen. Interferone spielen bei allen möglichen Viruserkrankungen eine Rolle. Und man weiß von Delta und von den anderen Varianten, dass das Virus in der Lage ist, diese Interferon-Antwort zu boykottieren, sage ich mal, also zu stören und sich so ein bisschen zu verstecken vor unserer Körperpolizei oder -abwehr.
Omikron scheint das nicht zu können. Das haben wir schon gezeigt, dass wir Unterschiede sehen, je nachdem, ob Zellen Interferon-kompetent sind oder nicht, da sieht man Unterschiede. Und das könnte daran liegen, dass Omikron diese Eigenschaft nicht so besitzt wie Delta und die anderen Varianten. Was wir jetzt noch geschaut haben, ist, dass Interferone ja auch immer im Laufe der Pandemie als Therapie diskutiert wurden. Da haben wir auch vor einem Jahr oder länger darüber gesprochen, dass es inhalative Interferone gibt. Und was die Kollegen auch zeigen konnten, dass man mit Interferon-Alpha, -Beta und Interferon-Gamma das Virus in der Vermehrung blocken und hemmen kann in Zellkultur und dass man dafür viel, viel weniger braucht als bei Delta.
Und das legt nahe, dass dieser Interferon-Weg nicht gestört ist und könnte natürlich auch wichtig für eine Behandlung sein. Das heißt, wenn es bei Delta nicht geklappt hat, weil man so hohe Dosen brauchte oder Dosen brauchte, die man gar nicht erreichen konnte, scheint es jetzt bei Omikron einfach sensitiver zu sein und könnte ein Hinweis darauf sein, dass man hier vielleicht mit Interferonen mehr erreichen kann. Das sind aber wie gesagt Zellkulturdaten, erste Daten. Und die nächsten Schritte sind, dass man das natürlich in einem Tiermodell überprüft und dann auch in klinischen Studien überprüft, ob zum Beispiel die inhalative Gabe von Interferon jetzt mit Omikron effektiver ist oder bessere Ergebnisse bringt als bei den alten Varianten Alpha und Delta.
Schulmann: Was würden Sie denken, wie lange dauert dieser Prozess? Wann wird es das erste Mal in Krankenhäusern wirklich durchgeführt, dieser Behandlungsweg?
Ciesek: Das ist immer eine gute Frage. Ich glaube, das stellen sich Laien immer falsch vor. Wir sind ja in der Virologie eigentlich das Labor. Wir machen unsere Laborarbeit und publizieren die Studien. Und jetzt brauchen Sie noch jemanden, der das so interessant findet und das dann aufgreift und daraus eine klinische Studie macht. Die machen wir ja nicht selber, sondern die machen entweder zum Beispiel Pharmaunternehmen oder große Kliniken, die klinische Studien durchführen.
Und da sind wir auch ein bisschen immer von abhängig, ob die das dann machen. Also das ist nicht in unserer Hand, leider. Und deswegen kann ich das überhaupt nicht sagen, ob jemand sagt: "Hey, das sieht so vielversprechend aus. Ich möchte da jetzt eine klinische Studie machen." Da habe ich leider keinen Einfluss drauf.
Verlauf von Omikron bei Kindern
Schulmann: Gibt es Neuigkeiten zum Verlauf von Omikron bei Kindern? Wir hören ja immer wieder von steigenden Zahlen hospitalisierter Kinder, zum Beispiel aus den USA, aus der Schweiz oder Großbritannien. Aber es ist ja nicht immer klar, ob der Anteil der hospitalisierten Kinder tatsächlich steigt oder ob der Anstieg bedingt ist durch die weitaus höhere Inzidenz in den Ländern allgemein. Aber auch im Bekanntenkreis habe ich jetzt immer öfter von Verläufen gehört, die zwar offiziell bei Kindern als mild oder moderat eingestuft werden würden, aber nicht einfach nur so ein kleiner Schnupfen sind, sondern auch wirklich mit hohem Fieber tagelang und zum Beispiel auch heftigem Erbrechen einhergehen. Gibt es dazu neue Daten?
Ciesek: Ja, vielleicht erst mal generell, dieses "schwerer Verlauf", "leichter Verlauf", ich glaube, da sind die Definitionen dem Laien nicht klar. Also wenn Sie sagen, Fieber und Erbrechen und das Kind ist so schwer betroffen, das ist natürlich schrecklich für das Kind und nicht schön für die Eltern und unangenehm, aber das ist nicht die Definition eines schweren Verlaufs einer Covid-Erkrankung. Genauso bei Erwachsenen. Wenn jemand sagt: "Oh, ich habe so einen schweren Verlauf. Ich hatte eine Woche Fieber und lag im Bett." Das ist nicht die offizielle Definition einer Hospitalisierung und Sauerstoffflüchtigkeit.
Ich glaube, da gibt es so unterschiedliche Definitionen und Vorstellungen, was eigentlich schwerer Verlauf heißt. Also ich glaube, man muss sich davon verabschieden, dass man zum Beispiel mit Omikron auch als Geimpfte nur "einen Schnupfen" hat und das als milden Verlauf kennzeichnet. Sondern auch, dass ein milder Verlauf gemeint ist, dass man eine Woche im Bett liegt und Fieber hat. Und das ist, glaube ich, so ein bisschen in der Bevölkerung unklar, was mit schweren Verläufen gemeint ist.
Aber jetzt zu den Kindern, da habe ich mal in den Daten geschaut, die ich jetzt gefunden habe, auch zum großen Teil aus Großbritannien. Und da gab es Ende Januar aus Cambridge Daten, die gesagt haben, dass sie sehen, dass bei Erwachsenen das Risiko für eine stationäre Aufnahme bei Omikron niedriger ist im Vergleich zu Delta und bei Kindern unter zehn sei es genauso. Also die sehen keinen Unterschied in dem Risiko der Krankenhausaufnahme bei Delta und bei Omikron. Das ist ja schon mal ganz interessant. Das wäre ein deutlicher Unterschied.
Es ist nicht schwerer, aber die sagen, dass es bei unter Zehnjährigen vergleichbar ist mit Delta und bei über Zehnjährigen, also bei Erwachsenen und Älteren deutlich seltener vorkommt. Anfang Februar gab es wiederum Daten aus London, aus dem King's College, die sagen, dass tatsächlich ein Drittel bis die Hälfte geringere Krankenhauseinlieferungen nötig sind bei Omikron, also dass es dort deutlich milder ist, und dass die Kinder, die ins Krankenhaus kommen, keine schweren Erkrankungen aufweisen. Sodass ich mich dann gefragt habe, das sind jetzt so ein bisschen meine Gedanken und nicht bewiesen, also bitte nicht festnageln. Aber ich kann mir vorstellen, dass es ein Unterschied ist, dass kleine Kinder, das sind meistens ganz kleine Kinder, wo das aufgefallen ist, dass die ins Krankenhaus kommen, dass das einfach eine etwas andere Erkrankung oder Symptomatik ist.
Pseudokrupp
Also was man ja oft hört, ist, dass es bei Omikron zu so einem Pseudokrupp kommt, also zu einer Verlegung der Atemwege, der oberen Atemwege oder auch der Bronchien. Natürlich sind bei ganz kleinen Kindern die Bronchien eh ganz klein und fein und werden viel schneller verlegt oder sind mal verstopft, mit Schleim zum Beispiel, wenn die erkranken, als bei einem großen Kind oder bei einem Erwachsenen. Das gibt es bei vielen respiratorischen Infektionen, dass ganz Kleine da mehr Probleme haben, weil einfach die Atemwege so klein und so eng sind.
Und wenn sich jetzt Omikron wirklich vor allen Dingen in den Bronchien vermehrt, kann ich mir auch vorstellen, dass es da einfach oft zu diesen Pseudokrupp-Beschwerden kommt und Verlegung der Atemwege, Engstellung oder Problemen bei der Atmung und dass dann natürlich die Eltern damit ins Krankenhaus gehen und die Kinder überwacht werden. Aber das ist natürlich eine andere Erkrankung, als wenn Sie mit einer echten Pneumonie, Virus-Pneumonie oder einem ARDS (akutes Atemnotsyndrom/d. Red.) ins Krankenhaus kommen, also schwere Veränderungen der Lunge. Das sind Erkrankungen, die oft Wochen dauern, bis die ausheilen. Und vielleicht liegt es daran, dass die ganz Kleinen häufiger Atemwegsbeschwerden haben, die aber ganz schnell reversibel sind. Also relativ schnell wieder weggehen.
Ich weiß es nicht, aber das ist so ein bisschen mein Eindruck von dem, was ich lese, dass sich das dadurch begründet. Also das ist unangenehm, so ein Pseudokrupp, ganz sicherlich, aber es ist, denke ich mal, schneller behandelbar und besser behandelbar als eine echte Virus-Pneumonie mit Veränderungen in der Lunge und auch zum Teil vielleicht schweren entzündlichen Reaktionen in der Lunge und Umbau der Lunge, gibt es ja auch.
Und es könnte sein, dass das eine Rolle spielt. Also wie gesagt, habe ich einfach nur beim Lesen öfter jetzt mal gedacht, dass vielleicht sich der Unterschied vielleicht in den Ausprägungen der Symptome findet und welche Symptome die haben. Und deshalb, dass bei Omikron die Infektion doch milder ist, aber doch häufig zu Krankenhauskontakten bei ganz Kleinen führen kann.
Diskussion um die Impfpflicht
Schulmann: Ich glaube, wir müssen beim Thema Erkrankung und Schutz durch Impfungen heute auch einmal ausdrücklich über eine mögliche Impfpflicht sprechen, weil gerade überall, wo man hinhört, heftig darüber diskutiert wird.
Ich würde das gerne aus rein virologisch-medizinischer Sicht mit Ihnen besprechen, also rechtliche Fragen und politische Anliegen jeder Art würde ich dazu gerne außen vorlassen, wenn Sie einverstanden sind. Und auch noch mal einige Aspekte dazu aus dem letzten halben Jahr wiederholen. Das Robert Koch-Institut geht von einer neuen Corona-Welle im Herbst 2022 aus. Das heißt, die Pandemie ist für uns in Deutschland also noch nicht beendet, die Endemie noch nicht erreicht. Liegt das an der hohen Zahl von Ungeimpften oder an der relativ hohen Zahl von ungeimpften Menschen über 60?
Ciesek: Ich glaube, das lässt sich schwer sagen. Und was ich da wirklich empfehlen kann, es gibt einen ganz tollen Bericht auch wieder aus Großbritannien von wissenschaftlichen Beratern von SAGE, das ist die Scientific Advisory Group for Emergency. Den müssen wir auch unbedingt verlinken, weil den kann man nicht gut erzählen, den muss man sich einfach mal in Ruhe angucken und überlegen, was die einem eigentlich sagen wollen. Und der, finde ich, ist ganz wichtig auch für die Frage der Impfpflicht. Das hat übrigens der Expertenrat sehr schön formuliert. Da kann ich mich eigentlich anschließen. Und zwar ist ja die Impfpflicht eine rein politische Entscheidung.
Lückenlose Immunität
Aber wie die es formuliert haben oder was die fordern, ist, eine möglichst lückenlose Immunität soll angestrebt werden. Das ist, glaube ich, das Ziel. Aber jetzt noch mal zu diesem SAGE-Bericht. Die haben vier Szenarien geschaffen für die Zukunft, also für die nächsten zwölf bis 18 Monate, aber auch langfristig. Und die vier Szenarien zeigen mögliche Verläufe der Pandemie für das Vereinigte Königreich. Das ist natürlich auch in gewisser Weise übertragbar auf Deutschland und andere Länder. Und alle diese Szenarien gehen davon aus, dass das Virus SARS-CoV-2 natürlich in absehbarer Zeit weiterzirkulieren wird und dass neue Varianten entstehen.
Das ist, glaube ich, etwas, wovon wir ausgehen müssen, dass das nicht verschwindet. Ich glaube, das haben die meisten Menschen auch schon verstanden oder wahrgenommen. Und dass man einfach dieses neue Virus nicht loswird, sondern das weitere Leben, aber auch die Krankenhausplanung und so immer einberechnen muss, dass es jetzt eine weitere Viruserkrankung geben wird. Und ja, die überlegen einfach, welche Entwicklung die Pandemie nehmen wird. Sie sagen auch, dass das natürlich nicht unbedingt eintreffen muss nach einem Szenario, sondern dass es auch sein kann, dass man von einem Szenario ins nächste geht.
Und dann gibt es ein Best-Case-Szenario und Worst-Case-Szenario und zwei, die so in der Mitte sind. Und man geht bei jedem Szenario auch davon aus, dass im Laufe der Zeit, und da gehen die von zwei bis zehn Jahren aus, ein stabiles, sich wiederholendes Muster erreicht wird. Und deswegen finde ich auch ganz wichtig, dass die einfach auch mal sagen: Selbst wenn wir jetzt alle Maßnahmen aufheben, wir werden dieses Virus ja nicht los und es wird wieder langfristig auch Probleme geben können. Dafür ist der Bericht auch gut. Da muss man nur ein bisschen mehr Zeit investieren.
Aber wir wissen einfach auch nicht genau, wie die nächsten Jahre aussehen würden. Und dann sagen sie noch, dass die frühen Wellen von Alpha und Delta durch eine erhöhte Übertragbarkeit der Varianten ausgelöst wurden, dass sie davon ausgehen, dass in Zukunft eher Varianten entstehen, die mehr eine Immunflucht haben, also ein Immunescape, und dass auch die nachlassende Immunität wichtige Faktoren sind. Also das ist ja, wenn man mal weiterdenkt, wir reden jetzt immer von Impfungen alle drei Monate oder unser Horizont sind drei Monate.
Was ist in ein paar Jahren?
Die Frage ist ja, was ist in zwei Jahren, in drei Jahren, wenn da keiner mehr drüber reden möchte. Ist es so wie bei Influenza, dass man das einfach jedes Jahr auffrischen muss? Und dann sagen sie: Da spielen natürlich auch noch Dinge eine Rolle wie die Co-Zirkulation von anderen Varianten, also dass Delta und zum Beispiel Omikron oder auch andere Varianten weiter koexistieren. Bisher haben wir immer gesehen, dass eine Variante die andere abgelöst hat.
Aber sie sagen, es ist auf jeden Fall möglich, dass zwei Varianten koexistieren, also zum Beispiel Delta und Omikron, weil die globale Immunität, also weltweit gesehen, so unterschiedlich ist und wir natürlich Länder haben, wo die Impfquoten so niedrig sind, dass dort Delta noch sehr gut zirkulieren kann, und andere Bereiche, wo zum Beispiel eher Omikron bei den Geimpften zirkuliert.
Rückkopplungsschleife
Und dann gibt es auch immer eine Rückkopplungsschleife. Das sehen wir ja auch. Das heißt, wenn man eine hohe globale Prävalenz hat, also wenn es viele Infektionen weltweit gibt, dann ist die Möglichkeit, dass sich das Virus weiterverändert, natürlich viel höher. Also wir bieten dem Virus ja die Möglichkeit, sich zu verändern, wenn es viele Infektionen gibt. Und wenn dann dadurch neue Varianten entstehen, das treibt dann wieder die Zahl der Infektionen hoch.
Das ist sozusagen eine Schleife, in der wir uns befinden und was wir ja auch mit Omikron schon ganz gut gesehen haben. Und sie sagen, dass die weltweite Impfquote sehr wichtig ist. Das haben wir auch schon mehrmals besprochen. Und sie sagen außerdem, es gibt eigentlich so vier Faktoren, die wichtig sind für diese Szenarien. Das eine ist, was für Varianten entstehen, also wie ist der Immunescape dieser neuen Varianten?
Wie ist die Übertragung, die Übertragbarkeit? Ist die höher oder niedriger? Wie schwer wird man krank durch diese neue Variante? Liegt das eher bei Omikron, dass es etwas milder ist, oder liegt es bei Delta, also schwerere Erkrankung? Oder liegt es sogar da drüber oder da drunter? Und ein weiterer wichtiger Faktor ist, wie wirken noch unsere antiviralen Medikamente, die wir mittlerweile haben? Wirken die weiter oder gibt es da Resistenzen?
Best-Case Szenario
Dann haben die vier Szenarien aufgelistet von dem Best-Case-Szenario, wo man Varianten hat, die gleich übertragbar sind und die gleiche Krankheitsschwere haben wie jetzt und kaum Immunescape und haben eine gute Wirksamkeit gegen antivirale Medikamente. Dann würde man erwarten, dass es in zwölf bis 18 Monaten ein geringes Wiederaufflammen im Herbst/Winter gäbe, was ja auch das RKI vorhersagt, aber auch nur gering und auch nicht viele schwere Erkrankungen. Das wäre sozusagen das Beste, was passieren würde. Und setzt aber voraus, dass zum Beispiel auch die antiviralen Medikamente noch gut wirken.
Zweites Szenario
Das zweite Szenario ist schon ein bisschen pessimistischer oder nicht ganz so positiv. Die sagen, gleiche Transmission, gleicher Immunescape, gleiche Krankheitsschwere würde dazu führen, dass wir jährliche Infektionswellen haben mit guten und schlechten Jahren. Je nachdem, was für eine Variante entsteht. Ist es eher eine mit Delta oder es ist eher eine mit Omikron vergleichbare Variante? Und da würden dann vor allen Dingen Ältere, Immunsupprimierte und Ungeimpfte schwer erkranken. Man würde dann wahrscheinlich jährlich Risikogruppen impfen und mehr Leute impfen in diesen schlechten Jahren, also wenn eine starke Welle kommt.
Und man würde auch in einigen Ländern diese nicht-pharmazeutischen Interventionen brauchen in den schlechten Jahren. Und da geht man dann auch in dem Szenario davon aus, dass die antiviralen Medikamente nicht mehr so gut wirken und man die zum Beispiel kombinieren muss. Das wäre dann ein Szenario für die nächsten Monate oder Jahre, dass es halt saisonale Wellen sind, die ungefähr so sind wie jetzt diese Omikron-Welle. Und das sind die beiden optimistischeren Szenarien. Und dann gibt es noch Szenario drei und vier.
Szenario drei
Ich glaube, die muss man sich einfach mal in Ruhe angucken, was das bedeutet, dass es einfach Varianten gibt, die dann doch zum Beispiel eine höhere Transmission haben oder mehr Immunescape wieder haben. Und dann bei gleichbleibender Krankheitsschwere, das wäre Szenario drei, dann würde man halt doch strengere nicht-pharmazeutische Interventionen in einigen Ländern einführen. Man bräuchte natürlich mehr Geimpfte, also würde wahrscheinlich jährlich mit aktuellen Impfstoffen impfen.
Worst-Case-Szenario
Szenario vier ist sozusagen das Worst-Case-Szenario, dass man ja sehr große Infektionswellen und doch auch immer wieder sehr schwere Erkrankungen hätte in weiten Teilen der Bevölkerung. Und die schwersten Auswirkungen natürlich bei denen, die nicht so gut geschützt sind. Und diese Szenarien finde ich ganz wichtig, weil sie verdeutlichen so ein bisschen dieses Dilemma oder auch dieser Wunsch, jetzt alles zu öffnen. "Alles ist vorbei. Die Impfpflicht ist nicht nötig. Wir wollen wieder zurückkehren." Dass das so einfach nicht ist, weil es einfach nicht so sein wird, dass Covid verschwindet und dass das einfach ein fester Bestandteil wird des weiteren Lebens, muss man sagen. Und ich denke, wer Lust hat, sollte sich die auf jeden Fall mal angucken und auch so ein bisschen reinversetzen, was das bedeuten würde.
Ich finde das aber wichtig, um auch zu verstehen, warum man diese Immunitätslücken möglichst schließen sollte, weil wir uns sonst einfach in einem Kreislauf befinden und immer wieder riskieren, dass einfach das Ganze wieder von vorne anfängt, man wieder Maßnahmen treffen muss. Und das ist auch noch mal wichtig, es zeigt auch noch mal bei diesen vier Szenarien, wie wichtig es eigentlich ist, dass man auch weltweit eine hohe Immunität erreicht und sich auf jeden Fall auch noch mal darum kümmert, dass es eine höhere Impfquote auch in Afrika zum Beispiel gibt.
Und sie zeigen alle, dass Impfungen einfach die Schlüsselrolle spielen, um möglichst ein optimistischeres Szenario zu erreichen. Und alle Szenarien gehen auch davon aus, dass wir einfach mehrmals in unserem Leben Kontakt haben werden mit dem Virus und dass sich das gar nicht vermeiden lässt. Es zeigt auf jeden Fall, dass das alles nicht so schnell vorbei ist. Man hat manchmal, finde ich das Gefühl, dass viele Leute denken, die Impfpflicht ist jetzt da und eigentlich ist das viel zu spät, weil die Pandemie ist eh vorbei. Diese Szenarien, finde ich, sind mal gut, sich damit zu beschäftigen, dass es eben nicht vorbei ist, sondern dass die davon ausgehen, dass es zwei bis zehn Jahre dauert, bis man wirklich eine stabile Phase erreicht.
Und das fand ich ganz spannend und hoffe, dass es da vielleicht noch mehr Länder gibt oder mehr Wissenschaftler gibt, die so was mal entwerfen, weil das doch einem die Augen öffnet. Und dass es eben nicht so ist, dass man das einfach ausblenden kann, auch langfristig nicht. Das geht ja dann auch noch weiter. Auch die Krankenhäuser, die Politik, die Gesundheitspolitik muss sich darauf einstellen, dass es immer dazukommt, jedes Jahr, und natürlich dafür Ressourcen schaffen. Und das ist zum Beispiel etwas, was ja noch gar nicht passiert. Wir leben ja immer im Hier und Jetzt und versuchen, "kurzfristig" die Wellen zu brechen oder zu überleben.
Mittelfristige und langfristige Planung
Aber diese langfristige, mittelfristige Planung, die ist ja, was uns noch komplett fehlt. Und wo bisher aufgrund der akuten Situation kaum jemand zu kommt, das zu überlegen, aber doch von einigen auch gefordert wird. Und da spielt natürlich die Immunitätslücke eine große Rolle, weil umso mehr Viruszirkulation man zulässt, umso eher entstehen diese Varianten und umso mehr Probleme kriegen wir. Und das ist jetzt vielleicht nicht direkt auf die Impfpflicht zu beziehen, aber ich möchte verdeutlichen, wie wichtig es ist, diese Immunitätslücken wirklich zu schließen, und das aber auch weltweit möglichst zu schließen.
Und, das haben Sie schon gesagt, es ist Aufgabe der Politik, wie man das macht und schafft. Ich glaube, es gibt jetzt mehrere Preprints und Paper, die sagen: Wenn man nur eine Infektion mit Omikron hatte, hat man keinen Schutz vor einer Delta-Infektion, wenn man sich die neutralisierenden Antikörper anschaut, also sich mit Delta infizieren kann. Und das ist natürlich wieder ein Boden für weitere Vermehrung von Delta, dass Delta koexistiert. Und das würden wir nur schaffen, wenn möglichst alle so viel Immunität gegen Delta hätten, dass Delta sich nicht weiter durchsetzen kann. Ja, es wirkt ein bisschen wie eine Endlosschleife.
Schulmann: Das wäre also ein Argument für eine Impfpflicht.
Ciesek: Für eine Impfpflicht nicht, für die Schließung der Lücken der Immunität auf jeden Fall. Ich selber bin jemand, der natürlich gerne um die Impfpflicht herumkommen würde, weil ich lieber Menschen überzeuge. Ich möchte lieber die Menschen davon überzeugen, dass sie verstehen, dass es das Richtige ist für sie, für die Gesellschaft, also für die Pandemie. Und ich finde auch wichtig, dass man, wenn man so eine Impfpflicht machen möchte, dass man auf jeden Fall den Menschen noch mal gute Beratung anbietet. Ich merke immer wieder an E-Mails, die ich bekomme, dass viele Menschen einfach unsicher sind und anscheinend keinen adäquaten Ansprechpartner für sich finden. Und wenn die dann schon bis zu mir vordringen, mir schreiben, denke ich, wie viele gibt es, die vielleicht gar keinen haben, mit dem sie drüber reden können?
Aufklärungsgespräche
Und ich glaube, es gibt auch in einem der Gesetzesentwürfe die Idee, verpflichtende Gespräche, Aufklärungsgespräche einzuführen. Das ergibt, glaube ich, sehr viel Sinn, weil es ist nicht jeder ein Impfgegner, der nicht geimpft ist. Das muss ich mal ganz klar sagen. Sondern viele sind auch absolut verunsichert und brauchen einfach wirklich die Aufklärung und vielleicht auch mal die individuelle Beratung, was das für ihren Fall bedeutet, sich nicht impfen zu lassen. Deswegen, das ist auf jeden Fall, wenn man an die Impfpflicht denkt, ein ganz wichtiger Schritt, dass es möglichst viele Leute selbst einsehen oder sich überzeugen lassen, dass es für sie das Beste ist.
Ich glaube nur, dass man einfach nur mit einer Omikron-Infektion, das zeigen ja jetzt mehrere Studien, das ist nicht die Lösung. Und das ist so ein bisschen eines der Probleme im Moment, weil viele gerade sagen: "Ach, wir brauchen keine Impfpflicht mehr, weil das wirkt ja eh nicht bei Omikron." Das ist der Trugschluss, weil wir müssen eigentlich schon weiterdenken, nach Omikron wird mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht Schluss sein.
Stellungnahme zur Immunität von Genesenen
Schulmann: In diesem Zusammenhang können wir vielleicht auch mal noch die aktualisierte Stellungnahme zur Immunität von Genesenen anschauen, die gestern veröffentlicht wurde. Und die Sie als Vorstand der Gesellschaft für Virologie auch mit unterzeichnet haben. Darin heißt es, dass alle Menschen mit drei Antigen-Kontakten, egal ob durch Impfungen oder durch Infektionen, am besten geschützt sind. Wenn wir das auf die Impfpflicht übertragen, dann hieße das ja, alle, die sich nicht impfen lassen wollen, die müssten sich dreimal mit dem Virus infizieren, um einen solchen Schutz zu haben, wie ihn dreimal Geimpfte haben. Richtig?
Ciesek: Ja, das gibt es ja in der Form eigentlich nicht. Wie gesagt, vielleicht irgendwann mal. Aber die meisten haben ja die Konstellation, deswegen haben wir die Stellungnahme ja auch geschrieben, dass die zweimal geimpft sind und sich dann infiziert haben. Und dann in vielen Bundesländern nicht mehr unter 2G+ gefallen sind. Bei denen würde man ja nicht unbedingt sofort einen Booster empfehlen bei drei Kontakten. Der ist auch wahrscheinlich nicht nötig, wenn man mal schaut, wie knapp weltweit die Impfstoffe sind. Und auch jetzt für das Individuum, also für den individuellen Patienten nicht unbedingt nötig, außer er ist sehr alt oder immunsupprimiert.
Aber wenn das ein junger Mann um die 20 ist, zweimal geimpft, dann eine Infektion hatte, wird er wahrscheinlich erst mal nicht nach drei Monaten sofort einen Booster brauchen. Im Gegenteil, er hat sogar ein Risiko, dadurch eine Myokarditis zu entwickeln. Wenn auch in einem geringen Maße, aber das gibt es nun mal. Und deshalb haben wir ja auch diese Stellungnahme geschrieben, weil es mittlerweile einfach gute Daten gibt, dass diese drei Kontakte ausreichen und dass da auch eine Impfung durch eine natürliche Infektion ersetzt werden kann. Und dass man das auch ganz klar unterscheiden muss von Menschen, die halt eben nur eine Infektion hatten. Und bei zwei Kontakten sind die Daten ehrlich gesagt nicht ganz eindeutig oder noch nicht ausreichend. Da werden wir, wenn es andere Daten gibt, natürlich nachberichten, aber da kann man noch nicht ganz klar Stellung zu beziehen.
Schulmann: Wenn man sich das mal anguckt und sagt, die Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, die werden sich auch nicht impfen lassen, sondern die müssen sich eben dreimal infiziert haben, dreimal in Kontakt gekommen sein. Dann ist das Ende der Pandemie ja in ganz schön weiter Ferne?
Ciesek: Ja, ich glaube, das ist jetzt auch nicht die Intention, die wir damit machen wollten oder dass das irgendwie erstrebenswert wäre, dass man wartet, bis man dreimal infiziert ist, das ist es nicht. Ich glaube einfach, der Sinn war wirklich, dass sich nicht Leute, die zweimal geimpft waren und sich infiziert haben, und das sind ganz schön viele, dass die sich jetzt nicht unbedingt gezwungen sehen, sich noch mal impfen zu lassen, um unter 2G+ zu fallen.
Aber natürlich ist die Infektion immer mit Risiken behaftet, also dass Sie einen schweren Verlauf haben oder Folgeschäden haben. Und eine Impfung ist ja nur das Spike und nicht das gesamte Virus und dadurch natürlich viel definierter. Und man kann das einfach besser einschätzen, wie hier die Impfung verläuft im Verhältnis zu einer Infektion, wo man natürlich immer ein Risiko hat, auch einen schweren Verlauf zu entwickeln oder Folgeerkrankungen zu entwickeln.
Schulmann: Spricht denn aus virologischer Sicht etwas gegen eine allgemeine Impfpflicht oder ich nenne es mal gegen das Schließen der Impflücken?
Ciesek: Also gegen eine Impfpflicht, das ist, wie gesagt, juristisch, da kann man virologisch nicht viel zu sagen, ehrlich gesagt. Da habe ich auch keine Ahnung juristisch, was da umsetzbar ist. Manche sagen, ab 18 ist leichter als ab 60. Und virologisch spricht natürlich nichts gegen das Schließen der Immunitätslücken, weil das wird ja so oder so irgendwann passieren. Und umso schneller wir das erreichen, umso sicherer wird es sein bzw. umso weniger setzen wir uns dem Risiko aus, dass neue Varianten entstehen, die uns dann die Erfolge in diesen Bemühungen, die Immunitätslücken zu schließen, kaputtmachen. Und genauso wäre es natürlich gut, das schnell zu erreichen, um das Problem der schwindenden Immunität auch ein bisschen zu regulieren. Also wenn man das über Jahre macht, dann haben halt einige schon wieder natürlich eine schwindende Immunität und dann muss man immer auch überlegen, was macht man, wenn wieder neue Varianten entstehen oder schwere Wellen kommen. Wie gesagt, das ist in diesen SAGE-Szenarien ganz gut beschrieben, wenn man sich damit beschäftigt.
Booster für Kinder und Jugendliche?
Schulmann: Die werden wir auf jeden Fall verlinken. Ich würde gern noch einen Augenblick beim Thema Impfung bleiben und da auf den Booster gucken. Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland sind laut RKI geboostert. Und der Booster, also die dritte Impfung, das gilt mittlerweile als der vollständige Schutz. Allerdings, das RKI empfiehlt den Booster ja nur für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf. Und Eltern von Kindern zwischen fünf und elf Jahren, die verunsichert das schon stark. Das erfahren wir auch aus vielen Mails von Hörerinnen und Hörern. Können die Eltern denn davon ausgehen, dass für Kinder bis elf Jahre zwei Impfungen ausreichend sind?
Ciesek: Ich glaube, da muss man einmal überlegen, dass die Stiko ja keine generelle Empfehlung für die Impfung von fünf bis elf hat, deswegen können Sie auch nicht den Booster in der Altersklasse empfehlen. Das wäre ein bisschen sinnbefreit. Das ist schwierig. Da gibt es natürlich sehr wenige Daten in dem Alter drüber. Ich denke aber, dass wir vielleicht in den nächsten Monaten mehr Sicherheit bekommen. Es ist sicherlich so, dass die meisten Kinder in dem Alter jetzt erst ab Ende Dezember überhaupt geimpft werden und deswegen die Frage eines Boosters jetzt eigentlich gar nicht anstehen sollte. Sondern man geht im Moment davon aus, dass wir irgendwann im Frühjahr, im April oder Mai einen angepassten Impfstoff haben.
Den Eltern, die jetzt erst im Januar oder Dezember ihr Kind geimpft haben, würde ich da auf jeden Fall noch zur Entspannung raten und schauen und warten, bis da Daten veröffentlicht werden, wie dann dieser Impfstoff aussieht. Und da muss man jetzt, glaube ich, keine Eile haben bei gesunden Kindern. Es ist aber gut möglich, das wissen wir von vielen Impfungen, dass man einfach immer zeitversetzt eine dritte Impfung brauchen wird nach einem gewissen Abstand und dass es auch bei Kindern jetzt grundsätzlich anders ist, davon muss man jetzt nicht ausgehen. Es kann gut sein, dass sich das auch dort zeigen wird. Im Moment, wie gesagt, gibt es kaum Daten. Ich persönlich würde eher bei den Kindern, die jetzt im Dezember oder Januar geimpft sind, warten, bis die neuen Daten dann auch kommen zu neuen Impfstoffen oder zu den angepassten Impfstoffen.
Schulmann: Aber das ist schon noch was, was ich nachvollziehen kann, dass das irritiert oder dass das viele Eltern irritiert, wenn sie denken, dass die Kinder vielleicht gar nicht vollständig geschützt sind. Und gleichzeitig wird jetzt ein Vorstoß von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien debattiert, die sagt, man müsse an den Schulen raus aus einer Kultur der Angst. Wenn es bald Lockerungen gebe, dann müssten die auch an den Schulen gemacht werden.
Das heißt, Tests und Maskenpflicht müssten nach und nach fallen. Und das ist jetzt genau in einem Moment, in dem die Inzidenz in der Altersgruppe von fünf bis 14 Jahren laut letzten RKI-Wochenbericht am höchsten ist von allen Altersgruppen mit 3.500 pro 100.000 Einwohnerinnen. Was wiegt Ihrer Meinung schwerer? Können Sie das irgendwie einschätzen? Die Erleichterung für Schülerinnen durch weniger Maßnahmen und das Wissen, es erkranken weniger Kinder und Jugendliche schwer, oder die Unsicherheit vor Long Covid auch bei leichteren Erkrankungen und diese hohe Zahl an Infektionen. Kann man das irgendwie einschätzen?
Ciesek: Nein, weil ich glaube, das ist individuell sehr unterschiedlich. Es gibt, glaube ich, da wirklich ganz unterschiedliche Ansichten. Aber vielleicht noch mal zum vollständigen Schutz. Man muss ja ehrlich sein, dass, wenn man sich jetzt bei den Erwachsenen die Zahlen anschaut, dann infizieren sich auch Menschen mit Omikron, die dreimal geimpft sind. Das ist bei den Kindern jetzt nicht das schlagende Argument, sie zu boostern, jetzt ganz schnell nach der zweiten Impfung, dass sie sich dann nicht infizieren, weil das ist ja eigentlich nicht so. Es kann trotzdem zu einer Infektion kommen und bietet jetzt mit Omikron und dem Immunescape keinen hundertprozentigen Schutz, so ein Booster. Und gleichzeitig sehen wir aber an den Daten aus den USA, dass nach zweimaligen Impfungen bei den Kindern das Risiko für PIMS zum Beispiel deutlich reduziert ist.
Deshalb, wie gesagt, glaube ich, würde ich da schon auch drauf achten, dass einfach der Abstand zwischen den Impfungen nicht zu kurz ist, weil viel hilft nicht immer viel, sage ich mal. Das ergibt jetzt auch keinen Sinn, alle acht Wochen oder so zu boostern. Auf gar keinen Fall, weil zwischen den Impfungen muss ja auch eine gewisse Zeit sein, damit die Immunantwort ausreifen kann und man dem Körper einfach auch Zeit lässt, die Immunantwort zu bilden. Und mit den Schulen, das finde ich eine sehr schwierige Frage. Ich glaube, da können Sie zehn Leute fragen und kriegen zehn Meinungen. Ich möchte mir nicht anmaßen, darüber zu spekulieren, wer jetzt recht hat oder wer welche Befindlichkeiten oder Empfindungen dabei hat.
Ich glaube, man muss alle ernst nehmen. Das ist ganz wichtig. Ich meine, ich habe ja selber ein schulpflichtiges Kind in der Grundschule und sehe schon, dass das eine wahnsinnige Belastung ist im Moment mit diesen hohen Omikron-Zahlen. Das sieht man immer wieder, dass manchmal ganze Klassen, halbe Klassen fehlen und in Isolation oder Quarantäne sind. Und ich glaube, man muss sagen, dass man auf jeden Fall erst mal schauen muss, dass man eine gute Aufklärung für Kinder zum Impfen hat, dass man allen die Möglichkeit bietet, einen Impftermin für ihre Kinder auszumachen. Eine gute Aufklärung hat, die Fragen der Eltern beantwortet.
Maßnahmen in Schulen überprüfen
Und dann muss man aber auch immer wieder die Maßnahmen, die in den Schulen vorhanden sind, überprüfen und schauen, sind die noch zeitgemäß? Sind die noch das, was sie erreichen? Und das finde ich im Moment zum Teil schwierig, weil man ja auch immer wieder mitbekommt, dass zwar die Kinder getestet werden, aber dann niemand wirklich in Quarantäne geht, wenn der Nachbar positiv ist. Dann muss man sich natürlich schon fragen: Was ist genau der Benefit von dem Testen zum Beispiel? Letztes Mal wurde das auch schon im Podcast so ein bisschen angesprochen.
Masken
Masken, muss ich sagen, ist auch sehr individuell unterschiedlich. Ich kenne Kinder, inklusive meines, die das überhaupt nicht stört, die sogar mittlerweile sagt, dass das irgendwie, wenn es kalt draußen ist, angenehmer ist als ein Schal. Und andere Kinder stört das ganz wahnsinnig und die fühlen sich dadurch sehr eingeengt. Deswegen, ich glaube, das kann man kaum pauschal beantworten. Ich persönlich finde, dass Masken jetzt keine große Problematik sind, aber es gibt sicherlich Leute, wo das anders ist. Und ein relativ einfaches Werkzeug, um sich zu schützen und zumindest die Virendosis, die man abbekommt, auch zu reduzieren.
Und ich glaube, es wäre in den Schulen falsch, das haben wir schon ganz am Anfang gesagt, alle Maßnahmen fallen zu lassen, weil die Infektionszahlen einfach zu hoch sind und dann ansteigen würden und das für den Unterricht auch nicht gut ist. Das Argument ist ja immer, dass die Kinder ein Recht auf Bildung haben. Das haben sie auch. Aber ich glaube, sie brauchen auch eine sichere Bildung und einen sicheren Ort und einfach ein bisschen Kontinuität. Und wenn dann wieder die Infektionen ansteigen und dauernd die Hälfte der Klasse fehlen würde, irgendwann ist man da natürlich auch durch, aber dann wäre das natürlich einfach auch nicht gut.
Ich glaube, das ist was, worunter Kinder auch leiden, wenn diese Unruhe einfach ständig ist und man dauernd nicht weiß, ob jetzt die Freundin morgen da ist oder der Nachbar jetzt Corona hat. Und ich glaube, da muss einfach ein bisschen Ruhe rein. Und dass es deutlich einfacher für die Schulen ist, wenn die Infektionszahlen insgesamt niedriger sind.
Boosterempfehlung für bestimmte Personengruppen
Schulmann: Sie haben jetzt gerade schon weitere Booster angesprochen. Dazu gibt es jetzt eine Empfehlung der Stiko zum zweiten Booster für einige Personengruppen. Bisher war es die dritte Impfung, die vor einem schweren Covid-19-Verlauf schützen sollte. Das gilt für die meisten Personengruppen auch weiterhin.
Zweite Booster-Impfung
Aber über 70-Jährige und Bewohnerinnen von Alten- und Pflegeheimen und Menschen mit Immunschwächekrankheiten ab fünf Jahren, denen empfiehlt die Stiko jetzt noch einen zweiten Booster. Und der soll frühestens drei Monate nach dem ersten Booster geimpft werden und bei Beschäftigten in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen frühestens nach einem halben Jahr nach dem ersten Booster. Sie haben hier im Podcast auch schon darauf hingewiesen, dass ältere Menschen mehr Impfungen brauchen werden als jüngere, um eine gute Immunantwort aufzubauen. Aber jetzt ist ja auch der Omikron-Booster in einigermaßen greifbarer Nähe. Sie haben gerade von April, Mai gesprochen. Ist es denn jetzt sinnvoll, mit dem ursprünglichen Impfstoff eine vierte Impfung vorzunehmen? Sollte man dann nicht lieber einfach noch ein paar Wochen warten und dann direkt den Omikron-Impfstoff nehmen?
Ciesek: Ich glaube, das ist auch was, was man nicht pauschal beantworten sollte, sondern was von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann. Ich glaube schon, dass, wenn man zum Beispiel Bewohner eines Alten- und Pflegeheims ist, sehr alt ist und noch irgendwelche Medikamente nimmt, die das Immunsystem unterdrücken, ergibt das Sinn, es jetzt zu machen. Weil jetzt sind die Inzidenzen hoch und man weiß aus den ersten Daten von Israel, dass das noch mal dazu führt, dass doch die schweren Verläufe noch mal reduziert werden können. In dem Fall würde ich mal sagen: Ja, das ergibt Sinn.
Es gibt aber auch viele Fälle, wo es grenzwertig ist oder vielleicht nicht so sinnvoll ist. Also wenn man jetzt eine 23-jährige Krankenschwester hat, die dreimal geimpft ist und die überhaupt keine Risikofaktoren hat, kann man schon diskutieren: Ist das jetzt wirklich nötig, dass die sich boostern lässt? Weil wir auch wissen, das haben wir auch letztes Mal besprochen, dass man sich auch mit vier Impfungen mit Omikron anstecken kann. Das heißt, das ist kein Garant, dass man sich nicht mit Omikron infiziert. Ich glaube aber, dass nach drei Impfungen bei so jungen Leuten das Risiko für einen schweren Verlauf so gering ist, dass der individuelle Nutzen für diese Person ein ganz anderer ist als für die ältere Dame im Pflegeheim. Und deshalb, ich bin immer ein Fan von individueller Medizin, würde ich da auf jeden Fall auch ein bisschen schauen, wer vor einem sitzt, ob ich dem zu der vierten Impfung rate.
Ich glaube, die junge Frau zum Beispiel, um die beiden Beispiele zu nehmen, kann sicherlich warten und schauen. Und die ältere Dame, die kann nicht warten, weil, wenn vielleicht der Impfstoff gegen Omikron erst im Mai kommt, es ist ja nicht ausgeschlossen, dass sie sagt: "Okay, jetzt ist August, September, jetzt lasse ich mir das Update geben." Und wir rechnen ja jetzt nicht mit besonders hohen Zahlen zwischen Mai und August, also in der Sommerzeit, sodass das vielleicht auch eine Lösung ist. Bei ganz Jungen würde ich das aber nicht präferieren, weil das einfach wahrscheinlich zu viel ist für die oder einfach unnötig, sich alle drei Monate boostern zu lassen. Bei Älteren kann das andere Gründe haben. Gerade bei Immunsupprimierten ist das natürlich anders zu bewerten. Da würde ich also wirklich schauen, wer sitzt da vor mir und was hat der persönlich davon? In welchem Kontext lebt er?
Schulmann: Sie haben gerade gesagt, ein zu viel an Impfungen. Also zum Beispiel der Fall, eine ältere Person hat sich jetzt gerade den zweiten Booster geben lassen. Dann kommt der Omikron-Booster auf den Markt, in die Praxen. Kann sich diese Person dann gleich noch mal, also vielleicht nach zwei Wochen, mit dem Omikron-Booster impfen lassen? Also kann es ein zu viel an Impfung geben? Enden zu viele Booster kurz nacheinander irgendwann schädlich für die einzelnen Menschen?
Ciesek: Wenn man bei der Stiko schaut, dann schreiben die, dass es keine Sicherheitsbedenken gibt für eine Auffrischungsimpfung bei noch bestehender Immunität. Und deshalb wird ja auch nicht empfohlen, grundsätzlich ein Antikörpertest bei jedem zu machen. Trotzdem löst natürlich jede Impfung auch eine Immunreaktion aus. Und die EMA zum Beispiel, da hat jemand auch gesagt, dass man es sich bei weiteren Boostern schon überlegen sollte, denn zu viele Auffrischungsimpfungen in zu kurzen Abständen können zu Problemen mit der Immunreaktion führen. Und ich bin kein Immunologe.
Aber Christine Falk, das ist die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie und eine meiner ehemaligen Kolleginnen aus Hannover, die hat es mal im "Spiegel"-Interview versucht zu erklären, die ist da wahrscheinlich auch der deutlich kompetentere Ansprechpartner. Sie hat gesagt, dass diese Zellen ein immunologisches Gedächtnis ausbilden, also das, was ich auch versucht habe zu sagen. Und dass dann einfach Krankheitserreger auch langfristig erkannt und unschädlich gemacht werden können. Wenn man aber zu oft und zu früh immer wieder in diese Bildung des immunologischen Gedächtnisses, in diesen Prozess, eingreift mit zum Beispiel Booster-Impfung, kann man den auch stören und dann könnte bei T-Zellen eine gewisse Art von Erschöpfung eintreten. Und wie gesagt, das müssten wir sie mal fragen, was genau das für Konsequenzen hat.
Globale Sicht
Das ist wahrscheinlich das eine Argument, aber auch global betrachtet, ist es wahrscheinlich einfach sinnvoller, dann diesen Impfstoff an Länder zu geben, die nicht genug Impfstoff haben als jetzt hier ohne Grund oder ohne starke Gründe zu viele Impfungen in einer Person, die zum Beispiel gar keine Risikofaktoren hat und sehr jung ist durchzuführen, und dann vier, fünf, sechs, sieben Mal zu boostern. Das ergibt sicherlich nicht so viel Sinn.
Schulmann: Moderna hat ja jetzt gemeldet, dass ihr Omikron-Booster keinen besseren Schutz zeigt als der bisherige. Bei dem Omikron-Booster von Biontech könnte das vielleicht anders aussehen, der könnte schon in ein paar Wochen in den Praxen sein. Bin ich dann mit dem Omikron-Booster auch weiterhin gegen Delta geschützt? Also vor neun Wochen waren noch fast 100 Prozent der Infizierten in Deutschland mit der Delta-Variante infiziert. Jetzt liegt der Anteil von Delta an den Infektionen, haben wir schon gesagt, bei ungefähr zwei Prozent. Und es ist jetzt auch gar nicht so wahrscheinlich, dass ich mich da noch mal mit Delta anstecke. Aber es kann natürlich trotzdem theoretisch sein. Schützt das trotzdem noch gegen die Delta-Variante, der Omikron-Booster?
Ciesek: Da fehlen ja einfach noch die Daten, um das beantworten zu können. Was wir sehen, ist, dass Menschen, die geimpft sind und wenn das nur eine Booster-Impfung ist, also die schon vorgeimpft sind mit dem alten Impfstoff, sich dann mit Omikron infizieren, dass die auch ansteigende neutralisierende Antikörper für Delta entwickeln. Wenn das analog ist bei dem Impfstoff, also wenn auch der Impfstoff dazu führt, dass die neutralisierenden Antikörper gegen Delta wieder ansteigen, dann würde ich davon ausgehen. Aber wir wissen es einfach nicht, weil die Daten von Biontech einfach noch nicht veröffentlicht wurden. Und das werden wir dann beantworten können, wenn die öffentlich gemacht werden, denke ich.
Varianten-Funde in der New Yorker Kanalisation
Schulmann: Wir haben vorhin schon gesagt, die Varianten Alpha, Beta und Gamma kommen laut RKI in Deutschland im Moment gar nicht mehr vor. Apropos Varianten, da gibt es jetzt neue Informationen aus New York. Wir können jetzt vielleicht so ein bisschen Coronavirus-Mystery machen. Es gab Berichte über seltsame Funde aus der New Yorker Kanalisation, über die ganz viel gerätselt wird.
In New York wird ja auch schon lange, fast seit Beginn der Pandemie, das Abwasser untersucht auf Spuren von Coronaviren, um dadurch auch im Auge zu behalten, wie sich das Virus verteilt und weiterverbreitet und verändert. Und dabei ist offenbar schon Anfang 2021 ein Hinweis aufgetaucht auf eine Variante, über die Forschende jetzt kürzlich in der Zeitschrift "Nature Communications" berichtet haben. Anscheinend ist das eine Variante oder vielleicht auch mehrere Varianten, die in Patientinnen bisher aber gar nicht festgestellt wurden. Wie kann das sein? Was sind das für Varianten?
Ciesek: Ja, ich glaube, da kann man so grob sagen, es könnte zwei Ursachen geben. Die eine, die ich eher nicht so unwahrscheinlich finde, ist, dass das einfach total seltene Varianten sind und die einfach in Menschen nicht gefunden wurden, weil nur ein gewisser Anteil der Patienten überhaupt sequenziert wird. Das heißt, ich weiß nicht, wie viel in den USA sequenziert wird, aber wahrscheinlich auch nicht mehr als hier, wenn man nur fünf Prozent zum Beispiel sequenziert, hat man einfach ein bisschen Blindflug. Und es können auch Varianten entstehen, die man einfach nie sequenziert und nie vor sich hat. Das ist eine Erklärung dafür.
Virus auch im Tierreich
Und eine andere, die ich eigentlich fast logischer finde, ist, dass das Virus auch im Tierreich existiert, das wissen wir ja, dass sich das in verschiedenen Tieren auch vermehren kann, eigene Populationen ausbilden kann und dann ins Abwasser gelangt. Das erinnert mich ein bisschen an so eine ältere Publikation von 2014, also es hat gar nichts mit SARS-CoV-2 zu tun. Aber da hat jemand mal in New York City Ratten untersucht, welche Pathogene man dort findet in den Ratten von New York City. Und hat irgendwie 15 Bakterien, Hantaviren gefunden in mehreren Tieren und 18 neue Viren. Darunter war zum Beispiel ein Virus oder zwei Viren, die dem Hepatitis-C-Virus beim Menschen sehr ähnlich sind und die auch in der Leber replizieren.
Das heißt, es ist jetzt nicht genau das gleiche, aber es heißt, dass sich in Ratten natürlich sehr viele Viren vermehren können und auch übers Haustier zum Beispiel und durch enge Kontakte auf den Menschen überspringen können, zurückspringen können. Und wenn sich jetzt zum Beispiel SARS-CoV-2 in diesen Tieren vermehren kann und dort ein eigenes natürliches Reservoir hatte, dann ist das logisch, dass man das irgendwann im Abwasser finden kann. Und einige der Mutationen, die man da gefunden hat, da war es ja auch so, dass da gezeigt werden konnte, dass die den ACE2-Rezeptor, also den Eintrittsrezeptor von dem Virus, von Mäusen und Ratten nutzen konnten. Die Mutationen führten dazu, dass Ratten-ACE2-Rezeptoren benutzt werden konnten und das spricht ja auch ein bisschen dafür.
Infiziertes Damwild
Und auch ganz interessant vielleicht, dass in Damwild, das ist ja jetzt auch in New York, glaube ich, oder in den USA, auch Omikron gefunden wurde, also dass Damwild damit infiziert war. Das zeigt ja auch noch mal, dass es tierische Reservoirs gibt. Und natürlich, wenn jetzt zum Beispiel eine Ratte infiziert wird und andere Ratten ansteckt, passiert eigentlich das gleiche wie bei uns Menschen. Das Virus adaptiert sich und passt sich an und versucht, sich an den neuen Wirt anzupassen und sich da zu verbessern, um den Wirt besser nutzen zu können. Und deswegen entstehen dann Mutationen.
Es kann einfach gut sein, das ist interessant, klingt ein bisschen wie ein Krimi, dieses Paper, dass das dann einfach dazu führt, dass sich Viren verändern und an den neuen Wirt anpassen und dann aber auch, das ist natürlich immer die Gefahr, wieder überspringen auf den Menschen. Aber manchmal sind sie dann zum Beispiel gar nicht mehr für den Menschen so gut passend und gar nicht so pathogen. Also das ist was, was man sicherlich weiter beobachten sollte. Und auch immer wieder in Tierpopulationen gucken sollte, das wird ja auch gemacht. Es gab ja auch letztens eine Geschichte mit Hamstern in China, glaube ich, wo man Infektionen gefunden hat. Und es gibt auch Katzen, die SARS-CoV-2 infiziert waren. Und natürlich kann sich das Virus dann auch an diese Tiere anpassen.
Forschung an Universal-Impfstoffen
Schulmann: Das zeigt noch einmal mehr, dass theoretisch auch jederzeit neue Varianten entstehen können, aber die bisherigen Impfstoffe, die waren ja immer auf eine ganz bestimmte Virus-Variante zugeschnitten, die wir schon kannten. Da liegt dann die Frage nahe, wie das mit der Forschung an Impfstoffen weitergehen kann.
Es gab da in den vergangenen Wochen auch immer wieder Hoffnungen auf sogenannte Universal-Impfstoffe. Der US-Immunologe Anthony Fauci hat zum Beispiel gesagt, es reiche nicht aus, dem Virus immer hinterherzujagen und den Impfstoff bei jeder neuen Variante anzupassen, sondern es bräuchte einen anderen Angang an die Impfstoffherstellung. Das würde dann bedeuten, man müsste irgendwo anders ansetzen als beim Spike-Protein. Gibt es denn Teile des Virus, die sich auf keinen Fall verändern, die immer gleich bleiben, an die man dann die Impfstoffe anpassen könnte?
Ciesek: Nein. Also es gibt sogenannte konservierte Regionen, wo man weiß, dass sich da nicht so viel verändert. Das nutzen wir ja auch bei den antiviralen Medikamenten. Und das sehen wir auch bei den Varianten, dass dort in der Protease oder in der Polymerase deutlich weniger Mutationen entstehen. Aber die können natürlich genauso entstehen wie bei anderen Stellen. Das ist sozusagen ein Zufall, wo eine Mutation entsteht. Und die setzen sich dann natürlich eher durch im Spike, weil das wichtig ist für die Infektion der Zelle an sich. Und wenn da natürlich ein Vorteil besteht, dann können sich solche Varianten leichter durchsetzen.
Aber nein, es gibt schon Regionen, wo man weiß, dass die höher konserviert sind und vielleicht nicht so häufig oder klassischerweise eher keine Mutationen entstehen. Aber es ist keine Garantie. Und das ist, glaube ich, auch, was manchmal durcheinandergeworfen wird. Also, dass man jetzt einen Impfstoff gegen alle Coronaviren hat, das ist, glaube ich, extrem unwahrscheinlich und extrem schwierig zu machen.
Schulmann: Also nicht nur für SARS-CoV2, sondern wirklich für alle Coronaviren.
Ciesek: Genau, auch die Erkältungsviren, weil die genetisch so weit auseinanderliegen, dass das wirklich sehr schwierig ist. Ich bin kein Impfstoffentwickler, aber ich glaube, das ist auch sehr schwer. Es wird Jahre dauern, bis man da wirklich Erfolge hat, weil man sehr viel ausprobieren muss. Es muss ja auch sehr sicher sein, so ein Impfstoff. Und die Antikörper, die dann entwickelt werden, müssen breit sein, aber dürfen auch keinen Schaden zufügen. Und wahrscheinlich ist es realistischer, einen sogenannten polyvalenten oder multivalenten Impfstoff zu haben.
Das heißt, man würde jetzt als konkretes Beispiel Delta und Omikron mischen und dann würden Antikörper gegen beide induziert werden. Da ist nur immer die große Herausforderung der Dosis, dass man dann noch genug von beiden hat, von beiden Varianten genug Antikörper gebildet werden, dass das ausreichend ist. Und da ist natürlich die Forschung dran beziehungsweise wird die Forschung da die nächsten Jahre hoffentlich drauf hin arbeiten. Aber das ist meines Erachtens extrem schwierig und sehr zeitaufwendig und alles andere als klar, ob das funktionieren wird.
Schulmann: Also ein Universal-Impfstoff oder ein Impfstoff, der gegen möglichst viele Varianten schützt, ist eher in weiter Ferne. Ein Impfstoff, der gleichzeitig gegen Corona und Grippe schützt, der scheint schon eher denkbar oder in greifbarerer Nähe zu sein. Und über Grippe und Corona würde ich noch ganz kurz zum Ende mit Ihnen gerne sprechen. Die Influenza war ja ziemlich lange während der Pandemie fast verschwunden. Durch Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht zum Beispiel.
Jetzt steigt die Zahl der Grippefälle wieder etwas, aber in Deutschland laut RKI weiterhin sehr gering. In der fünften Meldewoche 2022 wurden dem RKI demnach 300 bestätigte Influenzafälle gemeldet und laut Institut hat damit eine Grippewelle noch gar nicht angefangen. Jetzt habe ich von den ersten Fällen gelesen, in denen sich Menschen gleichzeitig mit Grippe und Corona angesteckt haben.
Flurona
In Israel und Katalonien hat es zum Beispiel solche Fälle gegeben. Es gibt für diese Infektion auch schon einen Namen, nämlich "Flurona", also "Flu" aus dem Englischen für Grippe und "Rona" für Corona.
Ciesek: Da müssen Sie gar nicht bis nach Israel. Die gibt es auch in Frankfurt.
Schulmann: Das wollte ich gerade fragen. Haben Sie solche Doppelinfektionen auch schon erlebt?
Ciesek: Ja, das hatte ich witzigerweise auch vor einer Woche getwittert, weil wir dann mehrere hintereinander hatten. Und natürlich gibt es das. Das liegt daran, wie häufig die Viren beide gleichzeitig zirkulieren, wie häufig Sie die Möglichkeit haben, beide zu treffen und sich zu infizieren, grob gesagt.
Schulmann: Und wird das etwas sein, was wir in den nächsten Monaten oder auch im nächsten Winter häufig erleben werden? Ich stelle mir das eigentlich relativ unwahrscheinlich vor, dass ich zu Hause mit Grippe liege und mir dann auch noch Coronaviren zugetragen werden.
Ciesek: Genau, wenn Sie zu Hause im Bett liegen, alleine, dann ist es natürlich unwahrscheinlich. Aber es gibt so einen Review, der das mal ausgewertet hat von den ersten Pandemiemonaten und -jahren. Und da hat man mal nach der Frequenz der Influenza-Koinfektion geguckt bei Covid-19. Und hat dann festgestellt, dass das sehr unterschiedlich ist, die Frequenz. In Asien war die bei 4,5 Prozent und in Amerika bei 0,4 Prozent. Und das ist, was ich meine. Also wenn natürlich eine Influenzawelle gerade läuft und einfach viele Infektionen da sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch gar nicht so gering, dass es zu einer Koinfektion kommt. Und wenn wir, wie jetzt, diese Maßnahmen haben, die Influenza sehr gut eingrenzen, dann ist das natürlich ein selteneres Ereignis.
Einfluss von Karneval
Klassischerweise haben wir in den letzten Jahren die Influenzasaison um diese Jahreszeit gehabt und es gab immer einen deutlichen Anstieg nach Karneval. Also da scheint auch Karneval eine große Rolle zu spielen. Und da wir ja dieses Jahr auch wenig Feste ohne Einschränkungen zu Karneval haben, denke ich mal, wird die Grippewelle entweder wieder sehr reduziert bleiben oder sehr verschoben sein. Also wenn man dann sagt, ab Mitte März lässt man alle Maßnahmen, alle Masken zum Beispiel weg, ist die Frage, ob dann auch eine Influenzawelle auf uns zurollen würde. Das kann man nicht ausschließen, aber man weiß es natürlich auch nicht. Aber wie gesagt, es wird häufiger vorkommen, wenn man irgendwann gar keine Maßnahmen hat, dass es auch zu mehr Koinfektionen kommt.
Das ist auch zum Beispiel in diesen vier Szenarien ein Thema, wie ist es mit Koinfektionen mit Influenza? Ist die Welle gleichzeitig, also dass praktisch Influenzawelle und Covidwelle gleichzeitig kommen? Dann wird es einen höheren Peak geben, der sehr, sehr steil ist. Oder treten die nacheinander auf? Zum Beispiel Covid im Oktober, November und die Influenza dann im Dezember, Januar, Februar. Dann würde das zu einer sehr langen Belastung im Gesundheitssystem führen. Und das wissen wir noch nicht. Das wird aber sicherlich auch in den Krankenhäusern in den nächsten Jahren immer wieder eine Herausforderung sein. Und das wird, was ich auch meinte, Anpassungen erforderlich machen, dass man einfach mit mehr Patienten zu der Jahreszeit rechnen muss, als in den Saisons vor Covid.
Schulmann: Ist das so, dass man bei einer "Flurona"-Doppelinfektion mit einem schwereren Verlauf rechnen muss? Also man kann sich ja vorstellen, zwei Infektionen auf einmal. Also jemand hat zuerst eine Grippe und dann ist der Körper sowieso schon geschwächt und kriegt dann auch noch eine Corona-Infektion. Ist das tatsächlich so, muss man da mit einem schwereren Verlauf rechnen, als "nur" mit Corona oder "nur" mit Grippe?
Ciesek: Da gibt es ehrlich gesagt noch keine guten Daten zu. Die Fälle in der Literatur sind meistens Fallberichte oder ganz kleine Studien. Richtig systematisch ist das wissenschaftlich noch nicht ausgewertet. Es ist aber natürlich denkbar, dass, wenn man eh schon geschwächt ist oder eine Infektion hat, dass das dann schwerer wird. Es ist aber auch genauso umgekehrt denkbar, zum Beispiel eine Influenza-Infektion führt zu einem Ausstoß von Interferonen, also von unserer körpereigenen Abwehr und dass man dann nur eine ganz leichte Covid-Infektion bekommt, weil gerade die Interferone hochreguliert sind. Und das ist beides denkbar, man weiß es einfach nicht.
Also man kann es noch nicht genau sagen und es wird wahrscheinlich nicht davon abhängen, ob man sich gleichzeitig oder nacheinander infiziert und was zuerst. Da gibt es einfach noch zu wenig Forschungsberichte und -arbeiten zu, um das genau zu beantworten.