Wie ein Stahlwerk auf Klimaschutz setzt
Riesige Öfen und rauchende Schlote: Bei der Produktion von Stahl wird viel Kohlendioxid ausgestoßen. Weltweit ist die Stahlindustrie für etwa sieben Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Die Politik macht seit einiger Zeit Druck: In der EU sollen Unternehmen, die viel Kohlendioxid verursachen, in Zukunft höhere Preise für Emissionszertifikate zahlen. Zurzeit forschen deshalb alle großen Stahlproduzenten an umweltfreundlicheren Methoden. Im Norden sind das zum Beispiel die Salzgitter AG, aber auch der weltgrößte Stahlhersteller ArcelorMittal: In Hamburg soll ein Stahlwerk entstehen, das fast kein Kohlendioxid mehr ausstößt.
Stahlproduktion ist laut und heiß: Am Ende einer riesigen, fast menschenleeren Halle lodern Flammen aus einem Kessel. Die Luft ist staubig, alles ist schmutzig. Wer hier arbeitet, darf nur im Ganzkörper-Schutzanzug und mit Helm rein. Das Stahlwerk von ArcelorMittal mit seinen 540 Mitarbeitern liegt im Hamburger Hafen. Jede Woche werden Schiffe entladen, die Eisenerz aus Brasilien und Kanada bringen. Zu großen Hügeln aufgetürmt lagert das Erz in der Nähe des Eingangs. Am anderen Ende des Geländes liegt das Endprodukt: Ballen von Walzdraht, der später zu Einkaufswagen, Schrauben oder Gitarrensaiten verarbeitet wird. Bis eine Tonne Draht produziert ist, fallen mehr als 800 Kilogramm Kohlendioxid (CO2) an.
"Es ist eine sehr, sehr CO2-intensive Industrie", sagt der Chef des Hamburger Stahlwerks, Uwe Braun. "Es gibt mittlerweile Optimierungen, aber die würden niemals dazu führen, dass man annähernd in die Region kommt, dass man über eine CO2-neutrale Stahl-Erzeugung sprechen kann."
Erdgas ist schon besser als Steinkohle
Das aber ist sein Ziel: Uwe Braun will ein fast CO2-freies Stahlwerk entwickeln, und zwar mit Hilfe von Wasserstoff. Alle großen Stahlproduzenten forschen zurzeit an solchen Verfahren - Uwe Brauns Projekt ist das größte der Branche. Zurzeit nutzt das Hamburger Werk noch Erdgas, um den Erzen bei großer Hitze Sauerstoff zu entziehen. Das ist der erste Schritt auf dem Weg vom Erz zum Stahl. "Direktreduktion" heißt dieses Verfahren. Damit produzieren die Hamburger schon jetzt sehr viel CO2-ärmer als die Stahlwerke, die nicht mit Erdgas, sondern mit Steinkohlen-Koks arbeiten, um den Sauerstoff aus den Erzen zu entfernen.
Noch viele offene Fragen
Wenn es in Zukunft in Hamburg gelingen sollte, das Erdgas in diesem Schritt der Direktreduktion durch Wasserstoff zu ersetzen, könnten die Emissionen im Hamburger Werk um 80 Prozent sinken. Denn der Abfall von Wasserstoff ist Wasserdampf, ganz CO2-frei. Bis dahin gibt es aber noch viele offene Fragen: "Was heißt das jetzt für die Auslegung der Anlagen? Was genau ist der Wirkungsgrad? Wie ist die Qualität des Eisenschwamms? Wie wirkt sich das auf die Stahl-Erzeugung aus? Wie ist das Einschmelzverhalten? All das muss untersucht werden", sagt Stahlwerk-Chef Braun.
Bislang ist "grüner Wasserstoff" kaum verfügbar
Das größte Problem ist aber: Noch ist "grüner Wasserstoff" kaum verfügbar - also Wasser, das mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen in Wasserstoff umgewandelt wurde. Dieser Prozess der Elektrolyse schluckt viel Energie und ist teuer. "Grüner Wasserstoff" wird zwar schon in Pilotprojekten hergestellt, aber noch nicht im großen Maßstab. Bis "grüner Wasserstoff" in ausreichender Menge verfügbar und halbwegs bezahlbar ist, will Uwe Braun deshalb "grauen Wasserstoff" einsetzen. Das ist Wasserstoff, der aus dem Erdgas der bestehenden Anlage abgetrennt wird.
"Man muss ganz klar sagen: Wenn wir mit grauem Wasserstoff arbeiten, sparen wir noch kein CO2", sagt Braun. Man dürfe aber die Zeit nicht verschlafen. Er will mit "grauem Wasserstoff" - also dem aus Erdgas abgetrennten Wasserstoff - den Testbetrieb aufbauen, um startklar zu sein, wenn er stattdessen "grünen Wasserstoff" einsetzen kann. "Wenn wir alle nur sagen: Ja, man müsste mal. Und keiner fängt an, dann werden wir uns da nicht bewegen."
Ihm gehe es auch darum, als Industrie wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn die Kosten für den CO2-Ausstoß könnten in Deutschland und auch in Europa bald steigen. Wenn Uwe Braun mit seinem Projekt erfolgreich und "grüner Wasserstoff" ausreichend verfügbar ist, könnte die Technologie weltweit eingesetzt werden - und die Stahlproduktion revolutionieren.