Windkraft-Pioniere fühlen sich ausgebremst
Die Windenergie-Branche ist ins Straucheln geraten. Deshalb hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für diesen Donnerstag zu einem Krisengipfel geladen. NDR Info Reporterin Elisabeth Weydt hat sich umgehört, welche Wege es aus der Krise geben könnte. Sie ist in Schleswig-Holstein fündig geworden.
Karl-Albert Brandt und Tim Brandt befinden sich gerade im Industriepark von Brunsbüttel an der Unterelbe in Schleswig-Holstein. Die beiden sind nicht verwandt oder verschwägert, aber Brüder im Geiste der Windenergie. Windmühler seien sie, sagt der 65-jährige Karl Albert Brandt. Er ist der Ältere. Der Jüngere, Tim Brandt, ist 28 Jahre alt. Sie stehen vor einer Elektrolyse-Anlage von Wind to Gas, einem Zusammenschluss mehrerer Windkraftbetreiber. Die Anlage von der Größe einer imposanten Dreifach-Garage wandelt Strom aus einem nahegelegenen Windpark in Wasserstoff um, und speist diesen zum einen ins Gasnetz ein und zum anderen in eine Wasserstoff-Tankstelle nebenan.
"Es wäre ein Leichtes, die Region klimaneutral mit Treibstoff zu versorgen"
"Hochgerechnet könnten wir mit unserer Anlage 1.700 Autos ganzjährig mit Treibstoff versorgen, um mal eine Idee zu bekommen, was für Energiemengen wir hier eigentlich ernten an der Küste, und was für ein Potential wir hier eigentlich haben", sagt Tim Brandt. "Wenn man sich das im größeren Maßstab vorstellt, wäre es ein Leichtes, hier die Region klimaneutral mit Treibstoff versorgen zu können." So weit die Vision der Brandts. Aktuell müssen viele Windkraftanlagen nämlich noch immer regelmäßig abgeschaltet werden. Die Netze können den Strom nicht aufnehmen und in den Süden transportieren, außerdem gibt es bislang kaum Speichermöglichkeiten für Ökostrom.
Von der Bundespolitik enttäuscht
Karl Albert Brandt, dem Älteren geht die Energiewende in Deutschland zu langsam voran. Er wohnt direkt hinterm Deich. "Im Moment bin ich von dem, was in Berlin abläuft, sehr enttäuscht. Es geht nichts weiter. Ich sehe es auch vor dem Hintergrund, dass ich einen Meter über dem Meeresspiegel wohne und meine Kinder und meine Enkelkinder direkt von dem Klimawandel bedroht sind. Es muss schneller vorangehen und es muss jetzt etwas passieren."
Klimaschützer und Geschäftsmänner
Rund zehn Millionen Euro haben die Visionäre und ihre Investoren deshalb in den Elektrolyseur gesteckt, sozusagen die Testversion ihrer Windvision. Die Pioniere hoffen, dass er sich ökologisch wie finanziell auszahlt. Beide sind nämlich nicht nur Klimaschützer, sondern auch Windkraftanlagenbetreiber, also Geschäftsmänner. Der Jüngere ist der Geschäftsführer von Wind to Gas, das wiederum zur ARGE Netz und zum norddeutschen Energieprojekt NEW 4.0 gehört.
"Wir haben verstanden, dass technisch heute schon alles möglich ist. Technische Lösungen finden sich eigentlich für jegliche Probleme, manchmal leichter, manchmal schwieriger", meint Tim Brandt. "Es hapert tatsächlich aus unserer Sicht aktuell nur an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, weshalb solche Projekte nicht viel schneller, in einem viel größeren Stil deutschlandweit umgesetzt werden."
Zeigen, was heute schon möglich ist
Seine Kritik gilt der Politik: Der wolle er zeigen, was heute schon alles möglich sei. Außerdem lege sie schließlich die Steuern und Abgaben fest, nach denen Wasserstoff aus Windstrom aktuell noch nicht rentabel sei. Trotzdem wird in Brunsbüttel gerade eine der größten Elektrolyse-Anlagen der Welt geplant. Die Erkenntnisse aus dem kleinen Elektrolyseur sollen da mit einfließen.
"Besser als auf der Bank"
Ein paar Kilometer weiter nördlich auf dem ehemaligen Hof von Karl-Albert Brandt in Kaiser-Wilhelm-Koog: Seine Tochter hat hier mittlerweile die Regie übernommen, gerade wird die Scheune renoviert. Das Geschäft mit dem Wind läuft gut. "Die Erträge sind besser als auf der Bank. So um die zehn Prozent. Und wenn die Kredite dann abgetragen sind, vielleicht noch ein bisschen mehr. Das liegt ein bisschen am Wind", erzählt Karl Albert Brandt.
Akzeptanz vor Ort
Karl Albert Brandt zeigt seine Windanlage hinter dem Hof. Sie hat eine Leistung von 2,3 Megawatt und gehört zu einem Park von insgesamt sechs Mühlen. Brandt und die anderen Betreiber haben eine Mühle des Parks an die Bürger von Kaiser-Wilhelm-Koog abgegeben. Die "Bürgermühle 2012", an ihr sind 90 Menschen beteiligt. "Wir wollen die Akzeptanz vor Ort erhalten, denn wir kommen von hier. Das ist mir ganz wichtig."
In Deutschland laufen aktuell Klagen gegen den Bau von rund 300 Windkraftanlagen mit einer möglichen Leistung von rund 1.000 Megawatt. Außerdem hängen zusätzlich mehrere Windparks im Genehmigungsprozess mit Kommunen und Behörden fest. Zusammen genommen ist das Strom im Umfang von ungefähr vier kleineren Kohlekraftwerken.
In Kaiser-Wilhelm-Koog aber würden die Menschen die Anlagen akzeptieren und sogar schätzen, sagt Brandt. Sie hätten ihnen schließlich schnelles Internet und regelmäßige Gewinnausschüttungen gebracht. Der erste Windpark mit Bürgerbeteiligung wurde hier schon in den 90er-Jahren gebaut.
"Die Windenergie ist hier geboren"
Bürgermeisterin Anken von der Geest-Borwieck sagt, sie sei stolz auf die Windmühlen. "Windenergie ist hier die Keimzelle in Kaiser-Wilhelm-Koog. Die Windenergie ist hier geboren." Für die Gemeindekasse sei die Windenergie regelrecht existentiell. "Letztendlich als Gemeinde muss ich sagen, die Gewerbesteuern sind einfach da. Das ist ja für unsere Gemeinde nur gut. Denn wir sind sonst keine großartig reiche Gemeinde."