Verfassungsschutz: Zahl der Extremisten in Hamburg wächst
In Hamburg ist die Zahl der Islamistinnen und Islamisten sowie der Rechtsextremistinnen und -extremisten weiter gewachsen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2023 hervor, den Innensenator Andy Grote (SPD) am Montag vorgestellt hat.
Grote begann die Pressekonferenz mit einer Schweigeminute für den in Mannheim getöteten Polizisten, der mutmaßlich Opfer von politisch motivierter Gewalt wurde. Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele - das scheint in manchen Milieus hoffähig zu werden. Zum Beispiel gibt der Hamburger Verfassungsschutz die Zahl islamistischer Extremistinnen und Extremisten jetzt mit 1.840 an - das sind etwa doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Im Jahr 2022 waren 1.755 Menschen dieser Szene zugeordnet worden, im Jahr 2014 erst 955. Mehr als 1.500 von ihnen gelten als gewaltorientiert.
Innensenator: Islamismus eine Gefahr
Die Forderung nach einem Kalifat bei islamistischen Demonstrationen in Hamburg richte sich fundamental gegen das Grundgesetz, erklärte Grote. "Aber wir stehen nicht in einer Situation, dass das Kalifat irgendwo strukturell auf dem Vormarsch ist." Trotzdem sei der Islamismus eine Gefahr, die sich durch eine unglaubliche Brutalität und ein hohes Maß an Fanatismus und Gewaltbereitschaft im Einzelfall auszeichne, betonte Grote.
Grote: Abschiebungen nach Afghanistan müssen möglich sein
Nach dem tödlichen Messerangriff auf den Polizisten in Mannheim forderte Hamburgs Innensenator Konsequenzen. Gewissheit über die Motive des Angreifers gibt es noch nicht. Aber der 25-Jährige aus Afghanistan ist mit dem Messer auf Teilnehmende einer islamkritischen Kundgebung losgegangen. Grote forderte, "dass die Abwägung zwischen unseren Sicherheitsinteressen und dem Schutzinteresse, auch wenn die Menschen aus Ländern wie Afghanistan oder Syrien kommen, neu getroffen werden. Es muss die Möglichkeit geben, auch in diese Länder zurückzuführen."
Seit der Machtübernahme der Taliban sind Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt - in Kriegsgebiete wie Syrien ebenso. Das müsse zumindest bei Terrorgefahr oder im Fall schwerer Straftaten geändert werden, so Grote. Ähnlich äußerten sich auch Vertreterinnen und Vertreter von SPD und FDP in der Berliner Ampelkoalition.
Zahl der Rechtsextremisten gestiegen
Auch die Zahl der Rechtsextremistinnen und -extremisten ist leicht gestiegen - auf 390. Im Jahr 2022 wurden noch 380 gezählt. Weniger als die Hälfte von ihnen gilt als gewaltorientiert, dennoch gingen die meisten politisch motivierten Straftaten in Hamburg von rechts aus, hieß es. Der Rechtsextremismus ist nach Einschätzung von Grote nach wie vor die stärkste Bedrohung für die Demokratie. Er begründete das vor allem mit der Rolle der AfD. "Auf Bundesebene und in einzelnen Landesebenen hat sich die Radikalisierung der AfD fortgesetzt." Grote erklärte zugleich, dass der Hamburger Landesverband der AfD kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes sei.
Zahl der Linksextremisten gesunken
Dem Linksextremismus rechnet der Verfassungsschutz 1.060 Personen zu, nach 1.130 im Jahr 2022. Die Zahl der politisch links motivierten Kriminalität, zu der auch Ordnungswidrigkeiten gehören, ist leicht gesunken (von 421 auf 379 Delikte). Die Zahl der Straftaten von links ist den Angaben zufolge aber sprunghaft von 80 auf 137 gestiegen, unter anderem durch zahlreiche Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit den Feiern zum Tag der Deutschen Einheit im vergangenen Jahr. Stabil geblieben ist die Zahl der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter. Sie liegt bei 340.
Opposition: Senat unterschätzt islamistische Gefahr
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dennis Gladiator, warf dem rot-grünen Senat vor, auf dem islamistischen Auge blind zu sein. Der Senat müsse dem Islamismus mit aller Härte entgegentreten. Grote beschwöre "gebetsmühlenartig" den Rechtsextremismus als größte Gefahr für unsere Gesellschaft, kritisierte AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. Die Zahlen des Verfassungsschutzes sprächen aber eine eindeutige Sprache: "Islamische Extremisten sind eindeutig die größte Gefahr für unsere Demokratie." Hamburg habe sich nicht zuletzt durch das jahrelange Wegschauen rot-grüner Senate zu einer Hochburg der Islamistenszene entwickelt, kritisierte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. "Das ist nicht nur eine akute Bedrohung unserer Demokratie, sondern geht mit wachsendem Antisemitismus einher."
Die Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, Cansu Özdemir, meinte: "Der Verfassungsschutz hat wieder einmal bewiesen, dass auf ihn im Kampf gegen Rechts kein Verlass ist. Im Gegenteil: Antifaschistische Politik wird sogar noch diskreditiert und vom Verfassungsschutz überwacht."
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels gab es missverständliche Angaben zu der Anzahl linksextremer Delikte. Die Passage wurde präzisiert.